An der Tür von einem Streifenwagen steht der Schriftzug "Polizei".
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Gruppenvergewaltigungen: Was erklärt den hohen Ausländeranteil?

Gruppenvergewaltigungen: Was erklärt den hohen Ausländeranteil?

81 Gruppenvergewaltigungen hat die Kriminalpolizei in Bayern letztes Jahr erfasst. Ausländer tauchen überproportional häufig als Verdächtige auf, so wie die Jahre zuvor. Politiker und Frauenrechtler fordern harte Strafen und klare Ansagen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Es sind Verbrechen, die man eher in Kriegsgebieten verortet, dabei finden sie auch bei uns statt: Gruppenvergewaltigungen. Also Vergewaltigungen, an denen mehrere Täter beteiligt sind. In Bayern gab es im Jahr 2023 laut Landeskriminalamt 81 Fälle, sechs davon waren Versuche. Die Polizei konnte 96 Tatverdächtige ermitteln.

Wer sind die Tatverdächtigen?

Was auffällt: Menschen ohne deutschen Pass sind deutlich überproportional oft tatverdächtig. Im Jahr 2023 waren 45 der Verdächtigen deutsch, 51 waren Ausländer: zwölf Syrer, sieben Rumänen, vier Iraker, die anderen verteilen sich kleinteilig auf weitere Staaten. 21 der Tatverdächtigen hat die Polizei als "Zuwanderer" erfasst, sie bilden also eine Untergruppe. Flüchtlinge mit unterschiedlichem Schutzstatus fallen dort hinein: zum Beispiel Asylbewerber, Asylberechtigte, Geduldete oder Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Die anderen Ausländer sind zum Beispiel Arbeitsmigranten, auch aus der EU, anerkannte Asylbewerber oder Touristen.

Überproportional sind Nicht-Deutsche deshalb vertreten, weil sie eigentlich nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmachen: Etwas mehr als 15 Prozent der Einwohner in Bayern haben keinen deutschen Pass, als Tatverdächtige bei Gruppenvergewaltigungen tauchten sie jedoch im vergangenen Jahr mit knapp über 53 Prozent auf.

Wie groß ist das Problem?

Auch in den vorherigen fünf Jahren variierte der Anteil der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass zwischen 45 und 69 Prozent. Also deutlich über dem Bevölkerungsanteil. Die erfassten Gruppenvergewaltigungen sind in diesem Zeitraum in Bayern relativ stabil geblieben. Deutschlandweit wurden im vergangenen Jahr 761 Gruppenvergewaltigungen registriert. Der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen war auch hier hoch, er lag bei knapp 50 Prozent. Auch in den Jahren zuvor.

Wie werden Gruppenvergewaltigungen erfasst?

Gruppenvergewaltigungen werden in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Die Erfassung wurde im Jahr 2018 allerdings geändert und erfolgt seitdem über einen für Vergewaltigungen neu eingeführten Schlüsselbereich (Vergewaltigungen § 177 Abs. 6, 7, 8 Strafgesetzbuch). Deshalb sind Zahlen von vor 2018 nicht gut vergleichbar. Über den Filter "alleinhandelnd Ja/Nein" registriert die Polizei, ob es sich um einen Einzeltäter oder um eine Gruppe handelt, also mindestens zwei Tatverdächtige.

Wichtig bei den Zahlen der Polizei: Es handelt sich um ermittelte Tatverdächtige, nicht um verurteilte Täter. Ein Gerichtsverfahren gab es also noch nicht. (Die Zahlen zu den verurteilten Tätern sind allerdings wenig aussagekräftig, dazu später mehr). Außerdem dürfte es ein Dunkelfeld geben, weil nicht jedes Opfer zur Polizei geht. Da Gruppenvergewaltigungen aber zu den schwereren Formen von Sexualstraftaten zählen, hätten sie in der Regel eine etwas höhere Anzeigerate, teilt das bayerische Landeskriminalamt mit.

Warum sind Ausländer so oft tatverdächtig?

Ein Grund, warum so viele Ausländer unter den Tatverdächtigen sind, sei, dass in den vergangenen Jahren vorwiegend junge Männer nach Deutschland eingewandert sind, so der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (CDU), Experte für innere Sicherheit. Er beschäftigt sich schon seit längerem mit dem Zusammenhang zwischen Asylmigration und Sexualdelikten und hat dieses Jahr eine Anfrage dazu an die Bundesregierung gestellt. Dass viele junge Männer zu uns kommen, sei aber nicht die ganze Erklärung: "Wir haben es mit jungen Männern zu tun, die aus patriarchalisch geprägten, muslimischen Ländern kommen, wo ganz andere Vorstellungen von Gleichberechtigung und Frauenrechten herrschen. Mit diesen Wertvorstellungen kommen sie natürlich auch nach Deutschland. Deswegen betrachten sie teilweise Frauen als minderwertig und auch als Freiwild."

Kriminologe Christian Walburg von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster nennt noch andere Aspekte: "Unter Nicht-Deutschen, speziell unter Flüchtlingen, weisen mehr Menschen psychische Belastungen auf oder haben Vorerfahrungen mit Gewalt. Als Opfer, zum Teil aber auch schon als Täter. Gruppenvergewaltigungen gehen außerdem vor allem von jungen Männern aus - tendenziell von solchen, die sozial entwurzelt sind. Und die gibt es unter Geflüchteten häufiger als unter Menschen, die in vergleichsweise stabilen westeuropäischen Verhältnissen aufgewachsen sind. Aber: Auch unter Migranten verübt anteilig nur ein sehr kleiner Teil solche schwersten Taten."

Laut Hans Kudlich, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht an der FAU Erlangen-Nürnberg, gibt es einen weiteren Grund, der nichts rechtfertige, aber die Zahlen mit erklären könne: "Nicht-Deutsche haben oft weniger Sozialkontakte und keine guten ökonomischen Voraussetzungen. Sie haben weniger Möglichkeiten, Beziehungen einzugehen und ihren Sexualtrieb auszuleben."

Seyran Ateş, muslimische Frauenrechtlerin und ehemalige Opferanwältin, sieht das Problem vor allem im frauenverachtenden Weltbild mancher muslimischen Männer. In Deutschland habe man in den letzten hundert Jahren hart daran gearbeitet, mit Bildung und offenen Debatten Frauen- und Männerbilder zu verändern. "Diese gute Erziehung fehlt diesen jungen, muslimischen Männern", so Ateş. "Sie denken, dass Frauen, die sich etwas freizügiger anziehen und nachts auf der Straße sind, wenn sie mit ihren Freundinnen ausgehen, von ihnen sexuell angesprochen werden wollen." Ateş plädiert zugleich dafür, feinfühlig mit dem Thema umzugehen, nicht alle muslimischen Männer über einen Kamm zu scheren.

Werden "Fremde" häufiger angezeigt?

In der Debatte um Sexualdelikte kommt häufig der Einwand, dass Ausländer deshalb so oft als Tatverdächtige auftauchen, weil Frauen "fremd" aussehende Täter öfter anzeigen würden als Deutsche. Das halten Kriminologen wie Christian Walburg durchaus für möglich. Frauenrechtlerin Ateş wehrt sich jedoch gegen diese Aussage. "Es ist schon mal eine Unterstellung den Opfern gegenüber, dass sie gegenüber deutschen Vergewaltigern milder wären als gegenüber einem nicht 'urdeutschen' Vergewaltiger. Das ist aus meiner Erfahrung als Anwältin und Frauenrechtlerin abwegig."

Welche Konsequenzen muss es geben?

Ateş warnt davor, das Thema klein zu reden. Schon bei der Kölner Silvesternacht 2015/16 sei eine gesellschaftliche Debatte nicht zustande gekommen. "Wenn wir nicht heute in den Schulen und Willkommensklassen mit Aufklärungsarbeit beginnen, werden wir in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren massive Probleme auf den Straßen haben." Diese Aufklärungsarbeit funktioniere nur mit klaren Ansagen und harten Strafen. "Diese Jungs kommen aus autoritären Systemen, sie brauchen starke, männliche Vorbilder, die ihnen sagen, wo’s langgeht, und die bei Bestrafungen hinter dem Staat stehen", so Ateş.

CDU-Innenexperte de Vries sieht ebenfalls ein "Tabuisieren" des Themas: "Wir haben im Grunde zwei Extreme. Das eine ist die Seite der Rechtspopulisten, die versucht zu suggerieren, dass Sexualdelikte nur von Ausländern oder Migranten begangen werden. Und das andere Extrem ist die politische Linke, die einen Zusammenhang verneint. Obwohl die Zahlen völlig eindeutig sind", so de Vries. Nötig ist laut de Vries auch ein Stopp der Asylmigration – der sei auch ein Beitrag für mehr Sicherheit von Frauen in Deutschland.

Winfried Bausback, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU im bayerischen Landtag, bezeichnet auf BR-Anfrage die Zahl der Gruppenvergewaltigungen als "besorgniserregend". "Wir müssen alles daran setzen, diesen gefährlichen Trend zu stoppen. Missverhalten muss streng sanktioniert werden, auch um potenzielle Täter abzuschrecken." Die CSU-Fraktion hat erst diese Woche eine Resolution zur Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum verabschiedet. Sie fordert darin den Bund auf, die Freiheitsstrafe für Gruppenvergewaltigungen auf mindestens drei Jahre zu erhöhen.

Florian Siekmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, teilt auf BR-Anfrage mit, der Schutz von Frauen habe für ihn höchste Priorität. Und er verweist auf den Bund: "Wir haben frauenfeindliche Motive im Strafrecht bereits 2023 als menschenverachtende Beweggründe eingestuft, und die Bundesregierung hat Anfang des Jahres das Aufenthaltsrecht verschärft. Wer frauenfeindlich handelt, wird härter bestraft und verliert schneller sein Aufenthaltsrecht."

Wer sind die Opfer?

Doch wer wird eigentlich Opfer einer Gruppenvergewaltigung? 2023 gab es in Bayern insgesamt 82 Opfer, fast alle waren Frauen. Die meisten Delikte finden laut bayerischem Landeskriminalamt in Wohnungen von Mehrfamilienhäusern statt. Unter den häufigsten Tatorten in Bayern auch: Straßen oder Plätze, Parks und Asylbewerberunterkünfte.

Von den Opfern im Jahr 2023 waren 59 deutsch, 23 nicht-deutsch. Schaut man weiter zurück, zeigt sich: Der Anteil der Opfer ohne deutschen Pass bewegte sich in den letzten sechs Jahren in Bayern zwischen 18 Prozent und 33 Prozent. Das heißt: Nicht-deutsche Frauen werden etwas häufiger zum Opfer – gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung.

Wie viele verurteilte Gruppenvergewaltiger gibt es?

Wer sich nicht bloß auf Daten der Polizei stützen will und damit auf die ermittelten Tatverdächtigen, muss beim bayerischen Justizministerium nachhaken. Das führt eine Strafverfolgungsstatistik, in welche die wegen Gruppenvergewaltigung verurteilten Täter eingehen. Im Jahr 2022 lassen sich daraus zehn verurteilte Täter herauslesen, fünf davon waren nicht-deutsch. Jedoch haben die Zahlen einen Haken: Die Strafverfolgungsstatistik verfolgt nur das schwerste Delikt, das der Verurteilung zugrunde liegt. Das bedeutet: Hat der Täter schweren Raub, Geiselnahme und Vergewaltigung begangen, taucht er in der Statistik wegen der Vergewaltigung eventuell gar nicht auf. Außerdem werden Gruppenvergewaltigungen nur gemeinsam mit den Verurteilten anderer schwerer Sexualdelikte in der Statistik ausgewiesen. Heißt: Die Zahlen sind nicht wirklich belastbar.

Wie sinnvoll ist der Blick auf einen Migrationshintergrund?

Um mehr Informationen über die Täter von Gruppenvergewaltigungen zu bekommen, plädieren CDU-Innenpolitiker de Vries und Frauenrechtlerin Ateş dafür, nicht nur auf die Staatsangehörigkeit, sondern auch auf den Migrationshintergrund zu schauen, und damit auf die Vornamen der Tatverdächtigen.

So wie in Nordrhein-Westfalen: Dort sind durch eine Sonderauswertung des Innenministeriums Anfang September Zahlen und Namen publik geworden. 209 Gruppenvergewaltigungen erfasste die NRW-Polizei im vergangenen Jahr, einschließlich der Versuche. 155 Tatverdächtige konnte die Polizei ermitteln. 84 waren ausländisch. In der Auswertung werden auch die Vornamen aufgelistet. Rechnet man, so wie es die Zeitung "Welt" getan hat, zu den nicht-deutschen Staatsbürgern diejenigen hinzu, die zwar einen deutschen Pass, aber einen ausländischen Vornamen haben, kommt heraus: 121 Tatverdächtige haben einen Migrationshintergrund. Ein Anteil von 78 Prozent.

Ist dieses Vorgehen fremdenfeindlich oder gar rassistisch? Nein, finden CDU-Politiker de Vries und Frauenrechtlerin Ateş. "Es ist wichtig, auf die Namen zu schauen, damit man Präventionsarbeit leisten kann", so Ateş. Es geht ihr um die Opfer: "Diese Frauen müssen ihr ganzes Leben lang mit dieser Vergewaltigung leben." Sie befürchtet, "dass es eventuell erst die Töchter von gewissen Leuten betreffen muss, damit sie wach werden".

Vornamen-Listen von Tatverdächtigen auch in Bayern?

Wie steht Bayern zu den Vornamen-Listen? Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht solche Auswertungen kritisch: "Allein aufgrund eines ausländischen Vornamens auf einen Migrationshintergrund zu schließen, ist fragwürdig. Weder ist klar definiert, was unter ausländischen Vornamen zu verstehen ist, noch gibt es eine alleinige eindeutige Definition, wann von einem Migrationshintergrund zu sprechen ist. (…) Solche Vornamen-Listen sind deshalb keine fundierte Basis für kriminologische Auswertungen", teilt Herrmann dem BR schriftlich mit.

Auch die Grünen im Landtag sprechen sich gegen Vornamen-Listen aus. Die würden vor allem Vorurteile schüren. Die Grünen fordern aber, dass die Staatsregierung mehr tut bei Gewalt gegen Frauen. Wichtig "wäre ein fundiertes Lagebild zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Bayern mit einer Analyse der Täter und Tathintergründe. Das muss die Staatsregierung schnellstens auf den Weg bringen", so Florian Siekmann.

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