Andy Engel ist Tätowierer aus Leidenschaft. Eigentlich hat sich der Tätowierer aus Marktsteft im Landkreis Kitzingen auf fotorealistische Tattoos spezialisiert, ist ein Meister seines Fachs. Bis zu zehn Jahre warten Kunden bei ihm auf einen Termin.
Doch spezielle Kundschaft ist ihm wichtiger: Er sticht Brustkrebspatientinnen und -patienten täuschend echt aussehende Brustwarzen auf die operierte Brust – und trägt damit maßgeblich zur seelischen Heilung bei. Denn für viele Frauen ist die Amputation der Brust, die sogenannte Mastektomie, eine Katastrophe, sie leiden massiv unter ihrem veränderten Aussehen.
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Brustkrebs-Patientin: "Das bin nicht ich!"
So wie Gundi Seliger. Die 56-Jährige aus Böblingen bekam vor zwei Jahren die Diagnose Brustkrebs. "Die Tatsache, dass es Brustkrebs ist und dass dann die Brustwarze noch entfernt werden muss, das hat mir total den Boden unter den Füßen weggezogen", erinnert sie sich mit zitternder Stimme. Dreimal wurde sie operiert. Eine Brust wurde ihr abgenommen, die gesunde Brust ließ sie anpassen, in ihrem Fall verkleinern.
In Andy Engel setzt Gundi Seliger große Hoffnungen. "Ich wünsche mir, dass ich einfach dann vielleicht auch vorm Spiegel steh und sage: Ich bin wieder ich! Sexy, begehrenswert. Dass das wieder mein Körper ist", sagt sie. Sie duscht auch nicht öffentlich, "weil ich gucke an mir runter und das bin nicht ich. Da fehlt ein Teil."
Rund 200 Brustwarzen-Tattoos pro Jahr
Der Tätowierer kennt diesen Gefühlszustand. 2008 hat Andy Engel, der sich im Bereich Fotorealismus einen Namen gemacht hat, seine erste Brustwarze auf Wunsch einer Kundin gestochen. Jetzt sind es gut 200 im Jahr. Die Patientinnen bekommen bei ihm schneller einen Termin als die Menschen, die ein klassisches Tattoo wollen. Die müssen teilweise zehn Jahre auf einen Termin bei ihm warten. "Das ist immer mehr zu meinem Baby geworden, mit jeder Frau, die reingekommen ist und ihre Geschichte erzählt hat", erzählt Andy Engel.
Er selbst hatte in der Familie viel mit dem Thema Krebs zu tun, kennt das Hoffen und Bangen. "Ich habe da irgendwie einen Draht gehabt zu den Frauen und wusste, wie die sich fühlen, wenn man die Diagnose kriegt, wie lange man wartet, bis dann die Behandlung losgeht, dann Wundheilungsstörung, dann wieder zum Arzt …"
Krankenkassen lehnen Kostenübernahme oft ab
Knapp 2.000 Euro kostet ein Brustwarzen-Tattoo. Andy Engel hilft seinen Kundinnen mit dem Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse. Doch nicht alle Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine sogenannte Mamillen-Pigmentierung. So wie bei Gundi Seliger. Da ihre finanziellen Mittel für ein Tattoo aber ausgeschöpft sind, hat sie einen anderen Weg gewählt. Sie hat sich bei der Kampagne #wiederganzich beworben, die das Brustwarzen-Tattoo gemeinsam mit Andy Engel an drei Patientinnen im Jahr verschenkt.
Zusammenarbeit mit Medizinern
Das Tattoo ist eine medizinische Brustwarzenkonstruktion. Dafür arbeitet Andy Engel eng mit Ärzten zusammen, durfte auch schon bei Operationen zusehen. Dabei konnte er viel darüber lernen, wie das Brustgewebe aufgebaut ist und wie sich Haut und Gewebe durch eine Brustkrebstherapie verändern. Für das Tattoo verwendet er außerdem spezielle, steril verpackte Farben und Nadeln.
Tätowierer: "Tolles Gefühl, anderen zu helfen"
Ihm selbst bringt die Arbeit mehr als nur Geld ein. Das spürt er spätestens bei der Nachkontrolle nach vier Monaten, wenn die Frauen das Tattoo-Studio in Marktsteft erneut betreten. "Wenn eine Frau hier reinkommt nach vier Monaten und strahlt und ist irgendwie wieder ein ganz anderer Mensch wie bei der ersten Sitzung hier, dann ist das einfach klasse", lächelt Andy Engel. Es sei einfach ein tolles Gefühl, Menschen zu helfen, die nichts für ihre Erkrankung konnten, "die das aber dringend brauchen, damit sie sich wieder wohlfühlen."
Gundi Seliger ist schon nach der ersten Sitzung überwältigt. Beim Blick in den Spiegel schießen ihr Freudentränen aus den Augen. "Das ist schon richtig super geworden", sagt sie. "Die Farbe wird noch anders, das ist noch rot. Ich fühle mich mega!"
Im Video: Wie ein Tätowierer Brustkrebs-Patientinnen neues Selbstbewusstsein gibt
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