Als Lena Goos vor zwei Wochen zusammen mit einigen anderen Ehrenamtlichen die Schulturnhalle in Langenzenn (Lkr. Fürth) besichtigte, "da war uns auf den ersten Blick klar, dass hier keiner auch nur eine Nacht bleiben kann." Denn es gab Feldbetten und dünne Decken und sonst – nichts. Keine Windeln, keine Feuchttücher, keine Wickelkommode, nicht einmal Mülleimer. Als dann ein paar Stunden später Dutzende geflüchtete Ukrainer kamen, konnten sie nicht einmal Tee kochen. Die Toilette war innerhalb kürzester Zeit verstopft. Doch weder vom Landratsamt noch von der Regierung von Mittelfranken war jemand vor Ort.
Langenzenner bringen Decken, Windeln, Mülleimer für Notunterkunft
Deshalb schafften die Langenzenner innerhalb kürzester Zeit heran, was nötig war: Hygieneartikel, Abfalleimer, große Wecktöpfe, um Wasser oder Babynahrung erhitzen zu können, Teebeutel und viele, viele warme Decken. Denn die Nächte in der Turnhalle neben dem Gymnasium waren kalt, die Menschen froren. Wäre am ersten Abend nicht eine Übersetzerin aus den Reihen der Ehrenamtlichen vor Ort gewesen, dann hätten die geflüchteten Ukrainer die Turnhalle vielleicht noch nicht einmal betreten. Sie hatten panische Angst vor einer Zwangsimpfung.
Stadt Langenzenn stellt Dolmetscher an
Für die Familie eines krebskranken Jungen richteten die Helferinnen und Helfer gleich am nächsten Tag den Gastraum des Kulturhofs als provisorische Wohnung her, auch schwangere Frauen und Mütter mit kleinen Babys kamen schnell in Privatunterkünften unter. Die Stadt Langenzenn sprang in die Bresche und stellte einige der ehrenamtlichen Dolmetscherinnen auf Minijob-Basis an. Sie sind nun regelmäßig an der Notunterkunft und helfen bei Fragen.
Ehrenamtliche kümmern sich um medizinische Versorgung
Inzwischen läuft vieles besser. Die Ehrenamtlichen haben einen festen Ansprechpartner beim Landratsamt Fürth, der auch regelmäßig in der Notunterkunft vorbeischaut. Dennoch sind es Lena Goos oder andere Ehrenamtliche, die die Security oder die Dolmetscher in der Halle anrufen, wenn ein Kind Fieber hat oder eine Frau dringend zum Arzt muss. Eine ukrainischsprachige Ärztin aus Langenzenn hält regelmäßig Sprechstunden in der Turnhalle, auch ein Kinderarzt kommt zu festen Zeiten, eine Ehrenamtliche holt verschriebene Medikamente aus einer Langenzenner Apotheke und übergibt sie – im Moment alles noch ohne geklärte Finanzierung.
"Gerade dieser medizinische Teil lastet schwer auf unseren Schultern. Da wünsche ich mir wirklich, dass wir jemanden vor Ort bekommen, der das im Auge behält." Lena Goos, ehrenamtliche Flüchtlingshelfern in Langenzenn.
Vorwurf: Strukturen aus 2015 werden nicht aktiviert
Was Lena Goos besonders ärgert: 2015, als Menschen vor dem Syrienkrieg auch nach Langenzenn flohen, wurden bereits funktionierende Strukturen aufgebaut. Doch sie werden bei den Behörden nur schleppend wieder aktiviert. Damals, erinnert sich die 30-Jährige, waren die Flüchtlingshelfer nur für Alltagsbetreuung und für die Kleiderausgabe zuständig – im Moment hingegen für alles. Dabei wäre die Finanzierung nicht das Problem, meint Lena Goos, aber es müsse unbürokratisch entschieden werden, "denn manchmal muss man als Entscheider mutige Entscheidungen treffen und sagen, ich rechtfertige das danach."
Ganz Langenzenn hilft mit: Sportkurse, Kinderbetreuung, Willkommensklassen
Die Langenzenner Flüchtlingshelfer jedenfalls tun das, was aus ihrer Sicht dringend nötig ist. Es gibt eine Kleiderausgabe mit regelmäßigen Öffnungszeiten, einen Renovierungstrupp, der Wohnungen und Häuser herrichtet, einen Miniclub, der täglich in der Notunterkunft mit den Kindern spielt oder bastelt, einen Begegnungstreff für Ukrainer und ihre Gastfamilien.
Heute startet zudem ein Wochenplan mit Angeboten wie Deutschunterricht, Yoga, Fußball, Ringen, Basteln oder einem regelmäßigen Friedensgebet. Ab dem 4. April sollen an der Grundschule und der Mittelschule Willkommensklassen für die ukrainischen Kinder starten. Und bei allen Aktivitäten sind Dolmetscher aus der Ukraine und aus Russland dabei. Die Langenzenner Vereine, die Kirchen, das Jugendhaus Alte Post, die Stadtverwaltung, die Schulen – alle machen mit. Sie wollen die geflüchteten Menschen aus der Ukraine nicht allein lassen.
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