"Oettinger wird von einem Bierproduzenten zu einem Getränkeunternehmen werden", sagt der CEO des Oettinger Familienunternehmens, Stefan Blaschak. "Functional Drinks" seien die Zukunft, schwärmt er, Getränke mit "Zusatznutzen". Was genau das ist? Auf diese Frage will er heute noch nicht antworten. Auf die Rückfrage, ob etwa Koffein, Sauerstoff oder Vitamine zugesetzt würden, winkt er lachend ab: Das gebe es doch alles schon.
Etwas Neues, Anderes will man in Oettingen im Landkreis Donau-Ries produzieren. Ein kleines Team sei in den Labors bereits dran, die Getränke zu entwickeln, mit denen das bayerische Familienunternehmen international erfolgreich werden will. Ein Strategiewechsel ist also geplant, beim schwäbischen Biergiganten, das ist bereits jetzt klar.
"Oe" soll die neue Marke von Oettinger heißen
Warum der Bierkonsum stagniere? Der Oettinger CEO Blaschak ist sich sicher: "Weil es an Innovationen fehlt". Alkoholfreies Bier, 0,0 Prozent Bier, das gebe es ja schon alles, da sei nicht viel in Bewegung. "Der Trend ist da, von alkoholfreien Drinks und Bieren, aber die Frage ist ja, ob man nicht ein bisschen was obendrauf legt", sagt Blaschak. Oettinger will etwas machen, was sonst noch keiner hat – so das Vorhaben. Ob das gelingt, wird sich zeigen. Erst in einigen Monaten wolle man die ersten Getränke der neuen Marke präsentieren, die Entwicklung allerdings sei bereits in vollem Gange, heißt es.
Das Unternehmen will "den gesamten Getränkemarkt" herausfordern. "Ganz gleich, ob alkoholhaltig oder alkoholfrei, ob Dose oder Flasche, ob gebraut, destilliert oder ausgemischt", beschreibt der CEO die Bandbreite. Ziel sei es, bis zum Jahr 2026 50 Prozent des Umsatzes außerhalb Deutschlands zu erwirtschaften, da der Bierabsatz in Deutschland seit Jahrzehnten sinkt. Derzeit liegt der Umsatz im Ausland bei 40 Prozent. Wachsen möchte das Unternehmen im Ausland sowohl mit seinen bisherigen Eigenmarken als auch mit Innovationen unter der neuen Marke "Oe".
Bisher füllt das Unternehmen jährlich etwa zwei Milliarden Flaschen und Dosen mit Bier, Biermix und antialkoholischen Erfrischungsgetränken ab. Deutschlandweit zählt das 1731 gegründete Unternehmen mit seinen bisher preiswerten Angeboten im Biersegment zu den größten Getränkeherstellern und kommt weltweit unter die 25 größten Brauereien.
Brauerei will an Traditionen festhalten
Gut die Hälfte der etwas über 800 Mitarbeiter sind am Standort in Oettingen beschäftigt. Genauer gesagt hat die Oettinger Brauerei dort zwei Standorte: Zum einen den alten, am Ortsende Richtung Franken. Dort wird gebraut, über drei Millionen Hektoliter im Jahr 2022. Ebenfalls gebraut und abgefüllt wird am südlichen Ende von Oettingen, etwa drei Kilometer entfernt. Das Bier fließt über eine unterirdische Bier-Pipeline unter dem Ort zum moderneren Teil des Unternehmens. Dort stapeln sich tausende Bierkästen bis zur Hallendecke. Sie warten nur auf die Verladung in die unternehmenseigene Lkw-Flotte.
Produziert wird an drei Standorten in Deutschland: Oettingen, Braunschweig und Mönchengladbach. Von dort aus wird die Ware auch in die rund "5.000 Stores" deutschlandweit verbracht, sagt Blaschak. Externe Spediteure braucht man nicht, auch auf Werbung verzichtet das Unternehmen bisher weitgehend. Daran will man auch festhalten.
Oettinger-Standorte in Deutschland nicht in Gefahr
Festhalten wolle man auch an den bisherigen drei Produktionsstandorten in Deutschland. Die gut 800 Arbeitsplätze dort seien gesichert, betont der Geschäftsführer. Geplant sei, für den Vertrieb weitere Standorte im Ausland zu etablieren. Man müsse den Markt dort kennenlernen. Der neue Geschäftsführer will hier neue Wege gehen, aber am Etablierten festhalten. Er wolle die Gründerfamilie bei der Entwicklung des Unternehmens begleiten, so Blaschak, der jetzt seit fünf Monaten die Position des CEO innehat. Für ihn sei es selbstverständlich, dass die Familie das, "was wir hier fabrizieren und wie wir unsere Strategie ausrichten", auch mittragen sollte, und, dass sie "das auch mittragen wird".
Mund-zu-Mund-Propaganda und Social Media statt Werbespots
Wie also die neuen Getränke, die neue Marke "Oe", von der sich der CEO so viel verspricht, in die Öffentlichkeit bringen, ohne Werbung? Der Geschäftsführer, der vorher bei Firmen wie Coca-Cola und Hochland beschäftigt war, setzt zum einen auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Die neuen Getränke in die Welt zu bringen, das passiere ja sowieso, durch den Lebensmitteleinzelhandel. Außerdem setzt er auf Social Media und auch die eine oder andere Werbemaßnahme werde man ergreifen müssen. Aber eben nicht im klassischen Sinn.
"Gott sei Dank", sagt Blaschak und lächelt, "wurde bisher auf solche Werbung verzichtet. Wir sind kein Schickimicki-Bier, nicht das Bier auf der Dachterrasse, aus dem Fernsehen (...). Da würde es gar nicht passen, dass wir irgendwie die Champions League sponsern oder große TV-Commercials machen".
Alkoholfreie Biere und Biermischgetränke im Trend
Dass der Bierkonsum seit Jahren rückläufig ist, bestätigt auch der Deutsche Brauerbund. Wegen der hohen Inflation hielten sich immer mehr Menschen mit Ausgaben in Gaststätten zurück. Für die 1.500 überwiegend handwerklichen und mittelständischen Brauereien in Deutschland war 2023 daher laut Brauerbund erneut ein extrem forderndes Jahr. Die Kosten explodierten, die Steigerungen könnten aber nur zu einem kleinen Teil über Preiserhöhungen an den Lebensmittelhandel und die Gastronomie weitergegeben werden.
Dennoch zeigten sich Brauereien auch in den vergangenen schwierigen drei Jahren als widerstandsfähig. Ein Erfolgsfaktor sei die Innovationskraft, die sich auch im wachsenden Segment der alkoholfreien Biere und Biermischgetränke spiegle. Hier sei Deutschland mit mehr als 700 nach dem Reinheitsgebot gebrauten alkoholfreien Marken und einem Marktanteil von mehr als sieben Prozent an der Weltspitze. Tendenz steigend.
Ob und inwieweit die "Functional Drinks" von Oettinger sich im Markt behaupten – und was genau dahintersteckt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Dass Strategiewechsel erfolgreich sein können, zeigt das Beispiel von "Rügenwalder Mühle": Der Lebensmittelhersteller produziert mittlerweile Wurst ohne Fleisch, und ist damit erfolgreich.
- Zum Artikel: Was bedeutet alkoholfrei wirklich?
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