In Bayern könnten bis zu 3.000 Menschen mehr pro Jahr nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand überleben, wenn mehr Laien rechtzeitig Erste Hilfe in Form einer Herzdruckmassage leisten würden. Bundesweit sind es laut Deutscher Herzstiftung sogar rund 10.000 Menschen.
Das Problem: Im Mittel kommt der Rettungsdienst nach neun Minuten zum Patienten. Jedoch tritt der Hirntot schon nach drei bis fünf Minuten ein, wenn nicht mehr genügend Sauerstoff über das Blut ins Gehirn gelangt. Gerade deshalb sei die frühzeitige Wiederbelebung durch Laien so entscheidend.
"Wir alle haben gesehen, wie Christian Eriksen bei der EM 2021 vor laufender Kamera umgefallen ist, weil sein Herz keinen Sauerstoff mehr zum Gehirn transportiert hat ... er wurde sofort wiederbelebt. Es waren genug Leute vor Ort. Das kann aber jeder Mensch, man braucht keine medizinische Erfahrung. Heute spielt Eriksen wieder im Profifußball", sagt Bernd W. Böttiger, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rates für Wiederbelebung.
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Prüfen – Rufen – Drücken und dann "Stayin' Alive"
"Prüfen, Rufen, Drücken", das sind laut Böttiger die entscheidenden Handlungen bei der Ersten Hilfe, wenn man eine bewusstlose Person auffindet. "Prüfen", ob die Person noch atmet, Rettungsdienst 112 "rufen" oder jemanden direkt dazu auffordern - und dann "drücken", also die Herzdruckmassage starten, falls der Patient nicht mehr atmet.
Wichtig sei es, vorher zumindest den Brustkorb freizumachen, Hemd, Bluse auf oder hochziehen. Bei Patientinnen sollte auch der BH entfernt werden. Aber jede Verzögerung verschlechtere die Überlebenschance des Patienten oder der Patientin, deshalb sollte das zügig gehen.
Dann mit beiden Händen übereinander und dem ganzen Körpergewicht im unteren Drittel des Brustbeins etwa sechs Zentimeter tief drücken und bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes die Herzdruckmassage durchführen. "So übernehmen Sie von außen die Pumpfunktion des Herzens und es kommt wieder genügend Sauerstoff zum Gehirn", so Böttiger. Dabei solle man dann zweimal pro Sekunde drücken. "Wir empfehlen, dass jeder ein Lied im Kopf hat." Zum Beispiel funktioniere der Song "Stayin' Alive" von den Bee Gees sehr gut oder "Atemlos" von Helene Fischer.
"Wenn Rippen brechen, ist es immer ein gutes Zeichen"
Die meisten Menschen drücken laut Böttiger zu flach, weil sie Angst haben, dass Rippen brechen. Wenn man zu flach drücke, sei das zwar immer noch besser als gar nicht zu drücken, aber je fester man drücke, desto besser ist die Überlebenschance des Patienten, so Böttiger, der auch Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes ist. "Wenn Rippen brechen, ist das für mich immer ein gutes Zeichen, weil dann weiß ich, jemand hat gut gedrückt. Die Rippen heilen wieder, wenn der Mensch überlebt."
Viele Laien hätten Angst, etwas falsch zu machen, aber das Einzige, was man falsch machen könne, ist nichts zu tun, so Böttiger. In der Regel reiche auch die Herzdruckmassage, bis der Rettungsdienst kommt. Man müsse bei Erwachsenen noch nicht einmal beatmen, weil im Blut noch ausreichend Sauerstoff für das Gehirn vorhanden sei.
Forderung an Kultusministerien: Verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse an Schulen
Die meisten haben ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse aus dem Pflichtkurs im Zuge des Führerscheins. Trotzdem gibt es relativ wenig Wiederbelebung durch Laien. "Das ist ein Zeichen für mich dafür, dass das zu spät kommt. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Deshalb müssen wir vor der Pubertät beginnen." Böttiger fordert deshalb von den Kultusministerien der Länder die Maßnahme, verpflichtende Wiederbelebungskurse in Schulen einzuführen, und zwar schon in den niedrigen Klassen.
Auf Anfrage des BR, warum das bisher noch nicht umgesetzt wurde, schreibt ein Sprecher des Bayerischen Kultusministeriums, Erste Hilfe sei dem Ministerium ein besonders Anliegen. Allerdings verweist der Sprecher bei der Umsetzung vor allem auf Programme von Hilfsorganisationen und auf Schulleitungen, die dafür Sorge tragen müssten.
Im Audio aus dem Archiv: Eine App für Ersthelfer
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