Zwei Männer stehen in einer Küche vor Körben mit Obst.
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Sigi Tatschl (links) aus Österreich und Gerd Meyer aus Weißenburg haben die "Essbare Landschaft" in Weißenburg initiiert und geplant.

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"Essbare Landschaft" für die Bürgerschaft

Chinesische Datteln, Ölweide und Pawpaw-Früchte sollen künftig in Weißenburg auf einer Fläche direkt neben der Stadtmauer wachsen. Diese "Essbare Landschaft" ist als Obstgarten für alle gedacht - und in dieser Art ein Pilotprojekt in Bayern.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Eine "Essbare Landschaft" soll Obst in die Stadt und die Menschen zusammenbringen. Das Konzept hat sich der Österreicher Sigi Tatschl ausgedacht. Er hat vor 20 Jahren seine Heimatgemeinde Kirchberg am Wagram zu einer "Essbaren Gemeinde" gemacht. Auf verschiedensten Grünflächen wachsen in Kirchberg Früchte: Weißdorn, chinesische Datteln, Zieräpfel. Die Kirchberger Kinder würden damit aufwachsen, auf dem Weg zur Schule von den Büschen Obst zu naschen, berichtet Tatschl. In Weißenburg pflanzen die Bürgerinnen und Bürger nun nach diesem Vorbild rund 250 Obstpflanzen am Schanzmauergraben auf einer Fläche von rund einem Hektar.

Alte, vergessene Obstsorten

Das Konzept hat den Weißenburger Gärtner Gerd Meyer überzeugt. Er wollte eine solche "Essbare Landschaft" in seine Heimatstadt bringen und ist auf offene Ohren gestoßen. Zusammen mit Sigi Tatschl und der Stadt Weißenburg hat Meyer vier Jahre lang geplant. Jetzt sind die ersten Pflanzen für die "Essbare Landschaft" in Weißenburg gepflanzt. "Obstvielfalt ist nicht nur Birne, Zwetschge, Apfel und Kirsche, sondern weitaus mehr", sagt Gerd Meyer. Viele von den Obstsorten die nun im Schanzmauergraben gepflanzt werden, seien früher heimisch gewesen oder sind es noch. "Nur haben wir es vergessen oder sehen es nicht mehr", so Meyer.

Pflanzen kommen gut mit Trockenheit zurecht

In der "Essbaren Landschaft" wächst eine einzige Apfelsorte aus dem Iran neben bis zu 70 anderen Arten von Früchten. Alle Pflanzen kämen gut mit den veränderten klimatischen Bedingungen zurecht – mit Hitze und Trockenheit. Mit dem richtigen Bodenaufbau und dem passenden Obstbaumschnitt müsste außerdem kaum bis gar nicht gegossen werden, sagen Meyer und Tatschl. Das mache die "Essbare Landschaft" auch wenig pflegeintensiv. "Ich denke, wir werden pro Jahr einen Pflegegang in der ganzen Kultur haben und der wird sich nicht länger als einen halben, dreiviertel Tag abspielen mit zwei Mann", schätzt Gerd Meyer. Die Weißenburgerinnen und Weißenburger, die Stadt Weißenburg und auch Gerd Meyer werden sich künftig um die Fläche kümmern.

Weißenburg als "Essbare Stadt"

Aber es soll nicht bei dem einen Hektar "Essbare Landschaft" bleiben. Das Konzept soll sich auf die ganze Stadt ausweiten. Weißenburg will eine "Essbare Stadt" werden. "Weißenburg bietet da ein wunderbares Feld dafür", sagt Sigi Tatschl. Der Stadtgraben rund um die Altstadt biete sich an. Aber besonders spannend seien auch die Kleinflächen in der Stadt. Zum Beispiel an Parkplätzen. "Die sind sonst überhaupt nicht genutzt, aber wenn man sich vorstellt: Mit kleinen Obsthecken, Einzelbäumen, Sträuchern versehen, dann wird das das Stadtbild verändern", erklärt Tatschl. Im Frühling würde es überall blühen, im Sommer gebe es die verschiedenen Farben der Früchte und im Herbst eine "spektakuläre Färbung der Blätter", schwärmt der Österreicher. Das würde auch das Leben in der Stadt positiv verändern.

Landschaft in die Stadt zurückbringen

Jede "Essbare Landschaft", die Sigi Tatschl plant, bekommt auch ein sogenanntes Leitobst. In Weißenburg ist das die Maulbeere, eine Pflanze, die bereits die Römer vor rund 2.000 Jahren hier kultivierten. Denkbar seien zum Beispiel Maulbeer-Spaliere in der Stadt. Die "Essbare Landschaft" soll aber auch die Menschen zusammenbringen. Denn bei der "Essbaren Landschaft" gehe es um etwas Elementares, sind die beiden Macher überzeugt. Mit dem Konzept würden sie die Landschaft, aus der die Menschen evolutionär gesehen kommen, in die Stadt bringen. Bei all den Krisen, könnten die Menschen mit der "Essbaren Landschaft" etwas bewegen. "Diese Buntheit, in der ich zugreifen kann, schafft Identität", sagt Sigi Tatschl.

Weißenburg hat Vorbildcharakter

Tatschl war bislang vor allem in Österreich und in der Schweiz aktiv. Das mittelfränkische Weißenburg übernimmt nun eine Vorreiterrolle in Bayern. Die Stadt ist die erste in Süddeutschland, die nach Tatschls Ideen so eine "Essbare Landschaft" anpflanzt. Tatschl hofft, dass das mittelfränkische Projekt ein Vorbild wird und weitere Städte und Gemeinden nachziehen.

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Weißenburgerinnen und Weißenburger pflanzen die "Essbare Landschaft" am direkt neben der historischen Stadtmauer.

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