Die Gassen rund um den Stadtplatz von Vilshofen im Landkreis Passau sind ein perfektes Zuhause für Tauben. Sie sitzen auf Bögen, brüten in versteckten Winkeln und auf Fensterbänken. An vielen Hausfassaden und Fahrrad-Wegweisern sind zwar Spikes angebracht. Doch der Kot an den Häusern zeigt: Diese Form der Tauben-Bekämpfung scheint wenig zu bringen. "An den Fassaden ist alles neu gemalert worden. Aber wir rennen immer hinterher. Es ist einfach ein großes Problem, das uns seit Jahren beschäftigt", sagt Bürgermeister Florian Gams (SPD). Doch jetzt soll das Problem gelöst werden. Die Stadt setzt auf einen Taubenschlag.
Plastik-Attrappen in den Nestern
Im Dachboden des Jugendzentrums haben Bauhofmitarbeiter einen Taubenschlag mit Nistplätzen für 200 Vögel gebaut. Luisa Hell kommt dreimal die Woche hierher. Sie füllt Wasser und Futter nach, putzt den Kot weg und tauscht die Eier gegen Plastik-Attrappen aus. Die 33-Jährige ist überzeugt von dem Konzept. Denn Tauben sind standorttreu. Baut man ihnen ein Zuhause, verbringen sie Hell zufolge 80 Prozent des Tages dort. Das heißt: Auch ein Großteil des Kots bleibt im Taubenschlag. Durch das Tauschen der Eier reduziert Luisa Hell außerdem die Population. "In einem halben Jahr dürften wir erste Konsequenzen in der Stadt bemerken", schätzt sie.
14 Taubenschläge in Augsburg
Die Idee ist nicht neu. Das sogenannte Stadttaubenmodell gibt es in Augsburg bereits seit den 90er-Jahren. 14 Taubenschläge sind im Stadtgebiet verteilt. Ehrenamtliche Tierschützer tauschen pro Jahr etwa 10.000 Eier aus. Demnach landen mindestens sechs Tonnen Kot in den Schlägen und nicht mehr auf der Straße. "Dort, wo wir Taubenschläge haben, nimmt der Ärger dramatisch ab", bilanziert Sabina Gassner vom Tierschutzverein Augsburg.
Am besten laufe es in Stadtteilen, in denen sich Anwohner um die Taubenschläge kümmern. "Wo zwei bis drei Leute aus der Nachbarschaft den Job übernehmen, funktioniert es", sagt sie. Es sei aber nicht leicht, genügend ehrenamtliche Helfer zu finden. Denn die Arbeit sei schwer und müsse kontinuierlich gemacht werden.
Ingolstadt: Probleme mit Solaranlagen
Auch die Stadt Ingolstadt folgte 2019 dem Beispiel Augsburgs. Drei ehrenamtliche Tierschützer kümmern sich um mittlerweile drei Taubenschläge. "Die Erfahrungen sind durchwegs positiv, die Belästigungen durch Lärm und Kot sind im Umfeld der Taubenschläge stark zurückgegangen", teilt die Stadt auf BR-Anfrage mit.
Es könnten aber natürlich nicht über die ganze Stadt verteilt betreute Taubenschläge eingerichtet werden. Und insbesondere unter Solaranlagen auf Dächern entstünden neue Brutplätze, sofern diese nicht abgedichtet werden. "Ein Taubenschutz sollte bei der Errichtung von Solaranlagen zum Standard werden", fordert die Stadt.
Tauben sind "verwilderte Haustiere"
Luisa Hell hat sich selbstständig gemacht und will das Tauben-Management zu ihrem Beruf machen. "Tauben haben leider zu Unrecht einen schlechten Ruf in unserer Gesellschaft. Jeder findet Hunde und Katzen süß. Aber niemand kümmert sich um Stadttauben. Deswegen übernehme ich jetzt diese Aufgabe", sagt sie. Die ehemalige Jura-Studentin hofft, nach Vilshofen noch weitere Kommunen in Niederbayern von dem Konzept zu überzeugen.
Denn Fütterungsverbote, wie es sie in vielen Städten gibt, allein bringen nichts. "Tauben fressen in ihrer Verzweiflung alles – Kaugummi, Zigarettenkippen und Erbrochenes", sagt Hell. Der Grund: Stadttauben sind laut Deutschem Tierschutzbund keine Wildtiere, sondern "verwilderte Haustiere", die früher als Haus- und Nutztiere in Dachböden gehalten und auf Vermehrung gezüchtet wurden. Die Vögel brüten daher bis zu neunmal im Jahr – unabhängig von Nahrungsangebot und Witterung.
Tierschutzbund für Taubenschläge
Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt den Betrieb von betreuten Taubenschlägen. Das teilt er dem BR auf Anfrage mit. Vergrämungsmaßnahmen durch spitze Spikes seien weder tierschutzgerecht noch nachhaltig. Die Stacheln würden nur dazu führen, dass sich die Tauben an anderen Orten niederlassen. Dennoch: Luisa Hell rennt mit ihrer Idee nicht überall offene Türen ein. Die Stadt Passau hat ihr Angebot zum Beispiel abgelehnt.
Auch Florian Gams, Bürgermeister von Vilshofen, räumt ein, die Idee zunächst etwas befremdlich gefunden zu haben. Mittlerweile erhofft er sich davon viel. Auch finanziell. Er denkt, dass es die Stadt langfristig günstiger kommen wird, in den Taubenschlag zu investieren, als die Fassaden regelmäßig reinigen und streichen lassen zu müssen.
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