Ungewöhnlicher Gerichtstermin in den Bergen: Der "Verein zum Schutz der Bergwelt" verlangt, dass die Baugenehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung der bisher Söllbachaualm genannten landwirtschaftlichen Almhütte zurückgenommen wird und ist deshalb vor Gericht gezogen. Erteilt hatte diese Genehmigung am 30.8.2021 das Landratsamt Miesbach. Beklagter ist demnach der Freistaat Bayern. Das Verfahren wird vom Verwaltungsgericht München geführt, den Vorsitz hat Cornelia Dürig-Friedl. Beim Termin auf der Alm im Bergwald über Bad Wiessee ging es dem Gericht darum, sich selbst ein Bild von der Lage zu machen und die Argumente von Klägern und Beklagten zu hören. Eine weitere Verhandlung wird es nicht geben, eine Entscheidung wird zeitnah fallen und voraussichtlich schon am Freitag in Grundzügen bekanntgegeben.
Die Verwaltungsrichterin wanderte mit Beisitzern und anderen Mitgliedern des Gerichts vom Parkplatz in Bad Wiessee der neuen Beschilderung folgend zur Alm, um die Wege in Augenschein zu nehmen, die auch Gegenstand der Klage sind. Vor der Almwirtschaft, die seit Oktober in Betrieb ist, versammelte sich eine Gruppe von etwa 25 Beteiligten zu dieser besonderen Gerichtsverhandlung. Für die Klagepartei sprach der geschäftsführende Vorsitzende des "Vereins zum Schutz der Bergwelt", Rudolf Erlacher, mit der Anwältin, das Landratsamt war mit Beamten der Naturschutzbehörde und Rechtsbeistand vertreten. Die Hauptfigur des Verfahrens kam persönlich zum Anlass des Streits: Franz Josef Haslberger, Unternehmer aus Freising und Großgrundbesitzer im Tegernseer Tal. Ein Interview lehnt er ab, Fotos dürfen nicht gemacht werden.
Die Verhandlung dauerte fast vier Stunden, hier eine Zusammenfassung wichtiger Streitpunkte:
Naturschutz:
Wie stark wird durch den Gastbetrieb mit einem langen Abend pro Woche und 15 Sonderevents im Jahr der Lebensraum der Wildtiere rund um die Alm beeinträchtigt? Rudi Erlacher nannte Haselhuhn und Auerhuhn als Beispiele, die durch Licht- und Lärmemissionen erheblich gestört würden. Der Rechtsvertreter des Landratsamtes sagte, alles was zu Schutzgebieten bekannt gewesen sei, sei im Genehmigungsverfahren geprüft worden. Ein Vertreter der Naturschutzbehörde erklärte, dass immer schon um die Alm eine intensive Beweidung und auch Düngung stattgefunden habe. Eine Verschlechterung der Situation könne er nicht erkennen. Der Verteidiger von Haslberger verwies auf das Verbot von Außenbeschallung, es gebe keine Live-Musik. Erlacher fragte, wie das mit dem Tanzboden mit Bühne für Musikkapellen zu vereinen sei, den man gleich nebenan bewundern könne. Der sei tatsächlich nicht von der Baugenehmigung erfasst, er müsse wohl wieder weg, hieß es darauf von Seiten des Gerichts. Das müsse aber in einem anderen Verfahren geklärt werden.
Wegebau:
Bei der Diskussion, welche Wege und Forststraßen seit wann zur ehemaligen Söllbachaualm führen, kam es zu einer faszinierenden Szene: Rudi Erlacher und Franz Josef Haslberger beugen sich über eine topographische Karte und fachsimpeln über die Bedeutung der vielen Markierungen. Schließlich stellt ein Anwalt fest, dass die Karte von 1980 ist und wenig Aussagekraft für die heutige Situation hat. Welche Wege sind historisch, welche wurden neu aufgeschüttet, von wem? Sie sind teils im Privatbesitz von Haslberger, teils im Besitz der Staatsforsten. Eine klare Antwort wurde nicht gefunden.
Bedarf:
Hier wurde es teilweise philosophisch: Was war zuerst da, die Wanderlustigen, die gerne eine Alm am Saurüsselgraben gehabt hätten - oder die Almwirtschaft, die Wanderer überhaupt erst anlockt? Anja Schilling, die Rechtsvertreterin des "Vereins zum Schutz der Bergwelt", sagt, eine Privilegierung (die Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung war) gebe es laut Gesetz nur für Stützpunkte entlang bestehender Wanderwege. Hier seien aber für die Alm Wanderstrecken neu ausgewiesen worden, die es vorher gar nicht gegeben habe. Und der Bedarf dafür sei von den zuständigen Behörden nicht geprüft worden. Dem widersprachen der Anwalt des Landratsamtes sowie der Anwalt von Haslberger, Herbert Kaltenegger: Der Bedarf für die Almwirtschaft sei täglich zu sehen und werde auch im Augenblick mit dem Andrang vieler Gäste zur Mittagszeit an einem Werktag bestätigt. Weil sich die Debatte bald im Kreis drehte, wurde die Vorsitzende ungeduldig und mahnte die Beteiligten, nur noch wirklich neue Inhalte kundzutun.
Gehobene Küche:
Die "Edel-Gastronomie" werde hier zum Selbstzweck, so der Kläger. "Die Leute gehen nicht zum Wandern, sondern gezielt zum Essen auf dieser Alm." Rudi Erlacher sieht eine "Transformation des Raums" und die Gefahr eines Präzedenzfalles. Diese Argumente wischte vor allem die Vorsitzende Dürig-Friedl vom Tisch: Gegen hochwertiges Essen auch auf einer Alm sei nichts zu sagen, dass es hier nur schlichte Mahlzeiten geben dürfe, sei Ideologie. Und überhaupt spiele das gastronomische Angebot bei diesem Verfahren um die Baugenehmigung keine Rolle. Auch aufgrund dieser klaren Haltung der Verwaltungsrichterin wurde während dieser Verhandlung klar, dass die Klage möglicherweise abgewiesen wird. Am heutigen Freitag soll der Tenor des Urteils bekanntgegeben werden.
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