Das Umfeld von Saskia beschreibt sie als eine selbstsichere, gebildete, kritische Frau. 2013 zieht sie nach Prien an den Chiemsee. Dort lernt sie Winfried kennen, ihren Nachbarn. Er umwirbt sie mit kleinen Alltagsgesten, bald werden sie ein Paar. Bis heute fragen sich Freunde von Saskia, wie es zu dem Gewaltausbruch kommen konnte, ob sie mehr hätten tun können.
"Das hat sich ja alles in sehr, sehr kurzer Zeit abgespielt, denn sie hat ihn im Frühjahr kennengelernt. Und dann waren sie in Portugal. Im Mai sind sie schon mit uns zwei Wochen nach Scholtau. (…) Und im August war sie tot." Susanne, Freundin von Saskia
Reporterinnen der Kontrovers Story machen sich mit Saskias Cousin auf die Spurensuche nach den Hintergründen der Tat und stoßen auf tief sitzende Mechanismen.
Dein Partner, dein Mörder: Warum Männer ihre Frauen töten
Femizid, nicht Beziehungstat
Zu Hause erstochen. Das fatale Ende dieser Beziehung. Oft wird von Polizei und Medien von einer Beziehungstat gesprochen. Das verharmlost solche Verbrechen aber. Denn es schwingt dabei eine Rechtfertigung mit, dass die Frauen aufgrund von Problemen in der Beziehung getötet würden oder dass der Täter aus Liebe gehandelt hätte.
Grundmechanismus Macht und Kontrolle
Saskia ist vermutlich Opfer eines Femizids. Ihr Partner isoliert sie nach kurzer Zeit von ihrem Umfeld und versucht, immer mehr Macht über sie auszuüben. Monika Schröttle forscht zu Femiziden und kennt die Muster dahinter. Macht und Kontrolle des Partners spielen dabei eine große Rolle.
"Ich bin der Mann, ich kontrolliere. Und wenn die Frau sich nicht kontrollieren lässt oder ihren eigenen Weg geht, dann hat sie mir etwas angetan. Dann bestrafe ich sie. Das ist der Grundmechanismus, der ist auch in unserer westlich geprägten Gesellschaft noch vorhanden." Monika Schröttle, Soziologin
Winfried sagt im Prozess aus, er habe befürchtet, dass Saskia sich von ihm trennen wollte. Er griff zum Messer und stach zu. 2014 wird er wegen Totschlags verurteilt und muss für 14 Jahre ins Gefängnis.
Gesamtkriminalität sinkt, Gewalt gegen Frauen nicht
Während die Gesamtkriminalität in Deutschland leicht sinkt, bleibt die Zahl von Frauen, die vom Partner oder Ex-Partner getötet werden, ungefähr gleich hoch. Schätzungen zufolge wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Dabei gibt es keine speziell gefährdeten Gruppen. Gewalt in Partnerschaften ist unabhängig von finanziellem Status, Bildung oder Herkunft. Die Täter folgen oft einem ähnlichen Argumentationsmuster: "Ich schlag dich ja nur und ich bin ja nur so, weil du mich in die Verzweiflung treibst, weil ich dich so liebe."
"Es wird oft die Beziehung sehr manipulativ aufgebaut, sodass die Frau das Gefühl hat: Es ist was ganz Großes zwischen uns. Ein bisschen so, wie es in Liebesfilmen ja auch manchmal vorkommt. Das ist aber genau die Falle." Monika Schröttle, Soziologin
Prävention gegen Femizide
Damit es gar nicht zum Femizid kommt, versuchen Initiativen wie das Münchner Informationszentrum für Männer (MIM) hier anzusetzen. Sie bieten Prävention für gewaltbereite Täter an.
"Männer, die einmal gewalttätig geworden sind, haben diese Grenze überschritten. Und wenn sie sie einmal überschreiten konnten, ist die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit, dass sie es wieder tun, sehr, sehr hoch." Andreas Schmiedel, Leiter der Fachstelle Informationszentrum für Männer (MIM)
Über ein Jahr arbeiten sie gemeinsam in Gruppen- und Einzelsitzungen, um die patriarchalen Strukturen, die in vielen Köpfen noch verfestigt sind, aufzubrechen. Immerhin: 60 Prozent der Männer sind im darauffolgenden Jahr nicht mehr gewalttätig. Programme wie diese sind also enorm wichtig, um alte Denkmuster aufzulösen. Eine flächendeckende Täterarbeit in Deutschland befindet sich allerdings erst im Aufbau und ist derzeit unterfinanziert.
💡 Was ist ein Femizid?
Unter dem Begriff Femizid sind alle Tötungen von Mädchen und Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts umgebracht werden, zu verstehen. Die Tötung durch den Partner oder Ex-Partner macht nur einen Teil der Femizide aus, der Täter kann aber beispielsweise auch der Bruder oder der Cousin sein. Das European Observatory on Femicide, eine europäische Beobachtungsstelle bei Femiziden, sammelt in mehreren Ländern Daten und wertet diese aus. Seit Jahren bemühen sich Soziologen, Feministinnen und Politiker unter anderem von B‘90/Grüne und Die Linke um eine juristische Anerkennung des Begriffs.
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