Drei Tage, bevor das Hochwasser den Bauernhof von Sebastian und Katrin Frey erreichte, standen Polizei, Landratsamt und Veterinäramt auf ihrem Hof bei Tapfheim und forderten sie auf, den Bauernhof komplett zu evakuieren. Bis zu vier Meter hoch könne das Wasser kommen, hieß es von Seiten der Behörden.
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Die Freys handelten sofort – noch am selben Abend wurde das Jungvieh auf umliegende Betriebe verteilt, einen Tag später die rund 70 Milchkühe. Eine Maßnahme mit ungeahnten Folgen, wie sich bald herausstellen sollte.
Schwere Lungenkrankheit breitet sich im ganzen Stall aus
Mit vereinten Kräften gelang es Familie und Freunden, einen Wall um den Hof zu errichten und so viel Wasser abzupumpen, dass Stall und Wohnhaus vom Hochwasser im vergangenen Juni verschont blieben. Die Tiere konnten schnell in ihren gewohnten Stall zurückkehren. Zwei Wochen lang sah es so aus, als wäre alles glimpflich gegangen: Die Kühe ließen sich problemlos wieder zusammen gewöhnen. Dann die Katastrophe: "Plötzlich haben wir einen massiven Krankheitsausbruch gehabt, wie wir ihn eigentlich noch nie gehabt haben", sagt Sebastian Frey. Von den 70 Milchkühen infizierten sich 60 Tiere mit einem Virus, das eine schwere Lungenkrankheit auslöst. 80 Prozent der Tiere mussten mit Antibiotika behandelt werden, zwei Tiere überlebten die Krankheit nicht. Immerhin: Das Jungvieh bleibt verschont.
Im Video: In der Serie Hofgeflüster berichten die Freys von der Evakuierung
In der Serie "Hofgeflüster" besucht "Unser Land"-Reporterin Stefanie Heiß Höfe in Bayern. Hier geht es in mehreren Folgen um Themen, über die sonst nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Alle Videos der "Hofgeflüster"-Serie gibt es hier.
Enorme Kosten durch Tierarzt und Ernteausfall
"Ich habe normalerweise keine Angst, in der Früh in den Stall zu gehen. Aber in der Woche war es dann schon so: Du gehst in der Früh in den Stall und überlegst: Ist irgendwo wieder eine Kuh ganz schwer krank?", berichtet Sebastian. Er vermutet, die Tiere trugen das Virus die ganze Zeit in sich und durch den Stress der Evakuierung sei es schließlich ausgebrochen.
Fast die gesamte Milch musste er tagelang in den Gully kippen. Zum fehlenden Milchgeld kommt die enorme Tierarztrechnung in Höhe von 10.000 Euro. Kosten, auf denen die Freys vermutlich sitzenbleiben werden. Dazu der riesige Ernteausfall: Von den 180 Hektar Ackerfläche wurden 100 Hektar, also mehr als die Hälfte, vom Hochwasser ganz oder teilweise zerstört. Sebastian Frey schätzt den Schaden auf 150.000 bis 200.000 Euro.
Entschädigung durch den Freistaat deckt nur ein Viertel des Ausfalls
Die staatliche Entschädigung, mit der die Freys rechnen, wird wohl 50.000 Euro betragen – die Höchstsumme, die Betriebe erhalten können, wenn sie nicht existenzgefährdet sind. Das ärgert Sebastian Frey. Sein Hof liegt in unmittelbarer Nähe des Riedstroms, Bayerns größtem Überschwemmungsgebiet, das geflutet wird, um größere Orte und Städte zu schützen. Von Hochwasser war er bisher nicht betroffen, fürchtet aber, dass es künftig häufiger vorkommen könnte.
"Bevor Donauwörth oder die großen Städte absaufen, kann man das Wasser in die Flächen leiten, kein Problem. Aber dann muss auf der anderen Seite dafür gesorgt werden, dass der Schaden zu 100 Prozent beglichen wird – nicht zu 50 oder 25 Prozent." Einmal könne er so eine Summe abschreiben, so der 35-jährige. "Aber wenn es alle zwei, drei Jahre kommt, dann halt ich das nicht aus. Dann müssen wir aufhören."
Zum Höhepunkt des Hochwassers: Geburt des ersten Kindes
Einen großen Lichtblick immerhin haben Sebastian und seine Frau Katrin in diesen schwierigen Zeiten: Am 5. Juni, als das Wasser am höchsten rund um den Bauernhof stand, wurden die beiden zum ersten Mal Eltern. Die beiden hatte den Hof rechtzeitig verlassen, und bis zur Geburt bei Katrins Eltern übernachtet. Inzwischen sind die beiden stolze Eltern von ihrem kleinen Sohn Vincent. Es sei immens hilfreich, sagt Sebastian, gerade an schlechten Tagen, ins Haus zu kommen und in die Wiege zu schauen. "Dann schaust zum Vincent rein und kannst den Rest einfach mal für kurze Zeit abstempeln."
Dieser Artikel ist erstmals am 05.08.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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