Der bayerische Landessportverband kann sich insgesamt nicht beschweren: Die Mitgliedszahlen steigen seit dem Ende der Corona-Maßnahmen auf ein neues Hoch. Anders beim Fußball: Hier versuchen viele lokale Fußballvereine, gegen Mitgliederschwund und Nachwuchsmangel anzukämpfen. Sportbegeisterte entscheiden sich aber auch für Angebote abseits der klassischen Vereinsstrukturen – häufig aus Zeitgründen. Muss sich der Vereinssport wandeln?
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Landessportverband zieht positive Bilanz
"Seit der Beendigung aller Corona-Maßnahmen können wir einen steten Zulauf in allen Bereichen verzeichnen", erklärt der Bayerische Landessportverband (BLSV) BR24 schriftlich. 4,7 Millionen Vereinsmitgliedschaften waren es Ende 2023. Davon zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Ein neues Mitgliederhoch. Bayerns Vereinssportlandschaft scheint zu florieren.
Herausforderungen im Schulsport und Ehrenamt
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung könnte Vereine jedoch vor neue Herausforderungen stellen. Dieser werde laut einer Erklärung der Bundesregierung ab dem 1. August 2026 zunächst für Erstklässler eingeführt. Geplant ist, Sportvereine in die Nachmittagsbetreuung einzubinden. BLSV, bayerische Sportjugend, Ministerien und Landtagsfraktionen sollen dabei die notwendigen Rahmenbedingungen und Unterstützung für die Vereine schaffen.
Derzeit mache sich der Fachkräftemangel jedoch im Vereinswesen bemerkbar: Ehrenämter müssten laut BLSV daher gestärkt und attraktiver gemacht werden.
Lokale Fußballvereine kämpfen gegen Mitgliederschwund
Viele Vereine sehen sich schon jetzt mit Problemen im Nachwuchs- und Mitarbeiterbereich konfrontiert. Etwa im lokalen Fußball. Um das Mitgliederdefizit auszugleichen, schließen sich viele Vereine zusammen. Sportjournalist Alexander Rausch beobachtet die zunehmenden Vereinszusammenführungen bereits seit Jahren. Rausch ist Redakteur für das Fußballmagazin "anpfiff.info", das sich mit regionalem Fußball in Unter-, Ober- und Mittelfranken beschäftigt.
Ursachen für die schwindenden Mitgliederzahlen sieht Rausch in der zunehmenden Auswahl an Sportarten, hohen sportlichen und zeitlichen Ansprüchen sowie teilweise mangelnder Jugendarbeit. Es bräuchte strenggenommen sogar Werbung, um neue Mitglieder anzuwerben, so Rausch. "Werbung wurde aber eher stiefmütterlich behandelt, weil Fußball lange der Sport Nummer eins war".
Letzte Rettung: Spielgemeinschaft
So war etwa im Oktober 2023 für den unterfränkischen TSV 48 Duttenbrunn klar: Der Fußballnachwuchs wird für den unterfränkischen Verein in den nächsten fünf bis zehn Jahren fehlen – ebenso viele erwachsene Spieler. "Krankheitsfälle oder sonstige Ausfälle eingerechnet konnten wir nicht mehr wirklich planen", erklärt Sportvorstand Philipp Knorr. Deshalb trat der Verein der bereits bestehenden Spielgemeinschaft Urspringen/Karbach bei. Eine gängige Praxis im lokalen Fußball, denn eine Neugründung des Fußballvereins wäre laut Knorr zu zeit- und kostenaufwändig gewesen.
Drei Fußballvereine arbeiten jetzt in einer großen Spielgemeinschaft zusammen. Was zuerst zu Unmut unter den Spielern führte, würde mittlerweile auch Vorteile bieten, so Knorr: "Spielgemeinschaften erleichtern den Trainern und Spielern den Alltag, weil mehr Personal da ist und sie bringen Leute aus unterschiedlichen Ortschaften zusammen".
Vereine müssen sich individuellen Gegebenheiten anpassen
Zwei- bis dreimal Training pro Woche, am Wochenende ein Spiel. Das ist zwar gängige Praxis in vielen Sportvereinen, jedoch ist das nicht immer für alle Mitglieder erfüllbar. Hier müssten sich Vereine auf die individuellen Ansprüche der Mitglieder anpassen, um attraktiv zu bleiben, so der BLSV.
Die Freie Turnerschaft Würzburg e.V. hat ihr Vereinsmodell im Fußball deshalb speziell auf die Zielgruppe der Studenten ausgerichtet: "Wir planen in einem Drei-Jahres-Abstand – also so lange, bis viele ihren Bachelor in Würzburg gemacht haben und dann wegziehen", erklärt Lukas Lemm, Abteilungsleiter Fußball.
Alternative: Gemeinschaftssport ohne Verein
Um Gemeinschaftssport zu betreiben, sind Vereine nicht mehr zwingend notwendig. Das zeigt beispielsweise die sogenannte Wilde Liga. Sie ist als Fußball-Hobby-Liga eine Alternative zu herkömmlichen Fußballvereinen. Seit 2017 organisieren sich in der Wilden Liga Mannschaften in Bayreuth, Nürnberg, Erlangen, Würzburg, Augsburg und Hof selbst. Jeder kann seine Mannschaft anmelden und um die vorderen Tabellenplätze spielen. "In einer Zeit, in der jeder seine Zeit frei einteilen will, ist das ein gutes Gegenmodell", betont Yannik Hendel, Leiter der Würzburger Hobby-Mannschaft Kaufland Madrid.
Im Video: Fußballvereine beklagen Mitgliederschwund und Nachwuchsmangel
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