Das Haus Anna in Eichendorf im Landkreis Dingolfing-Landau
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Das Haus Anna in Eichendorf im Landkreis Dingolfing-Landau

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Haus Anna: Niederbayern bekommt erstes Kinderhospiz

Noch immer gibt es zu wenig Kinderhospize – vor allem in ländlichen Regionen. Nun steht das erste Kinderhospiz Niederbayerns in Eichendorf im Landkreis Dingolfing-Landau kurz vor der Fertigstellung.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Im Herbst soll Niederbayern sein erstes Kinderhospiz bekommen. Haus Anna soll dann unheilbar kranken Kindern mit deren Eltern in der Region die letzte Lebensphase erleichtern. Und: Es will bundesweit neue Maßstäbe setzen bei der Rundumbetreuung für Kinder und junge Menschen bis 27 Jahren, die an einer schweren, lebenslimitierenden Krankheit leiden.

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Hospiz ist kein Sterbehaus

Es ist ein großer, lichtdurchfluteter moderner zweigeschossiger Bau, der am Ortsrand von Eichendorf im niederbayerischen Vilstal kurz vor seiner Fertigstellung steht. "Herzkammer" ist der große Gemeinschaftsbereich. Das Hospiz ist alles, nur kein Sterbehaus, sagt Projektleiterin Corinna Burkhart vom Träger der Einrichtung, der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München: "Bei uns ist das Leben das, was wir transportieren wollen. Weil wir eben den Patienten und den Kindern das Leben darstellen wollen. Und gerade diese Kinder wollen leben, das merkt man ihnen deutlich an."

Voll- oder teilstationäre Appartements

"Nicht das Leben mit Tagen, sondern die Tage mit Leben füllen", so lautet das Motto des ersten Kinderhospizes in Niederbayern. Die Familien können sich aussuchen, ob die schwerkranken Kinder tagsüber, in der Nacht oder am Wochenende in den acht teilstationären Appartements betreut werden. Zusätzlich gibt es zwei große vollstationäre Familienappartements, in die Familien auch länger einziehen können. Zum Beispiel, wenn Kinder mit der Diagnose aus der Klinik entlassen werden, dass sie an einer lebensbedrohlichen Krankheit leiden und eine ebenso anspruchsvolle wie aufwendige Pflege rund um die Uhr brauchen.

"Familien, die hier unterkommen, haben eine besondere Situation im Alltag", erklärt Corinna Burkhart von Haus Anna. "Das heißt, wir können die Eltern nach dem Klinikaufenthalt hier aufnehmen und die Eltern einarbeiten in die künftige Pflege ihres Kindes daheim." Das Einarbeiten kann Tage, aber auch Wochen dauern.

Bundesweiter Mangel an Plätzen

Hospiz-Plätze werden umso wichtiger, weil die schwerstkranken Kinder auch aus den Kliniken oft wegen Überlastung immer früher entlassen werden müssen, bestätigt Dr. Irene Teichert von Lüttichau, Oberärztin an der Kinderklinik München-Schwabing. Auch dort ist man froh, dass die schwerkranken Kinder mit ihren Eltern nach dem Klinikaufenthalt Hilfe und Entlastung finden. "Weil wir die Patienten einfach teilweise wirklich sehr, sehr früh nach Hause lassen müssen, weil wir die Plätze einfach für die anderen Kinder brauchen", so die Oberärztin und Leiterin des Schwerpunkts Onkologie an der Kinderklinik. Es fehlen bundesweit Kinderhospizplätze vor allem im ländlichen Raum, sagt sie.

Anschlussbehandlung nach Krankenhausaufenthalt

Haus Anna ist da zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber ein wichtiger: "Weil wir dann eine nahtlose Anschlussbehandlung hätten, so dass die Kinder nicht von Intensiv bei vollen Kliniken direkt nach Hause gehen müssten, wo sie eigentlich gar nicht adäquat versorgt werden können, weil die Eltern noch gar nicht angeleitet sind und wir diese Lücke damit füllen könnten."

Genau für solche Fälle sind die beiden großen Familienappartements in Haus Anna gedacht, in die Familien mit ihren schwerkranken Kindern nach dem Klinikaufenthalt einziehen können, um sich in die Pflege einzuarbeiten. Oder auch, wenn daheim wegen der neuen Situation mit dem schwerkranken Kind für die Pflege umgebaut werden muss.

Hospiz bietet auch Hilfe beim Abschied

"Zuallererst wollen wir natürlich unterstützen, dass zu Hause der Abschied genommen werden kann, weil einfach der Rahmen zu Hause viel angenehmer ist", erklärt die Projektleiterin von Haus Anna. Aber manche Eltern trauen es sich nicht zu oder die Gegebenheiten sind einfach nicht so, dass man sagen kann: "Ich möchte so Abschied von meinem Kind nehmen." Deshalb bietet das erste Kinderhospiz in Niederbayern auch die Möglichkeit an, dass Familien in der finalen Phase vor dem Tod des Kindes in eines der Familienzimmer einziehen können. "Manchmal sind die Wohnungen daheim zu klein", sagt Corinna Burkhart, "manchmal ist auch eine psychologische Betreuung notwendig, das können wir hier im Haus Anna leisten."

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Eines der Familienappartements im Haus Anna

Ganze Region hilft mit und spendet

Die ganze Region hilft mit, damit Haus Anna fertig wird. Die Ausbildungsabteilung des Autozulieferers Webasto in Hengersberg hat beispielsweise im Rahmen eines Sozialprojekts Hochbeete für den Garten gebaut und Sitzsäcke für Haus Anna genäht. "Da die Bezüge für unsere Cabrio-Verdecke allen Hygiene- und Qualitätsanforderungen entsprechen, haben wir uns gedacht, wir könnten daraus Sitzsäcke für die Zimmer nähen", erzählt Marlene Welly, als sie mit ihren Azubis die Sitzsäcke in das Haus trägt.

Außerdem wird fast überall in Niederbayern bei kleinen und großen Festen für das Kinderhospiz gesammelt. Denn: Haus Anna finanziert sich hauptsächlich aus Spendengeldern. "Es ist überwältigend, wie die ganze Region hinter dem Projekt steht", erzählt Astrid Kantner, die kaufmännische Leiterin. "Das beginnt schon mit kleinen Kindern, die bei Geburtstagsfeiern für Haus Anna sammeln, aber auch große Firmen haben eine offene Tür, wenn wir anklopfen. Haus Anna ist ein großes Thema hier in der Region. Es gibt so viel Empathie für das Projekt, die Spendenbereitschaft ist groß." Dennoch ist die Inneneinrichtung noch nicht ganz finanziert. Und auch der laufende Betrieb wird nur mit Hilfe von Spenden zu finanzieren sein.

Namensgeberin Anna wünschte sich ein selbst bestimmtes Leben

Mitte September soll das Kindertages- und Nachthospiz der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München in Niederbayern eröffnet werden. Namensgeberin für Haus Anna ist eine der ersten Patientinnen der Stiftung. Eine schwerkranke Jugendliche, deren größter Wunsch es war, selbstbestimmt leben zu können, ohne dass Mama und Papa immer im Hintergrund da sein müssen. Eine der Betreuerinnen hat der inzwischen verstobenen Anna versprochen, das möglich zu machen. Und deshalb trägt das erste Kinderhospiz Niederbayerns den Namen Haus Anna.

Noch immer gibt es zu wenige Kinderhospize in Deutschland und auch in Bayern, vor allem in den ländlichen Regionen. Gerade wird das erste Kinderhospiz für Niederbayern fertiggestellt, das durch seine flexiblen Angebote Maßstäbe setzen will...
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Noch immer gibt es zu wenige Kinderhospize in Deutschland und auch in Bayern, vor allem in den ländlichen Regionen.

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