Nur sehr selten sieht ein Ertrinkender so aus, wie sich die meisten einen Ertrinkenden vorstellen. Meist schreit er nicht. Und meist winkt er auch nicht zielgerichtet. Der Kampf ums Überleben bindet seine ganzen Kräfte. Vielmehr versucht er in einer instinktiven Ertrinkungsreaktion panisch, seinen Mund über Wasser zu halten. Er schnappt nach Luft. Doch der Kopf gerät immer wieder unter Wasser und wird abwechselnd in den Nacken und nach vorne gebeugt.
Weitere typische Anzeichen, dass jemand in Not ist, sind laut der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft DLRG zum Beispiel, dass die Haare vor Augen und Stirn hängen und nicht weggewischt werden. Oder sich der Mund auf Höhe der Wasseroberfläche befindet, oft auch darunter. Meist macht Wasser, das in Mund und Rachenraum eindringt, Sprechen und Schreien unmöglich. Der Ertrinkende kann nicht um Hilfe rufen.
"Ein Ertrinkender ist irgendwann am Ende seiner Kräfte. Seine letzte Energie ist in das Bestreben, sich über Wasser zu halten, geflossen. Verlassen ihn seine Kräfte, hat er auch nicht mehr die Energie, um nach Hilfe zu rufen." Tobias Nienke, DLRG München-Mitte
Wildes Schlagen mit ausgestreckten Armen auf Wasseroberfläche
Auch winkt ein Ertrinkender nicht gezielt. Vielmehr schlägt er mit seitlich ausgestreckten Armen aufs Wasser, um sich an der Oberfläche zu halten. Deshalb ist es ihm auch meist nicht möglich, gezielt nach einem Hilfsmittel zu greifen. Oft ist der Körper senkrecht, der Blick leer und nicht fokussiert oder die Augen geschlossen.
So reagieren laut DLRG im Ertrinkungsnotfall meist Nichtschwimmer oder untrainierte oder schlechte Schwimmer. Fachleute nennen dies "Ertrinkungsnotfall mit Abwehrreaktion". Der Abwehrkampf kann auf den ersten Blick aussehen wie eine Spielsituation, oft schwer als Notfall zu erkennen.
"Um eine Ertrinkungssituation richtig zu erkennen, bedarf es einiger Erfahrung", erklärt Tobias Nienke von der DLRG München-Mitte. "Die Versuche sich über Wasser zu halten, wirken oft unkontrolliert und sind nur schwer von Herumtollen und spielerischem Verhalten zu unterscheiden." So werde die Notsituation, in der sich der Ertrinkende befindet, von Laien oft gar nicht als solche wahrgenommen.
Babys, Kinder und Kleinkinder sinken schneller unter Wasser
Innerhalb kürzester Zeit versinkt der Ertrinkende unter die Wasseroberfläche – häufig innerhalb von nur 20 bis 60 Sekunden. Bei Kindern, Kleinkindern und Babys, die noch nicht schwimmen können, ist die Abwehrphase noch kürzer. Sie paddeln meist mit dem Kopf unter Wasser. Oft sieht es aus wie bei jemandem, der tauchen möchte.
Gute Schwimmer gehen meist weitgehend lautlos unter
Kommen gute Schwimmer in eine Notfall-Situation, handelt es sich in der Regel um einen sogenannten "Ertrinkungsnotfall ohne Abwehrreaktion". Gründe hierfür sind oft Bewusstlosigkeit oder Ganzkörperkrämpfe. Innerhalb von nur zehn bis 20 Sekunden gehen sie meist weitgehend lautlos unter.
Ursachen können laut DLRG hierfür zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alkohol- oder Drogenkonsum oder Verletzungen durch Kopfsprünge in flaches Wasser sein. Oder dass sich die Herzfrequenz aufgrund von überraschendem Eintauchen in kaltes Wasser ändert, wie es auch bei sogenannten Sprungschichten geschehen kann.
"Sprungschichten bilden den Übergang zwischen der oberen und unteren Wasserschicht", erklärt Nienke. Mit zunehmender Tiefe nehme die Wassertemperatur hier stark ab, was auch für den menschlichen Körper beim Eintauchen einen drastischen Temperaturwechsel darstelle. Diese plötzliche Abkühlung könne zu Kreislaufproblemen führen - und zum Ertrinken.