Ob Hustensäfte für Kinder, Fiebersenker oder bestimmte Antibiotika - der Herbst hat noch nicht einmal begonnen, doch bereits jetzt gibt es laut Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) Lieferengpässe bei rund 500 Arzneimitteln. Zum Vergleichszeitpunkt im vergangenen Jahr seien es nur rund 300 gewesen.
Am Montag trafen sich in München die Gesundheits- und Wirtschaftsminister der sogenannten "Südschiene" bestehend aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. Wenn es darum geht, Notstände in Apotheken zu verhindern, sehen die Minister und Staatssekretäre der vier Bundesländer vor allem den Bund in der Pflicht. Er müsse es Firmen einfacher ermöglichen, Arzneimittel und Medizinprodukte in Deutschland zu produzieren. Laut Holetschek ist das Vertrauen der Industrie in den Standort aktuell weg.
Außerdem erneuerten die Minister ihre Forderung nach einer Gesprächsrunde mit allen Beteiligten auf Bundesebene. "Wir wollen den Bund nochmal auffordern, mit allen zusammenzusitzen. Für mich gehören da auch die Apothekerinnen und Apotheker dazu", sagte Holetschek zu BR24. Regulierungen müssten zurückgedrängt, Hindernisse zurückgefahren werden.
"Das darf uns in diesem Winter nicht nochmal passieren"
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Bündnis90/Die Grünen) erinnerte an die immensen Engpässe gerade bei Arzneimitteln für Kinder im vergangenen Winter. "Das darf uns in diesem Winter nicht nochmal passieren", sagte Lucha. Hessens Sozialminister Kai Klose (Bündnis90/Die Grünen) sagte, ein Lieferengpass sei nicht immer gleichbedeutend mit einem Versorgungsengpass - oftmals gebe es für ein Medikament eine gleichwertige Alternative. Dafür brauche es Flexibilität für die Apotheken.
Auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nahm an dem Treffen teil. Er fand gewohnt härtere Worte in Richtung Berlin. Den Unternehmen gegenüber werde mit einer "Überwachungsbürokratie" gearbeitet, die Konfrontation statt Kooperation zur Folge habe. Hersteller medizinischer Produkte würde der Eintritt in den Markt erschwert. Er sehe eine Parallele zur Landwirtschaft, sagte Aiwanger: "Immer mehr Kontrollen, mit dem Ergebnis, dass es keine Produkte mehr gibt."
Pharma-Großhandel: Bestände reichen oft nicht mal zwei Wochen
Tatsächlich wünscht sich Peter Sandmann vom Bayerischen Apothekerverband vom Gesetzgeber mehr Flexibilität bei der Vergabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten. Sandmann ist selbst Apotheker in München und sorgt sich vor den nun bevorstehenden kälteren Monaten. Sollte die Erkältungswelle im kommenden Winter so verlaufen wie im vergangenen, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Bestand einiger Arzneimittel "insbesondere Antibiotika für Kinder sehr eng werden", so Sandmann. Ende August schrieb der pharmazeutische Großhandel Phargo in einer Pressemitteilung: "Bei 85 Prozent der für die kommende Herbst-/Wintersaison dringend benötigten Arzneimittel reichen die derzeit verfügbaren Bestände nicht einmal für zwei Wochen."
Verband der Kinder- und Jugendärzte fordert Produktion in Deutschland
Für den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte muss der Bund in Zusammenarbeit mit den Ländern einen "Masterplan" zur Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln entwickeln, sodass Medikamente kurz- und langfristig zur Verfügung stehen. Der bayerische Landesvorsitzende des Verbands, Dominik Ewald, nannte im Gespräch mit BR24 drei konkrete Forderungen: "Der Bund sollte Bedingungen schaffen, damit sich Forschung in Deutschland für Pharmafirmen wieder lohnt", sagte Ewald. Außerdem solle die Produktion von Medikamenten zurück nach Deutschland geholt werden und es brauche Vorhaltungen für den Fall von Lieferengpässen.
Holetschek und Lauterbach werfen sich Wahlkampf und Polemik vor
Am Montag war auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in München - allerdings nicht beim Treffen der "Südschiene". Seit zehn Jahren gebe es Lieferengpässe, so Lauterbach zu BR24. Angesprochen auf das Ministertreffen aus vier Bundesländern sagte er: "Wenn jetzt noch mal ein Dialog stattgefunden hat, auch gut. Gesprochen wird seit Jahren, ohne dass was passiert." Auf der Plattform "X" wurde der Ton schließend schärfer: Dort schrieb der Bundesgesundheitsminister von einem "Wahlkampf-Pharma Gipfel". Sein bayerischer Amtskollege Holetschek warf ihm daraufhin Polemik vor.
Lauterbach setzt beim Medikamentenmangel mittelfristig auf das kürzlich von der Ampel beschlossene sogenannte "Lieferengpassgesetz". Dieses werde "dazu führen, dass die Produktion wieder nach Europa zurück verlagert wird", sagte der SPD-Minister. Gleichzeitig räumt er ein, dass der Bau solcher neuer Anlagen mehrere Jahren dauern dürfte. "Für den kommenden Winter arbeiten wir gerade bei Kindern an Lösungen, die auch jetzt schon greifen", so Lauterbach. Laut dem Gesundheitsminister sollen entsprechende Vorschläge am kommenden Donnerstag vorgestellt werden.
Im Video: Interview mit Bundesgesundheitsminister Lauterbach
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