Schlechte Blutwerte seien das erste Anzeichen gewesen. Ihr Hausarzt habe ihr dann nahegelegt, einen Hepatitis-Test zu machen. Der sei dann positiv gewesen, so eine der Geschädigten, die am Augsburger Landgericht ausgesagt hat. Zunächst habe sie nicht gewusst, woher sie die Infektion hatte. Sie habe Angst gehabt, ihren Job als Arzthelferin aufgrund der Diagnose nicht mehr ausüben zu können, habe sich große Sorgen gemacht, ob sie bei ihrer Tätigkeit möglicherweise Patientinnen oder Patienten infiziert haben könnte.
Als herauskam, dass sie mutmaßlich von dem ehemaligen Donauwörther Anästhesisten infiziert worden sei, sei sie erleichtert gewesen. Immerhin habe sie dann gewusst, woher sie das hatte. Psychisch sei diese Nachricht dennoch sehr belastend gewesen: "Für mich kommt das einer Vergewaltigung gleich. Mir hat jemand ohne mein Wissen, ohne meine Zustimmung fremdes Körpermaterial in mich rein, was für mich einer Vergewaltigung gleichkommt".
Angeklagter Arzt soll über 50 Menschen mit Hepatitis-C infiziert haben
Der Angeklagte hatte sie damals bei der Operation behandelt. Um seine Medikamentensucht zu befriedigen, hat er bei ihr, wie bei vielen anderen Patienten, Schmerzmittel abgezapft und sich die Mittel selber gespritzt. Dabei, so die Anklage, habe er die Patienten mit Hepatitis-C infiziert. Insgesamt geht es um über 50 Fälle. Der ehemalige Anästhesist hat bereits zugegeben, sich an den für die Patienten bestimmten Spritzen bedient zu haben. Er beteuert jedoch, nicht gewusst zu haben, dass er mit Hepatitis-C infiziert war. Wie genau sein Blut und damit das Virus mit den Patienten in Kontakt kam, ist nicht mehr sicher nachvollziehbar. Der Angeklagte geht davon aus, dass er sich mit der Nadel beim Hantieren mit den Flüssigkeiten gestochen haben muss, da er so stark zitterte. So könnte er das Virus übertragen haben.
Opfer spricht von panischer Angst vor Ärzten
Die über 50 Opfer haben bereits vor Anklageerhebung umfangreiche Zeugenaussagen bei der Polizei abgegeben. Vor Gericht sollen sie nochmals ihren derzeitigen Gesundheitszustand schildern. Bis heute leide sie unter Schlafstörungen und Panikattacken, so eine weitere Geschädigte vor Gericht. Es fällt ihr schwer zu sprechen, ihr kommen die Tränen, mehrmals muss sie innehalten. Als sich der Angeklagte bei ihr, wie auch allen anderen Geschädigten, die bisher vernommen wurden, entschuldigt und um Verzeihung bittet, ihm tue es sehr leid, was geschehen sei, blickt sie ihm starr ins Gesicht. Bei der Gerichtsverhandlung haben sie ihn zum ersten Mal gesehen, so die Wemdingerin. Sie habe panische Angst, zum Arzt zu gehen oder auch vor Nadeln und Spritzen.
Betroffene wirft dem Krankenhaus "Totalversagen" vor
Dem Donauwörther Krankenhaus und dem gesamten Vorstand des gemeinsamen Kommunalunternehmens warf sie "Totalversagen" vor. Sie habe sich nach der Nachricht, wo sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit infiziert hatte, absolut alleingelassen gefühlt, so die Betroffene unter Tränen. Die Geschädigten haben inzwischen Schadenersatz- und Schmerzensgeldzahlungen erhalten. Nach den Aussagen der Sachverständigen sei dank der neuen Medikamente mit einer vollständigen Ausheilung zu rechnen. Dennoch bleibt bei einigen von ihnen die psychische Belastung.
Urteil könnte früher als erwartet fallen
Weil diese Befragungen vor Gericht für die Betroffenen emotional in vielen Fällen sehr belastend seien, schlug der vorsitzende Richter vor, keine weiteren Geschädigten mehr zu vernehmen. Die schriftlichen Zeugenaussagen lägen von allen Opfern vor. Vor Gericht habe man bereits Zahlreiche zu ihrem derzeitigen Gesundheitszustand befragt, die Aussagen ähnelten sich, weshalb kein weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten sei. Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben dem Vorschlag zugestimmt, so dass das Urteil bereits früher als erwartet am 30. Juni gefällt werden könnte.
Sachverständiger soll zu Gesundheitszustand des Angeklagten aussagen
Vorher soll jedoch auf jeden Fall noch ein Gutachter zum heutigen und damaligen Gesundheitszustand des Angeklagten angehört werden. Sein Mandant sei medikamentenabhängig gewesen, habe außerdem bis heute mit schweren psychischen Beeinträchtigungen zu kämpfen, so Anwalt David Herrmann. Der Angeklagte selbst hatte vor Gericht gesagt, er leide außerdem seit vielen Jahren unter einer sehr schmerzhaften chronischen Darmerkrankung. Die Schmerzmittel, die er von Patientinnen und Patienten abgezapft hatte, habe er gebraucht, um weiter arbeiten zu können. Im Gutachten sollen dann auch weitere Details zur Vergangenheit des Angeklagten thematisiert werden.
Angeklagter wurde mit der Zeit "unvorsichtiger"
Am letzten Verhandlungstag hatte der ehemalige Anästhesist sein Geständnis vom ersten Prozesstag noch konkretisiert. Er erklärte, wie die Übertragung des Virus möglicherweise abgelaufen sein könnte. Mit der Zeit sei er offenbar unvorsichtiger geworden, so sein Anwalt David Herrmann im BR-Interview. Sein Mandant habe in den letzten Monaten, bevor die Sache aufgeflogen war, nur noch eine einzige Nadel benutzt, um Schmerzmittel abzuzapfen und Kochsalzlösung nachzufüllen, damit nicht auffalle, dass Mittel fehlte. Dabei habe er sich seiner Aussage zufolge wegen seines starken Zitterns offenbar immer wieder gestochen. Die kontaminierte Nadel sei dann mit zwei Flüssigkeiten, dem Kochsalz und dem Schmerzmittel Sufentanyl in Berührung gekommen. Außerdem steigt die Viruslast bei Hepatitis-C-Infizierten mit der Zeit weiter an. Eine doppelte Kontamination plus höhere Viruslast habe dann wohl dafür gesorgt, dass zuletzt fast jeder von ihm behandelte Patient infiziert wurde.
Fahrlässig oder vorsätzlich? Urteil wird wohl Ende Juni fallen
Die Kernfrage bei der Urteilsfindung wird sein, ob der Angeklagte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Wie Gerichtssprecher Peter Grünes ausführt, gehören zu einer Vorsatztat "Wissen und Wollen". Der Angeklagte wusste seiner eigenen Aussage zufolge zwar nicht, dass er mit Hepatitis-C infiziert war. Allerdings, so war es vor Gericht schon mehrfach angeklungen, hätte er als Facharzt wissen müssen, dass er mit seinem Handeln Hygienestandards verletze.
Dem Arzt wird vorgeworfen, über 50 Patientinnen und Patienten bei Operationen im Donauwörther Krankenhaus mit Hepatitis-C infiziert zu haben. Er selbst wusste seiner Aussage zufolge zu dem Zeitpunkt nicht, dass er Hepatitis hatte. Vor Gericht hat er bereits zugegeben, sich über Jahre an Schmerzmitteln bedient zu haben, um trotz starker Schmerzen arbeitsfähig zu bleiben.
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