Schutzsuchende am Stadtrand von Kabul
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Afghaninnen in München in Angst um Angehörige

Afghaninnen in München in Angst um Angehörige

Die aktuellen Entwicklungen in Afghanistan sind für Angehörige in Deutschland schwer zu ertragen. Auch die Mitglieder des afghanischen Frauenvereins München bangen um ihre Familien und Freunde und versuchen, irgendwie aus der Ferne zu helfen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Oberbayern am .

Arusu Danish Formuli vom Verein "Afghanische Frauen in München" (AFM) zeigt das Display ihres Handys: "Meine Wurzeln brennen, mein Geist findet keine Hoffnung, und mein Herz weint“, steht dort. Treffender lassen sich ihre Gefühle zur Zeit nicht in Worte fassen. "Ich habe so viele Schmerzen, dass ich meine Tränen seit Tagen nicht zurückhalten kann – sei es in der Arbeit, sei es in der Familie“, sagt die 33-jährige Ärztin mit belegter Stimme.

Die Ohnmacht ist "das Schlimmste"

Zu groß sind die Sorgen um die Verwandten in Afghanistan, mit denen sie per Handy in Dauerkontakt steht: "Ich schreibe ihnen, ich versuche sie zu erreichen – haben sie einen Flug bekommen, sind sie noch zu Hause, sind sie heil?“ Die Ohnmacht gerade auch ihrer Eltern zu sehen und nicht helfen zu können, sei das Schlimmste, sagt die 33-Jährige, die seit 1995 in Deutschland lebt.

Déjà-vu für die Eltern

An diesem Tag trifft sich Arusu Danish Formuli mit zwei Freundinnen aus dem afghanischen Frauenverein AFM München. Alle sind als Kinder nach Deutschland gekommen, als die Talibanbewegung in Afghanistan immer stärker wurde. Die Eltern der jungen Frauen haben aber die Hoffnung auf Frieden in der alten Heimat nicht aufgegeben und engagieren sich weiter. Nun sehe sie in ihren Augen die Trauer und die Angst, sagt Sahranai Schlatzer. Für sie sei es wie ein "Déjà-vu", schließlich seien sie 1996 "mit den gleichen Bildern rausgegangen".

Geplatzte Träume von der alten Heimat

"Seit ich denken kann“, will die 31-jährige Steuerfachangestellte auch einmal ihr Geburtsland besuchen: "Ich hätte so gerne mal gesehen, wo meine Mutter ihre Kindheit und Jugend verbracht hat“, sagt Sahranai Schlatzer. Und sie hätte gerne auch einmal mit Landsleuten dort in ihrer Muttersprache gesprochen. Dass das nun wohl auch in den nächsten Jahren nicht möglich sein werde, "stimmt mich sehr traurig“.

Solidaritätsaktionen für Afghanistan

Geplatzte Träume, zerschlagene Hoffnungen und Gefühle der Hilflosigkeit machen den drei jungen Frauen und deren Familien zu schaffen – auch den Eltern von Walwala Laraway. Beide seien in Afghanistan politisch aktiv gewesen, erzählt die 30-jährige Kinderpflegerin und Studentin. Nun seien sie dabei, Texte zu verfassen, sich zu vernetzen, Spendenaktionen zu organisieren – einfach Solidarität mit den Menschen in der alten Heimat zeigen.

Berichte von verschleppten Frauen und Hinrichtungen

Die Berichte von dort treiben auch ihre Tochter um: Die Taliban gingen von Haus zu Haus und verschleppten junge Frauen, um sie an Taliban-Kämpfer zu verheiraten. "Das ist Menschenhandel, der da betrieben wird“, betont Walwala Laraway. Auch von öffentlichen Hinrichtungen von Ortskräften hat sie bereits gehört.

"Er wird dort sterben"

Arusu Danish Formuli wollte eigentlich bald als Ärztin nach Afghanistan gehen, um etwas für die Menschen in ihrem Geburtsland zu tun. Nun muss sie aus der Ferne miterleben, dass sie nicht einmal ihren Angehörigen dort helfen kann. Ein Cousin zum Beispiel sei "unglaublich krank“, berichtet sie. Es sei völlig unklar, ob er weiter zu seinen Behandlungen nach Pakistan fahren könne. Die 33-Jährige fürchtet das Schlimmste: "Er wird in Afghanistan sterben – so wird es sein“.

Appell: "nicht wieder wegschauen"

Dann holt sie noch einmal ihr Handy heraus und liest den Appell an die Öffentlichkeit vor, den eine weitere Freundin aus dem Frauenverein verfasst hat. "Ich bitte alle, hinzuschauen und nicht wieder wegzuschauen“, heißt es dort etwa, und an die Adresse der Deutschen gerichtet: "Seid sensibel mit euren deutsch-afghanischen Mitbürgern.“

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