Der Dillinger Flüchtlingshelfer Heinz Sewell-Swetelsky mit jungen Afghanen beim Deutsch lernen.
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Der Dillinger Flüchtlingshelfer Heinz Sewell-Swetelsky mit jungen Afghanen beim Deutsch lernen.

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Flüchtlingshelfer dringend gesucht: 87-Jähriger engagiert sich

Vorschriften, Bürokratie und schwer nachvollziehbare Entscheidungen: Flüchtlingshelfer machen einiges mit. Viele hören auf, doch eigentlich werden sie dringend gebraucht. In Dillingen hilft ein 87-Jähriger jungen Afghanen bei der Integration.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Heinz Sewell-Swetelsky wollte sich eigentlich zurückziehen aus der Flüchtlingsarbeit. Schließlich ist er inzwischen 87 Jahre alt, auch wenn man das dem ehemaligen Bundeswehrpiloten nicht gleich anmerkt. Doch dann kam vor knapp zwei Monaten der Anruf von Georg Schrenk, dem Koordinator der Dillinger Flüchtlingshelfer.

Dringend suche er nach Leuten, so Schrenk, etwa für fünf junge Afghanen, die in Dillingen in einer Unterkunft des Landratsamtes wohnen. Heinz Sewell-Swetelsky hat ja gesagt, und so steht er jetzt in der Küche der Kellerwohnung der fünf Afghanen. Fahim wischt gerade noch das Spülbecken aus, Heinz Sewell-Swetelsky nickt zufrieden. Ordnung ist ihm wichtig. Vergangene Wochen haben sie noch gemeinsam die Küche gestrichen. Heute will er Deutsch mit den jungen Männern lernen.

Deutsch lernen noch vor dem Integrationskurs

Zwei von ihnen dürfen auf die Berufsschule gehen, sie wollen Auto- oder Fahrradmechaniker werden. Die anderen sind zu alt für die Schule und warten auf ihren Integrationskurs. Da die Sprache das Wichtigste sei, lerne er schon vorher ein bisschen mit ihnen, so Heinz Sewell-Swetelsky. Er ist überrascht, wie schnell die jungen Männer Fortschritte machen.

"Ich lernen mit google und youtube", sagt der 18-jährige Fahim. "Ich will schnell gut sprechen lernen". Und weiter: "We are happy mit Heinz". Da lacht der 87-Jährige und klopft dem jungen Afghanen auf die Schulter: "Und ich bin happy mit Euch". Das sind die schönen Momente in der Flüchtlingsarbeit.

Flüchtlingshelfer kritisiert schwerfällige Bürokratie

Was ihn nervt, ist, wie kompliziert noch immer alles ist. Da habe sich seit 2015 kaum etwas verbessert, sagt Heinz Sewell-Swetelsky. Ein Beispiel: Einer der jungen Männer musste zum Zahnarzt. Doch dafür müsse er erst diverse Formulare ausfüllen. Und um ihren Ausweis zu verlängern, hätten sie einen Tag Schule versäumt, da sie dafür nur vormittags einen Termin bekommen hätten. Er wolle nicht auf die hauptamtlichen Mitarbeiter am Landratsamt schimpfen, sagt Sewell-Swetelsky. Die seien auch unterbesetzt, genau wie die ehrenamtlichen Helfer. Die Vorschriften allerdings seien oft sehr kompliziert, so manches Formular für ihn kaum verständlich.

Geflüchteter hilft als Dolmetscher aus

Um den jungen Männern alles gut erklären zu können, kommt hin und wieder auch Said Eqbali in die Unterkunft. Der Afghane lebt seit acht Jahren mit seiner Familie in Deutschland, arbeitet in Höchstädt in einer Bäckerei. In seiner Freizeit dolmetscht er. Von frühmorgens bis zum Nachmittag backe er Brezen oder Semmeln, dann helfe er gerne. Sprache sei so wichtig, er lerne selbst immer weiter dazu - und er kenne einen schönen Spruch, schmunzelt er: "Ohne Fleiß kein Preis". Heinz Sewell-Swetelsky lacht. Er wird sich weiter um die fünf jungen Männer kümmern, mit ihnen zu den Behörden gehen und Formulare ausfüllen, bis sie das weitestgehend alleine erledigen können.

Flüchtlingshelfer Heinz Sewell-Svetelsky beim Durchsehen von Unterlagen für die Flüchtlinge, die er betreut.
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Flüchtlingshelfer Heinz Sewell-Svetelsky beim Durchsehen von Unterlagen für die Flüchtlinge, die er betreut.

Trotz Pflegeausbildung droht Flüchtling die Abschiebung

Um trotz des Helfermangels möglichst vielen Flüchtlingen mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können, bietet der Vorsitzende des Dillinger Asylhelferkreises, Georg Schrenk, wöchentlich eine Sprechstunde an. Etwa fünf bis sechs Flüchtlinge kämen da immer in sein Büro, sagt er.

An diesem Tag hätte eigentlich ein junger Mann aus Ghana kommen sollen. Der meldet sich stattdessen telefonisch: Man habe ihn gestern abgeholt, berichtet er. Er sei in Abschiebehaft. Georg Schrenk verspricht ihm, die Politik einzuschalten. Er werde auch an den Gesundheitsminister schreiben. Denn der junge Ghanaer hat in Deutschland seine Ausbildung zum Pflegehelfer absolviert und fast zwei Jahre lang in einem Lauinger Altenheim gearbeitet. Dort herrscht extremer Fachkräftemangel, wie überall in der Branche. Mohamed habe gute Arbeit geleistet und werde dringend gebraucht, heißt es vom Heim.

Flüchtlingshelfer will sich für jungen Pfleger einsetzen

Als damals vierzehnjähriger unbegleiteter Flüchtling kam der Ghanaer nach Deutschland, so Georg Schrenk. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er blieb jedoch in Deutschland. Inzwischen hat er eine Ausbildung zum Pflegehelfer absolviert und zwei Jahre lang in einem Altenheim in Lauingen gearbeitet. Er sei beliebt, sagen seine Kollegen, man brauche ihn dringend, die Personalnot sei groß. Dennoch wurde ihm die Beschäftigungserlaubnis entzogen.

Er hätte zur Deutschen Botschaft nach Ghana fahren müssen, um dort ein Arbeitsvisum für Deutschland zu erhalten. Das wäre allerdings aussichtslos gewesen, erklärt Georg Schrenk: Mohamed war nach der Ablehnung seines Asylantrags von der Polizei aufgegriffen worden, hatte deshalb eine Strafe von 120 Tagessätzen bekommen. Damit gilt er als vorbestraft. Ein Arbeitsvisum sei so nicht zu bekommen, zumindest habe der Flüchtling diese Aussage von der Botschaft bekommen, erklärt Schrenk. Er hat zahlreiche Politiker, darunter Gesundheitsminister Klaus Holetschek, angeschrieben, in der Hoffnung, dass Mohamed doch bleiben darf. Einige Tage später kommt der vorerst erleichternde Anruf: Die Bemühungen haben etwas gebracht, Mohamed ist aus der Haft entlassen. Aber er muss noch einige notwendige Papiere nachreichen. Anfang Mai will die Härtefallkommission über seinen Fall entscheiden, heißt es von der Rechtsanwältin. "Es wird noch ein langer Kampf", weiß Georg Schrenk aus Erfahrung.

Flüchtlingshelfer frustriert und dennoch dringend gebraucht

Situationen wie diese ließen viele Flüchtlingshelfer verzweifeln, sagt Georg Schrenk. Dazu komme die überbordende Bürokratie. Es gebe Formulare, bei denen verstehe nicht mal er jedes Wort auf Anhieb. So mancher Helfer resigniere dann. Andere seien inzwischen zu alt, um zu helfen. Jüngere meldeten sich kaum. Und nicht jeder 87-Jährige ist so rüstig wie Heinz Sewell-Swetelsky. Dass sie gebraucht werden, merken die beiden tagtäglich.

Georg Schrenk wird weitermachen und hofft, dass sich weitere finden, die ihn und die Geflüchteten unterstützen. Im Landkreis Dillingen werden in den kommenden Wochen 180 Ukrainer erwartet, außerdem kommen wöchentlich etwa 20 Geflüchtete aus anderen Staaten wie etwa Afghanistan. Wer Interesse hat, kann sich bei den örtlichen Flüchtlingshelferkreisen melden.

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