Anfang Juni hat sich das Donauhochwasser als "Riedstrom" über die Felder in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries ergossen.
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Anfang Juni hat sich das Donauhochwasser als "Riedstrom" über die Felder in den Landkreisen Dillingen und Donau-Ries ergossen.

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Sonderfall Riedstrom: Bauern wollen Sicherheit für die Zukunft

Die Ernte zerstört, die Böden beschädigt: Weil tagelang Donauhochwasser auf ihren Feldern stand, fordern Landwirte eine 100-prozentige Entschädigung – auch in Zukunft. Denn das Wasser wurde absichtlich auf die Äcker geleitet, um Städte zu schützen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Rund 100 Landwirte sind am Donnerstagabend zum Treffen in die Bäldlesschwaige gekommen. Der Aussiedlerhof bei Rettingen im Landkreis Donau-Ries war Anfang Juni auch überschwemmt. Zuvor, so die Landwirte der Schwaigen (Aussiedlerhöfe) rundum, hätten sie nie Wasser gehabt. Ein Ende des 19. Jahrhunderts gebauter Ringdeich konnte sie immer schützen – bisher. Heuer aber haben die Donau und die Zuflüsse so viel Wasser geführt, dass der Deich nicht mehr ausgereicht hat.

Städte geschützt – Ernte verwüstet

Für die großen Schäden, die das als "Riedstrom" ausgeleitete Donauhochwasser angerichtet hat, fordern die Landwirte 100 Prozent Schadensersatz – und damit mehr, als das Landwirtschaftsministerium in seinem Sofortprogramm für betroffene Landwirte vorsieht.

Sie rechtfertigen ihre Forderung damit, dass es sich beim Riedstrom um kein natürliches Hochwasser handle, sondern um ein gesteuertes: Zwischen Gundremmingen und Donauwörth sind die Staudämme vor den Staustufen an mehreren Stellen abgesenkt. Dort fließt das Wasser bei Hochwasser über den Damm, zunächst in die Auwälder, dann auf die Felder. An den Staustufen wird außerdem ab einer gewissen Wassermenge bewusst aufgestaut, damit Wasser über die Dämme tritt. So wird der Donaupegel gesenkt und flussabwärts liegende Städte geschützt. Ohne diese Maßnahmen, so die Experten vom Wasserwirtschaftsamt Donauwörth, hätten bei einem solch gewaltigen Hochwasser wie dieses Jahr die Staustufen ihren Betrieb nicht aufrechterhalten können, die Dämme hätten brechen können.

Riedstrom: Natürlich oder künstlich?

Also eine "von Menschenhand gesteuerte Flutung", wie Landwirt Karl Philipp Sauter sagt, oder ein natürliches Hochwasser, wie die Experten vom Wasserwirtschaftsamt beteuern? Fakt ist: Schon vor Jahrhunderten, als die Donau sich noch als mäandernder Fluss mit vielen Armen durchs Donauried zog, breitete sie sich bei Hochwasser im Donauried aus.

Allerdings wurde die Donau inzwischen begradigt, Staustufen wurden gebaut. Zudem sind die Dämme nur auf der Südseite stellenweise abgesenkt – im Norden, wo Städte wie Lauingen, Dillingen oder Donauwörth liegen, waren sie an den meisten Stellen auch in diesem Jahr hoch genug, um dem Hochwasser standzuhalten. Relevant ist die Frage, wie der Riedstrom zu bewerten ist, auch deshalb, weil die Zuständigkeit der Ministerien je nach Beantwortung wechselt: Für Entschädigungen nach natürlichen Überschwemmungen ist das Landwirtschaftsministerium zuständig, bei gewollten Flutungen das Umweltministerium.

Landwirte fordern 100 Prozent Entschädigung

Dabei gibt es seit dem Jahr 2016 eine entsprechende Vereinbarung, unterzeichnet vom Bauernverband sowie den zuständigen Umwelt-, Landwirtschafts- und Finanzministerien. Die sieht eine Entschädigung als Anlehnung an das Jahr 2013 vor: Damals bekamen die Landwirte 80 Prozent und mehr, und zwar ohne Ober- oder Untergrenze.

Diesmal sollen nur Schäden ab 5000 Euro und bis 100.000 Euro zu maximal 50 Prozent beglichen werden. Gerade die Untergrenze macht vielen kleineren Betrieben zu schaffen. Wie hoch die Schäden genau sind, muss unterdessen noch ermittelt werden. Allerdings sind die Schätzer überlastet. Und: Für eine Entschädigung nach der Riedstrom-Vereinbarung müssten alle Schäden erfasst werden.

Derzeit werden nach den allgemeingültigen Vorgaben des Ministeriums aber nur Schäden ab 50 Prozent gezählt. Deshalb sollen die Riedstrom-Bauern jetzt selbst eine grobe Schätzung beim Ministerium abgeben. Der Donau-Rieser Kreisobmann Karlheinz Götz geht von etwa zehn Millionen Euro Gesamtschaden bei den rund 400 Landwirten im Riedstromgebiet in den beiden Landkreisen aus. Würde der Riedstrom als Fließpolder anerkannt, könnten sie sich diese ganze Diskussion sparen, meint Götz weiter: Dann wäre die Entschädigung klar geregelt.

Politiker besuchen Riedstrom-Gebiet

Klar geregelt ist im Fall Riedstrom aber noch nichts, deshalb lassen die Landwirte nicht locker: Auf Gespräche mit Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) folgten Gespräche mit Umweltminister Thorsten Glauber (CSU) und Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Anfang der Woche hat sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geäußert: Beim Riedstrom handle es sich um einen Sonderfall, deshalb müsse "großzügig" entschädigt werden. Die Landwirte wollen aber konkrete Zahlen hören, bekräftigen sie bei ihrem Treffen in der Bäldlesschwaige.

Ihrer Forderung werden sie bereits am Montag wieder Nachdruck verleihen: Da kommt der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek nach Steinheim bei Dillingen, um sich bei einer Busfahrt durch das Riedstromgebiet die Schäden anzuschauen. Dann steht auch ein Besuch im Donauwörther Stadtteil Zusum an: In dem 60 Einwohner-Ort ist noch immer fast jedes zweite Haus nicht bewohnbar. Die Schäden liegen hier bei 1,5 Millionen Euro – die Zukunft für die Betroffenen ist ungewiss.

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