Es war eines der aufsehenerregendsten Verbrechen der Republik – die Entführung von Ursula Herrmann aus Eching am Ammersee im Jahr 1981. Das 10-jährige Mädchen wurde wenig später erstickt in einer im Wald vergrabenen Kiste aufgefunden.
Wie geht es weiter im Prozess?
Heute Mittag geht es vor dem Augsburger Landgericht in einem Prozess weiter, in dem der Bruder Ursulas den verurteilten Kidnapper Werner Mazurek (67) auf Schmerzensgeld verklagt. Das Gericht will heute ab 12.55 Uhr in einem sogenannten Verkündungstermin mitteilen, wie und ob das Verfahren fortgesetzt wird. Möglich ist, dass die Kammer ein Endurteil bekannt gibt oder einen sogenannten Beweisbeschluss verkündet.
Bruder von Ursula Herrmann fordert Schmerzensgeld
Michael Herrmann, der Bruder des entführten Mädchens, hat den verurteilten Täter verklagt und fordert 20.000 Euro Schmerzensgeld, weil er seit dem Verfahren gegen Mazurek an einem quälenden Tinnitus leidet. Der Verurteilte selbst streitet die Tat bis heute ab, er war 27 Jahre nach der Entführung, im März 2010, vom Augsburger Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden, wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge.
Gutachterin könnte einbestellt werden
Joachim Feller, der Rechtsanwalt von Michael Herrmann, sagte dem BR, er rechne damit, dass das Gericht statt eines Urteils heute einen so genannten Beweisbeschluss bekannt gibt und eine Gutachterin vom Bayerischen Landeskriminalamt einbestellt.
Diese, die Phonetik-Sachverständige Dagmar Boss, hatte im Strafverfahren mit ihrer Expertise über das bei Mazurek aufgefundene Tonbandgerät vom Typ TK 248 ein wesentliches Indiz für dessen spätere Verurteilung geliefert. Sie hatte damals erklärt, dass das Knacken, die Schaltgeräusche und das Erkennungssignal des Senders Bayern 3, die allesamt bei den Erpressungsanrufen mitgeschnitten worden waren, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Mazureks Tonbandgerät stammen würden.
Anwalt des Verurteilten hält Zeugen für unglaubwürdig
Das aber sieht zumindest Mazureks Rechtsanwalt, Walter Rubach, anders. Er glaubt auch, dass der Zeuge, der bei der Polizei ausgesagt hat, das Loch für die Kiste gegraben zu haben, aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit nicht glaubwürdig war. In den Zeugenstand kann der Mann nicht mehr gerufen werden, weil er da bereits gestorben ist.
Das Gericht stützte sich bei seinem Urteil aber stark auf die Aussage des Mannes, obwohl dieser später widerrufen hatte. Deshalb wollen beide Prozessparteien erreichen, dass auf jeden Fall die frühere Gutachterin Boss noch einmal vor Gericht befragt werden kann.
Wird das Strafverfahren im Fall Ursula Herrmann wieder aufgenommen?
Für Mazureks Rechtsanwalt Walter Rubach wäre es, wie er dem BR vorab sagte, "natürlich ein enormer Fortschritt in der Gewinnung neuer Tatsachen und Beweismittel im Sinne einer Wiederaufnahme" des Strafverfahrens, sollte das Gutachten der Expertin durch eine Befragung im Zeugenstand widerlegt werden können. Eine Revision des abgeschlossenen Strafverfahrens gegen Mazurek sei aber rechtstechnisch nicht mehr möglich.
Der Schmerzensgeldklage könnte stattgegeben werden
Falls die 10. Zivilkammer des Augsburger Landgerichts aber heute ein End-Urteil fällen sollte, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, das der Schmerzensgeldklage des Bruders stattgegeben wird, so meinen Prozessbeobachter.
Herrmann selbst hatte zu Beginn des Prozesses gesagt, dass er Ruhe finden würde, sollte das Gericht seiner aktuellen Klage stattgeben, weil er dann glauben könne, dass der richtige Täter in Haft sitzt. Herrmann hatte zuvor Zweifel daran geäußert. "Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit", so daher auch Anwalt Feller zum BR, erst nach einem Urteil der Zivilkammer könne sein Mandant "die Entführung seiner Schwester für sich endgültig abschließen".