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Das Geothermie-Heizwerk der Bayernwerk GmbH in Poing bei München

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Ist die Geothermieanlage für Erdbeben in Poing verantwortlich?

In der oberbayerischen Gemeinde gibt es immer wieder Erdstöße - beunruhigend für die Bevölkerung. Erst letztes Wochenende hat der Boden wieder vibriert. Jetzt gibt es erste Erkenntnisse, dass die Geothermieanalage damit zu tun hat. Von Fabian Mader

Bürgermeister Albert Hingerl war beim letzten Erdbeben zwar nicht selbst in Poing, aber die Bürger haben ihm davon berichtet. Und es war nicht das erste Mal. Schon im Dezember hatte die Erde im Nordosten München gebebt – besonders bedrohlich daran: "Wir wissen nicht, woher es kommt, seit Dezember versuchen wir das herauszufinden."

Verursacher: die Geotheramieananlage?

Direkt nach den ersten Beben ist ein Forscherteam beauftragt worden. Es soll herausfinden, woher die Mikrobeben kommen. Die Vermutung: Die Geothermieanlage in der Nähe von Poing könnte Schuld sein. Denn dort wird heißes Thermalwasser aus der Tiefe an die Oberfläche gepumpt, teilweise viele Kilometer weit. Und solche Eingriffe ins Erdreich bringen die Oberfläche schon mal ins Schwingen, sagt Inga Moeck vom Leibniz Institut für angewandte Geophysik in Hannover.

Sie hat die Untersuchung über die Beben in Poing geleitet – und diese Woche bei einem Kongress in München erste Details bekannt gegeben. Sie hält es demnach für wahrscheinlich, dass die Geothermie schuld an den Vibrationen war. Sicher nachweisen, lässt sich das aber nicht.

"Wenn ich vor Gericht stehen würde, könnte ich keinen eindeutigen Beweis liefern, dass es die Geothermie war – aber der Verdacht liegt nahe." Inga Moeck, Geophysikerin

Das Problem ist: Poing passt nicht so recht ins Bild. Üblicherweise gibt es solche kleineren Beben ganz zu Beginn, wenn eine Geothermieanlage anläuft. Aber die in Poing ist ja schon seit Jahren in Betrieb. In Poing hat es jetzt sieben Jahre gedauert, deshalb kann man laut Moeck nicht eindeutig sagen, dass es am Geothermieprojekt liegt.

Nicht zu 100 Prozent sicher

Einen echten Beweis könnten die Wissenschaftler zudem nur dann liefern, wenn die Erdbeben direkt an der Bohrstelle stattfinden würden – das tun sie aber nicht, sondern 600 Meter entfernt davon. Deshalb kann die Forscherin nicht mit 100 prozentiger Sicherheit sagen, was der Grund war.

Die Frage ist, wie lange akzeptieren das die Bürger, wenn neben der Ortschaft eine Anlage läuft, die wahrscheinlich kleinere Erdbeben auslöst?

Geothermie ist Glück für Bayern

Eigentlich ist die Geothermie ein ziemlich großer Glücksfall für das südliche Bayern. Die Region liegt über einem riesigen Becken, in dem sich Wasser durch die Erdwärme erhitzt. Und das nutzen die Geothermieanlagen aus. 22 davon gibt es inzwischen in Bayern, die meisten in Oberbayern. Sie pumpen das heiße Wasser nach oben und erhitzen damit einen zweiten Wasserkreislauf. Der bringt die Wärme dann in die Haushalte.

Mit dieser Erdwärme ließe sich beispielsweise München komplett beheizen, und das extrem klimafreundlich, sagt Forscherin Inga Moeck.

"Wenn ich da an Nordddeutschland denke, da ist es sehr viel schwieriger, diesen Bodenschatz zu heben, weil die Gewässer dort sehr salzig sind. Das ist hier nicht der Fall, das ist fast Trinkwasserqualität. Dieser Bodenschatz, das ist schon einzigartig." Inga Moeck, Geophysikerin

Wie gefährlich ist die Anlage?

Nach der offiziellen Messung lagen die Bodenschwingungen dort am vergangenen Wochenende bei 1,6 Millimeter pro Sekunde. Das ist deutlich unter den Grenzwerten für Gebäude. Ein Einfamilienhaus beispielsweise muss das Dreifache aushalten können, ein Industriebau sogar noch mehr. Den Poinger Bürgermeister beruhigt das aber wenig, weil die Erdstöße ja auch zunehmen könnten.

Bodenschwingungen überwachen

Momentan ist die Geothermie-Anlage heruntergefahren. Forscherin Moeck hält das wegen der schwachen Erdstöße gar nicht für nötig – sie hat aber einige Empfehlungen für den Betreiber. Die Bayernwerk AG soll in Zukunft die Bodenschwingungen genauer überwachen und alle Daten den Bürgern zur Verfügung stellen.

Nicht nur eins, sondern vier Messgeräte sollte die Firma um den Anlage herum anbringen, meint sie. Das Unternehmen hat gegenüber dem Bayerischen Rundfunk bestätigt, das auch tun zu wollen. Betont aber:

"Ausdrücklich festhalten möchten wir, dass es bislang keine Belege für den Zusammenhang der lokalen Beben mit dem Betrieb der Geothermieanlage gibt." Mitteilung der Bayernwerk AG

Der Poinger Bürgermeister Albert Hingerl will nun zunächst den endgültigen Forschungsbericht abwarten, er soll nächsten Monat erscheinen. Erst dann will er gemeinsam mit den Bürgern und dem Gemeinderat entscheiden, wie es weitergeht.