Der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) bei BR24extra.
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Fürther OB: "Müssen Ukrainern schnell und unbürokratisch helfen"

Der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung fordert schnelle Hilfe vom Freistaat für die Kommunen. Es dürfe nicht "kleinkariert" nachgerechnet werden, wenn es um Geld für Geflüchtete aus der Ukraine bei Wohnen oder Kinderbetreuung geht.

Über dieses Thema berichtet: BR24extra am .

Über 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine sind bereits in Bayern angekommen. Der Blick in die Wohnzimmer mehrerer Gastfamilien zeigt: Mit viel Engagement und Solidarität werden die Menschen derzeit aufgenommen. Über zehn Personen sitzen dann schon mal zusammen an einem Tisch. Meist sind es ukrainische Frauen mit ihren kleinen Kindern, die schon ein paar Worte deutsch können. Sie sind froh, dem Krieg entkommen zu sein und machen sich Sorgen um ihre Männer.

In einer BR24extra-Sendung wurde am Mittwochabend live nachgefragt, was sie jetzt brauchen. "Ein Dach über dem Kopf und Sicherheit", war oft die erste Antwort der Geflüchteten. Sie äußerten aber auch den Wunsch nach einem möglichst geregelten Alltag mit Schule für die Kinder und Arbeit für die Eltern.

Fürther OB Jung: Kinder im Mittelpunkt

Die vielen Kinder seien im Mittelpunkt des Bemühens, sagte der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD), der auch stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist. Genügend Betreuungsangebote zu schaffen, stelle die Kommunen aber vor große Herausforderungen. Dazu kommt die Versorgung mit Wohnraum für die Familien. "Ohne Ehrenamtliche wären die Kommunen überfordert", stellte er fest. Dass so viele Ukrainerinnen jetzt Platz bei Privatleuten finden, helfe.

Er vertraue darauf, dass jetzt auch zügig das Geld vom Freistaat ankomme. "Wir müssen jetzt schnell und unbürokratisch helfen", meinte Jung. Hinterher dürfe nicht "kleinkariert" nachgerechnet werden, wenn die Kommunen zunächst pragmatische Wohnangebote schaffen. Er zeigte sich aber optimistisch, dass die bayerische Staatsregierung das akzeptiere.

Dementsprechend äußerte sich in der Sendung auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU). "Wir können das schultern", sagte er. Als einen zentralen Punkt bezeichnete Söder jedoch die Registrierung der Geflüchteten und kritisierte, dass diese noch nicht bundesweit durchgeführt werde.

Migrationsforscher: "Alles hängt an der Registrierung"

Der Arbeitsmarkt- und Migrationsforscher Prof. Herbert Brücker betonte, dass von der Registrierung im Grunde die gesamte Integration abhänge. Zugang zu Sozialleistungen, Wohnung, Schule oder Arbeit - "ohne Registrierung existiert man in Deutschland praktisch nicht". Im Gegensatz zu Söder sieht Brücker "den Ball" hierbei aber nicht beim Bund, sondern sehr wohl bei den Ländern und Kommunen. Der Bund könne hier nur unterstützen.

Er wies auch auf ein drängendes Problem der kommenden Wochen und Monate hin: "Alle Integrationsangebote an die Mütter hängen von der Betreuung ab." Wohnraum stehe abseits der Ballungsräume meist doch genügend zur Verfügung. Anders sehe das bei Kita-Plätzen aus. Entsprechend bezweifelte er auch, dass die Migranten in größerem Maße dabei helfen können, den Fachkräftemangel zu verringern - weil die Mütter zuhause gebunden seien.

Erst in Sicherheit, dann in die Schule

Zuerst gehe es jetzt aber darum, den ankommenden Menschen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln, sagte Dr. Gudrun Rogler-Franken. Sie ist Vorsitzende des Berufsverbands für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bayern und sieht derzeit eine "extrem belastende" Situation für Kinder, die aus der Ukraine kommen. "Sie brauchen dann stabile Erwachsene", sagte sie. Ein Dach über dem Kopf, eine Perspektive, bleiben zu dürfen - all das helfe jetzt den Familien. Später dann könne auch über einen gut strukturierten Schulalltag ein neues Gefühl der Normalität entstehen.

Die Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes, Angelika Schorer, berichtete, dass die Erfahrungen aus den Jahren 2015 und 2016 helfen. Der Katastrophenschutz habe inzwischen Übung mit solchen Situationen und man kenne sich untereinander. Nach der ersten schnellen Hilfe müsse es jetzt aber weiter gehen und Beratungsangebote für Familien aufgebaut werden. "Wir brauchen das auch in Zukunft", betonte sie.

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