An seinem Fahrgeschäft "Roll-Over" kontrolliert Schausteller Patrick Zinnecker 138 Schrauben. Dazu verwendet er einen langen Drehmomentschlüssel. Wenn die Schraube fest sitzt, bekommt Zinnecker ein optisches und ein akustisches Signal. Das macht er jeden Tag, bevor um 11 Uhr auf dem Gäubodenvolksfest der Betrieb startet.
"Ich will halt sicher sein. Ich brauche 100-prozentige Sicherheit. Bis jetzt hat sich noch nie eine Schraube gelockert, aber sicher ist sicher." Patrick Zinnecker, Schausteller
Und die Schrauben sind bei Weitem nicht alles im täglichen Prüfprogramm von Patrick Zinnecker. Auf einem Zettel setzt er sein Kürzel hinter die entsprechende Zeile.
"Das wäre jetzt der tägliche Wartungsplan, auf dem sind 22 Punkte vermerkt, u.a. auch eine Probefahrt. Dann werden jeden Tag die Ölstände an den Getrieben und an der Hydraulikanlage überprüft. Wir müssen die Zahnkränze abfetten und die Bügelverriegelungen natürlich noch einmal kontrollieren." Patrick Zinnecker, Schausteller
Der TÜV kontrolliert doppelt
Gut eine Stunde sind Zinnecker und drei seiner Mitarbeiter jeden Tag mit diesem persönlichen Wartungsprogramm beschäftigt. Sie tun das freiwillig, sagt er. Außerdem gibt es natürlich gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen. Jedes Jahr kommt vor dem ersten Start im Frühjahr der TÜV und alle vier Jahre schaut sich der TÜV im Winter alle Bauteile des "Roll over" ganz genau an.
"Dazu müssen wir die Farbe runterschleifen, und dann wird speziell an den Schweißnähten mit Ultraschall geprüft, und wenn das nicht möglich ist, gibt es eine Magnetpulver-Prüfung: Da werden die Teile weiß lackiert, dann kommt ein schwarzes Magnetpulver drauf, dann kommt ein Magnet und dann würde man sehen, wo sich das Pulver ansammelt, wo also eine Unterbrechung im Magnetfeld ist." Patrick Zinnecker, Schausteller
Das blaue Prüfbuch
Drei Tage hat diese Prüfung aller Bauteile des "Roll over" beim letzten Mal gedauert. Alles wurde genau dokumentiert und in einem gebundenen Prüfbuch festgehalten. Das Buch mit dem blauen Einband braucht Patrick Zinnecker auf jedem Festplatz. Letzten Donnerstag hat es Thomas Rothammer vom Bauordnungsamt der Stadt Straubing überprüft. Er kontrolliert vor Beginn des Gäubodenvolksfests die Fahrgeschäfte. Das Prüfbuch ist genauso wichtig wie die Sichtprüfung. Thomas Rothammer ist es bisher noch nie passiert, dass er ein Fahrgeschäft nicht freigeben konnte. Er hält sie für sicher.
"Wir haben hier das Glück auf dem Gäubodenvolksfest, dass wir echte Profis haben, die ihr Handwerk verstehen und im eigenen Interesse versuchen, das Fahrgeschäft so aufzubauen und zu betreiben, dass es hier keine Mängel gibt. Ich steige auch selber in die Fahrgeschäfte. Am liebsten fahre ich Achterbahnen: Das ist spannend, das ist hoch, das ist rasant, da ist alles drin und es wird einem nicht übel davon." Thomas Rothammer, Bauordnungsamt der Stadt Straubing
Bestandsschutz für alte Fahrgeschäfte
Auch Andreas Pfeffer fährt bis heute gerne Karussell. Der gebürtige Straubinger ist Schausteller und Vizepräsident des Deutschen und des Bayerischen Schaustellerverbands. Der gemütliche Bayer sieht allerdings rot, wenn er den Begriff "EU-Norm 13814" hört. Denn die stellt neue Sicherheitsanforderungen an die sogenannten "fliegenden Bauten".
"Es hat bisher nur in Deutschland eine entsprechende Norm gegeben, das war die DIN-Norm. Da war Ziel, dass man die europäischen Nachbarländer auf das Sicherheitsniveau Deutschlands bringt. Bei dem Ganzen ist leider etwas übers Ziel hinaus geschossen worden, und wir sind päpstlicher als der Papst. Denn in der Fassung der EU-Norm heißt es ausdrücklich, dass Bestandsschutz gewährt wird, in Deutschland aber nicht." Andreas Pfeffer, Vizepräsident des Deutschen und des Bayerischen Schaustellerverbands
Andreas Pfeffer und sein Verband arbeiten daran, dass - wie im Rest von Europa - die neue EU-Norm nur für neue Fahrgeschäfte gelten soll, während die bisherige Norm für ältere Geschäfte gelten soll. Dafür hat sich mittlerweile der Bayerische Landtag ebenso ausgesprochen wie 13 weitere Bundesländer.
"Ein altes Kettcar, das immer nur ein Kettcar war, muss inzwischen auch wie eine Mondrakete überprüft werden. Das ist unserer Ansicht nach übertrieben. Vor allem ist es so, dass so nicht mehr Sicherheit erreicht wird, denn auch die alten Geschäfte waren sicher. Da geht hauptsächlich um Formalismus, um Bürokratismus und dergleichen." Andreas Pfeffer, Vizepräsident des Deutschen und des Bayerischen Schaustellerverbands