Es ist gar nicht so selten, dass in großen Einfamilienhäusern nurmehr eine Person lebt. Die Kinder sind längst ausgezogen, der Partner ist verstorben. Aber man brauche diese Wohnflächen, meint der Bürgermeister von Tuntenhausen in Oberbayern, Georg Weigl. Er selbst ist mit seiner Frau im Frühjahr umgezogen, von einem Haus mit Garten in eine Wohnung mit Terrasse.
Seine Erfahrungen teilt der Bürgermeister derzeit auf der "Leerstandskonferenz" in Kolbermoor mit Kollegen aus der Lokalpolitik, mit Architekten und weiteren Experten aus der Baubranche.
Der Bürgermeister zieht um - und alle reden darüber
Der Umzug von einem großen Haus in eine moderne, aber kleinere Wohnung sei durchaus ein großer Schritt gewesen, berichtet Weigl. Immerhin habe er in dem alten Haus sechzig Jahre gelebt. Insgesamt zieht Weigl ein positives Fazit: Das lästige Rasenmähen falle nun weg und man habe am Wochenende Zeit für Schöneres.
Wenn der Bürgermeister umzieht, bleibt das in der Gemeinde freilich nicht unbemerkt. Er habe aber viele positive Reaktionen bekommen, erzählt Georg Weigl. Manch einer hätte gesagt: "Ja, warum denn nicht?" Und Weigl verspürt auch keinerlei Reue. Mit dem alten Objekt habe er vollkommen abgeschlossen. Dort würden jetzt wohl zwei Familien einziehen, der Wohnraum sei nun besser genutzt.
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Positivbeispiel in Weyarn: der Klosteranger
Im oberbayerischen Weyarn gilt die Bebauung des Klosterangers als Leuchtturmprojekt in Sachen Mehrgenerationenwohnen. 45 Doppel- und Reihenhäuser sind hier entstanden, mit Wohnungen in allen Größen, für alle Lebenslagen. In das Quartier ist allerdings viel Hirnschmalz geflossen, denn die Gemeinde ließ sich jahrelang Zeit mit der Planung und Entwicklung des Klosterangers im Ortskern, erinnert sich Altbürgermeister Michael Pelzer. Auch die Bürgerbeteiligung sei wichtig gewesen - und die Suche nach dem passenden Investor.
Kommunen sind als Gestalter gefordert
Es werde unterschätzt, wie viel Kommunen eigentlich gestalten können, findet Roland Gruber. Als Kulturmanager, Architekt und Gründer des Architektenbüros nonconform berät und entwirft der Österreicher unter anderem Wohnkonzepte für Kommunen. Die Gemeinden seien doch eigentlich die Gestalter. Sie könnten die Leitlinien vorgeben, Baugrundlagen schaffen und festlegen, wo und was in welcher Form gebaut werden darf. "Jedes Gebäude ist von seiner Außenhülle her grundsätzlich öffentlich", so Gruber. Sein Architektenbüro organisiert die "Leerstandskonferenz", die seit Mittwoch und noch bis Freitag in Kolbermoor stattfindet.
Unsichtbarem Leerstand begegnen, Bestand nutzen
Im unsichtbaren Leerstand liege unglaubliches Zukunftspotential, so Gruber. Umbauen und Weiterbauen laute hier die Devise - hin zu Mehrpersonenhaushalten. Nicht immer nur neu bauen, sondern auch den Bestand nutzen, appelliert der Architekt. Zum einen sei der Bestand, hinsichtlich des Klimawandels, "gebautes CO2" und des weiteren seien alte Häuser auch eine Ressource mit Geschichten. Und die Kommunen müssten wieder lernen, nicht hinaus in die Fläche zu bauen, sondern nach innen zu verdichten.
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