Nur 3,5 Prozent der Menschen in Bayern sind bisher vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Um das Tempo bei den Impfungen zu beschleunigen, werden die Impfzentren in ganz Bayern hochgefahren. Im nächsten Monat werden über eine Million Impfdosen erwartet. Doch nicht nur zu wenig Impfdosen sind ein Problem, es gibt einen weiteren Bremsfaktor: den hohen Bürokratieaufwand. Das zeigen Recherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers.
Impf-Dokumentation umfangreich
Im Landkreis Ebersberg werden derzeit 450 Menschen am Tag geimpft – mehr als doppelt so viele wie vor ein paar Wochen. Doch um allen Bürgern ein Impfangebot bis zum Sommer machen zu können, müssten deutlich mehr Menschen pro Tag geimpft werden. Das scheitere momentan daran, dass die Bürokratie während des Impfvorganges viel Zeit kostet, berichten die Ärzte.
Es seien insgesamt sechs Unterschriften nötig pro "Impfling", zählen die Ärzte vom Impfzentrum Ebersberg auf. Jeder Schritt muss von ihnen dokumentiert werden: von der umfassenden Patientenaufklärung über das Einlesen diverser QR-Codes, vom Ausdrucken von Bescheinigungen bis hin zur Bestätigung per Software. Die Impfärzte benötigen dadurch pro Geimpftem etwa 15 bis 20 Minuten.
Mehr Tempo durch Impfen bei Hausärzten
Ab April sollen auch Hausärzte die Corona-Impfstoffe verabreichen. Hausärzte wie Wolfgang Ritter sind sich sicher, dass sie in der Praxis viel schneller beim Impfen sein können als im Impfzentrum. Denn die Patienten hätten mehr Vertrauen zu ihrem Hausarzt. Das beschleunige die Impfung, und Aufklärungsbögen könnten vorab ausgehändigt werden.
"Wenn ich aber jetzt bei jedem Patienten neben dem Impfgeschehen noch mal fünf Minuten an zehn Blättern sitze, die ich ausfüllen und irgendwo einscannen muss, dann ist das einfach sehr hinderlich." Dr. Wolfgang Ritter, Hausarzt aus München
Der Münchner Allgemeinarzt kritisiert, dass bis April der gesamte Impfstoff fast ausschließlich an die Impfzentren geht.
Zweifel an zuverlässiger Priorisierung bei Hausärzten
Aber wie kann sichergestellt sein, dass die Priorisierung gemäß der Impfverordnung in den Hausarztpraxen eingehalten wird? Der Leiter vom Impfzentrum Ebersberg, Liam Klages, kann sich noch nicht recht vorstellen, wie die Hausärzte bei ihrer Terminvergabe die Impfreihenfolge wie im Impfzentrum einhalten wollen.
"Wie würde man Termine vergeben, wie würde das ausschauen, damit das analog zu den Impfzentren, die ja nebenher laufen sollen, gleichmäßig und fair abläuft?" Liam Klages, Leiter Impfzentrum Ebersberg
Hausärzte: Priorisierungsliste zu Lasten der Geschwindigkeit
Der Verband der bayerischen Hausärzte sieht diese Gefahr nicht. Er fordert, dass die Hausärzte mit ihren bisherigen Priorisierungsmethoden beim Impfen auch den Corona-Impfstoff verabreichen dürfen. Das strikte Festhalten an der Priorisierungsliste ginge zu Lasten der Geschwindigkeit beim Impfen.
"Die Priorisierung, die geht in der Praxis nicht. Also da brauchen wir viel mehr Beinfreiheit, dass wir mit unseren Priorisierungsmethoden, wie wir es ja sonst auch impfen, hier weitermachen dürfen." Dr. Petra Reis-Berkowicz, Bayerischer Hausärzteverband
- Aktuelle Zahlen zur Impfung in Bayern
Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetscheck will in Grenzregionen Abweichungen von der Impfreihenfolge zulassen, grundsätzlich aber an ihr festhalten. Sonst würde das Impf-Chaos nur noch größer, meint Holetschek. Er geht davon aus, dass die Hausärzte verantwortungsvoll nach bestem Wissen und Gewissen die Menschen impften, die auch in der Priorisierung dran sind.
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