Heinrich Ritter hat eine Umfrage gestartet. Von anderen Schülersprechern in ganz Bayern wollte er wissen, ob die aktuellen Ereignisse in Israel und dem Gazastreifen schon Thema im Unterricht waren. Das Ergebnis ist ernüchternd.
"Dieses Thema wird bei uns im Unterricht leider kaum thematisiert beziehungsweise an vielen Schulen auch gar nicht", sagt Ritter. Er ist Landesschülersprecher der Gymnasien in Bayern und erzählt, dass Schülerinnen und Schüler jeden Tag mit schockierenden Bildern vom Krieg in sozialen Medien konfrontiert seien. Das sei "erschreckend und belastend". Teilweise wüssten Schüler gar nicht, wie sie damit umgehen sollten.
"Da es im Unterricht noch viel zu wenig thematisiert wird, fühlen wir Schüler uns natürlich auch ein Stück weit allein gelassen", sagt Ritter.
"Schüler hatten nicht unbedingt Redebedarf"
Politiklehrer Daniel Beck sprach mit seiner 12. Klasse direkt in der Woche nach dem Terrorangriff auf Israel über die Ereignisse. "Es war relativ ruhig in der Klasse", sagt er. Er unterrichtet am Regiomontanus-Gymnasium im unterfränkischen Haßfurt. "Die Schüler hatten nicht unbedingt Redebedarf." Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei dies anders gewesen.
Allerdings merkt der Politiklehrer, dass es schwierig sei, immer sofort auf das Weltgeschehen zu reagieren. Er fände es aber schön, wenn im Unterricht noch mehr Zeit wäre, um über aktuelle Ereignisse zu sprechen.
Landesschülerrat will Lehrplan umkrempeln
Der bayerische Landesschülerrat fordert deswegen, dass die Lehrpläne an allen Schulen in Bayern überarbeitet werden. Es brauche mehr Zeit, um über so wichtige Themen wie den Krieg in Nahost zu diskutieren, sagt Sprecher Heinrich Ritter. "Uns wäre es natürlich sehr wichtig, dass wir die Möglichkeit und auch die Zeit haben, mit einem Lehrer faktenbasiert über solche Themen zu sprechen."
Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband sieht ein Defizit. Schüler würden in Klassenzimmern teilweise Fake News aus sozialen Medien weitererzählen. Lehrer seien deswegen jeden Tag gefragt. "Dann packe ich den Pythagoras weg", sagt Verbandspräsidentin Simone Fleischmann, "dann packe ich das Buch weg und dann sage ich, jetzt machen wir mal eine ganz genaue Recherche, was hinter deiner Äußerung steckt."
Vom amtierenden Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) fordert Fleischmann, dem Thema mehr Bedeutung zu geben. Alle radikalen Tendenzen und irren Mythen, die in den Schulen zu Israel und dem Gazastreifen unterwegs seien, müssten jetzt richtiggestellt werden. "Da brauchen wir Zeit dafür", so Fleischmann. Der Kultusminister solle sagen, rutscht diese Themen in den Mittelpunkt und nehmt euch Zeit dafür.
Kultusminister ermuntert zu Thematisierung
Piazolo erwidert allerdings, dass er bereits in der zweiten Oktoberwoche, also wenige Tage nach dem großen Terrorangriff auf Israel, einen Brief an die Schulen geschrieben habe. Darin steht: "Wir begrüßen und unterstützen es (…) ausdrücklich, wenn Sie die aktuellen Entwicklungen in Israel und den Palästinensischen Gebieten (…) altersgerecht thematisieren und besprechen möchten." Auch der Haßfurter Politiklehrer Daniel Beck hat das Schreiben gelesen.
Im Gespräch mit BR24 erneuert Piazolo seinen Aufruf und sagt, wenn Schülerinnen und Schüler es wollen, findet er es sinnvoll, die Terrorangriffe auf Israel und was das auch mit der Gesellschaft in Deutschland mache, anzusprechen.
Die Lehrpläne seien zudem nicht so eng getaktet, sagt Piazolo, dass man sage, da ist überhaupt keine Luft. Auch im Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht könnten Texte ausgewählt werden, die etwa den Antisemitismus thematisieren.
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