Ein Gender-Verbot an Schulen und in Verwaltungen – das hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner ersten Regierungserklärung der neuen Legislaturperiode angekündigt. Es solle kein verpflichtendes Gendern geben, sagte er am Dienstag im Landtag. "Im Gegenteil, wir werden das Gendern in Schulen und Verwaltungen sogar untersagen."
Ein weiteres Mal läuft nun eine politische Debatte übers Gendern, viele Fragen zu einem möglichen Verbot sind noch offen - zum Beispiel, wie es rechtlich überhaupt aussehen könnte. Doch was sagen eigentlich diejenigen dazu, die es betreffen würde - also Schüler, Lehrer und zum Beispiel auch Azubis aus der Verwaltung?
- Zum Artikel: Söders Gender-Verbot: Viel Wirbel und offene Fragen
Landesschülerrat gegen Gender-Verbot
Die Vertretung der bayerischen Schülerinnen und Schüler wolle sich gegen Söders Verbot aussprechen, sagte Felix Audebert im Gespräch mit BR24. Der Schüler aus Passau ist Mitglied im Landesschülerrat. Jeder Schüler und jeder Lehrer solle selbst entscheiden, ob er gendern möchte oder nicht. Und: Obwohl sich der Landesschülerrat gesammelt gegen das Gender-Verbot stemme, gehen unter den Mitgliedern die Meinungen auseinander, sagt Felix Audebert: "Damit repräsentieren wir auch ganz gut die Schülerschaft, auch da gibt es unterschiedliche Meinungen."
Schule in Cham: Gendersprache nehme zu
Uwe Mißlinger, Schulleiter am Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium in Cham in der Oberpfalz, ist unschlüssig, was er von Söders Gender-Verbot halten soll. Er wünsche sich zwar eine "gewisse Regelung für Schulen und Hochschulen", bei einem Gender-Verbot ist der Schulleiter allerdings unsicher: "Bevor ich ein Verbot ausspreche, überlege ich, wie ich was sanktioniere – das ist mir nicht ganz so klar."
Bisher gebe es an seiner Schule keine Gender-Regeln, weder bei den Kollegen, noch unter den Schülern. Gendergerechte Sprache habe sich aber hier auch noch nicht durchgesetzt. Jedoch falle ihm in der letzten Zeit auf, dass das Gendern zunehme, sowohl bei Schülern als auch jungen Kollegen.
"Verbote stoßen oftmals schnell an Grenzen"
Ein ähnliches Bild zeigt sich im gut 20 Kilometer entfernten Bad Kötzting. Auch hier wird keine Gendersprache in schulischen Angelegenheiten genutzt, erklärt Birgit Maier, Schulleiterin des Benedikt-Stattler-Gymnasiums. Sie würden sich in allen Belangen der Schreibweise an den Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates orientieren. "Unabhängig davon leben wir selbstverständlich die Werte der Gleichberechtigung, der Wertschätzung und des Respekts allen Menschen gegenüber." So gibt es laut Maier einen Wahlkurs zum Thema "Werte" oder auch einen gemeinsamen Toilettenbereich, der von allen Geschlechtern genutzt werden darf.
Gegenüber einem Gender-Verbot zeigt sich Maier ebenso kritisch: "Verbote stoßen oftmals schnell an Grenzen, vor allem an Schulen. Sie reizen und fordern heraus. Mit Überzeugungskraft erreicht man in vielen Bereichen des Lebens mehr."
Mögliches Gender-Verbot sei "sehr schade"
"Sehr schade" findet ein mögliches Gender-Verbot auch Ulrike Langenfaß, Schulleiterin der Mittelschule München-Moosach: "Weil ich einfach finde, dass wir bei uns an der Mittelschule oder in allen Schularten eigentlich so viele verschiedene Kinder haben, dass wir das über Sprache auch ausdrücken sollten." Für sie wäre ein Gender-Verbot ein Rückschritt. An ihrer Schule werden zum Beispiel Elternbriefe mit einem Gender-Sternchen verfasst, Gegenwind bekomme sie dazu nicht. Und Lehrer dürfen individuell entscheiden, ob sie gendern oder nicht. Die Schülerinnen und Schüler kämen mit jeder Art zurecht, so Langenfaß.
"Ja zu klaren Regeln, nein zu harten Verboten"
Auch der Bayerische Philologenverband (bpv) hat sich bereits geäußert. Er spricht sich "gegen die vorschnelle Einführung neuer Gender-Schreibweisen" aus. Wie bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl in einer Pressemitteilung am Mittwoch erklärte, sei man zwar offen für neue Formen in der Sprache – man solle aber diese nicht einführen, "bevor sich die Sprechergemeinschaft dahinter stellt und ein klares Regelwerk entstanden ist." Schwägerl ist aber auch gegen ein "hartes Verbot" der Gendersprache. Dadurch würde man wiederum Gefahr laufen, dass sich die Schulgemeinschaft polarisiere.
Soziale Medien: Gendern jedem selbst überlassen
Auch Schüler auf Social Media diskutieren das mögliche Gender-Verbot. Auf TikTok unterstützen einige in den Kommentaren Söders Verbotsidee, darunter auch junge User. "Ich bin in einer Ausbildung in der Bayerischen Verwaltung und die 'Beamtensprache' ist auch ohne Gendern kompliziert genug", schreibt einer. Eine andere Userin freut sich: "Endlich!", schreibt sie. "Ich gehe auf ein christliches Gymnasium und ständig sagen die: Denk daran, dass wir gendern."
Eine junge Frau wiederum will sich nicht beeindrucken lassen von der Idee: "Ich als bayerische Lehrkraft werde weiter gendern."
Ein Großteil der Nutzerinnen und Nutzer äußert sich aber versöhnlich und unaufgeregt: Sie finden, das Thema Gendern sollte jedem selbst überlassen sein. Eine Userin schreibt zum Beispiel: "Es macht doch absolut keinen Sinn, Leuten zu verbieten, wie sie sprechen? Lasst halt die Leute gendern, wie sie wollen, und die, die nicht wollen, eben nicht." Kein Verbot, kein Zwang, "jeder soll machen, was er will" – eine Meinung, die dem Wirbel um Markus Söders Vorstoß etwas Wind aus den Segeln nehmen will.
Im Audio: Söders Gender-Verbot: Viel Wirbel und offene Fragen
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