Eine Drohnenaufnahme zeigt die JVA Gablingen von oben
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Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter bestätigt mit einem Bericht Vorwürfe gegen die JVA Gablingen.

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JVA Gablingen: Anti-Folter-Kommission bestätigt Missstände

JVA Gablingen: Anti-Folter-Kommission bestätigt Missstände

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter hat heute ihren Bericht über ihren unangekündigten Besuch der JVA Gablingen veröffentlicht. Justizminister Eisenreich hat inzwischen reagiert und hat weitere Kontrollen ohne Voranmeldung angekündigt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Morgens um 9.00 Uhr an einem Tag im August 2024 statteten zwei Mitarbeiter der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter der JVA Gablingen einen unangemeldeten Besuch ab. Grund dafür waren anonyme Hinweise und ein Schreiben der Anstaltsärztin, die ebenfalls Missstände in der Justizvollzugsanstalt bei Augsburg monierte. "Das war für uns der eigentliche Anstoß zu sagen, das würden wir uns doch gerne mal angucken", sagte Rainer Dopp, Vorsitzender der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter, im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.

Nach dem Besuch ging im Dezember ein Bericht an das bayerische Justizministerium. Er bestätigt in weiten Teilen die Vorwürfe, die seit Ende Oktober 2024 gegen die JVA Gablingen erhoben worden waren. Dieser Bericht wurde nun veröffentlicht, nachdem das Justizministerium seine Stellungnahme abgegeben hat.

Besonders gesicherte Hafträume im Fokus der Kontrolle

Sehen wollten die Kontrolleure in Gablingen die besonders gesicherten Hafträume im Keller der Justizvollzugsanstalt. Dort werden Häftlinge untergebracht, wenn sie Gewalt gegen sich oder andere ausüben oder akut suizidgefährdet sind. Die Einrichtung ist spartanisch und soll Verletzungen möglichst ausschließen, d.h. es gibt weder Stuhl noch Tisch und kein Bettgestell. Ein Edelstahlloch ersetzt die Toilette.

Besuch in Gablingen: Kontrolleure mussten warten

Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk schildert Dopp in Gablingen: Das Besuchsteam, bestehend aus zwei hauptamtlichen und zwei ehrenamtlichen Mitarbeitern der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter, hätte zunächst 20 Minuten warten müssen, bevor es eingelassen worden sei. "Die beiden Kollegen, die da gewesen sind, hatten den Eindruck, dass das eigenartig ist, dass es so lange dauerte", so Dopp. In den besonders gesicherten Hafträumen hätten sie dann Matratzen und Kleidung vorgefunden. Man habe aber Hinweise darauf bekommen, dass beides an diesem Morgen erst kurzfristig bereitgestellt worden sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen möglicher Unregelmäßigkeiten, um zu klären, ob die Kontrolleure bewusst getäuscht werden sollten.

Wollte Justizministerium Einfluss auf Folterkommission nehmen?

In ihrem Bericht erwähnt die Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter ein Schreiben des bayerischen Justizministeriums vom 28. August 2024. Darin sei sie aufgefordert werden, zukünftig von unangekündigten JVA-Besuchen abzusehen. Diese Aufforderung habe die Nationale Stelle entschieden abgelehnt, insbesondere weil das Ministerium bereits seit Oktober 2023 von Missständen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gablingen gewusst habe, heißt es.

Auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks sagte der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich heute: "Der Inhalt dieses Schreibens entspricht nicht meiner Haltung. Ich habe in der Zwischenzeit angekündigt, dass auch wir selbst unangekündigte Besuche in den Justizvollzugsanstalten durchführen. Und es sind auch schon eine Reihe von unangekündigten Besuchen durchgeführt worden." Das Justizministerium hatte zudem erklärt, dass diese Aufforderung eine individuelle Äußerung des Leiters der Vollzugsabteilung gewesen sei.

Kommission kritisiert Akten der JVA

Im jetzt veröffentlichten Bericht an das bayerische Justizministerium kritisiert die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter außerdem eine mangelhafte Dokumentation: Es sei nicht genau genug in den Akten festgehalten worden, warum und wie lange genau Häftlinge in den besonderen Hafträumen (bgH) ausharren mussten. Die Kontrolleure gehen davon aus, dass Gefangene länger als nötig im bgH sitzen mussten. Genau das hatte die frühere Anstaltsärztin ebenfalls gegenüber dem BR angegeben und zuvor auch an die Behörden gemeldet.

Lob für Maßnahmen des Bayerischen Justizministeriums

Begrüßenswert findet Dopp unterdessen, dass das bayerische Justizministerium eine eigene unabhängige Kommission ins Leben gerufen hat. Die soll untersuchen, wie die Abläufe in den bayerischen JVAs und die baulichen Gegebenheiten der besonders gesicherten Hafträume verbessert werden können. Der Task Force unter dem Vorsitz eines ehemaligen Richters gehören auch Psychiater, Psychologen und eine Anstaltsärztin an: "Ich denke, die Zusammensetzung dieser Stelle lässt jedenfalls erwarten, dass da viele ganz bedeutsame und wichtige Aspekte mitberücksichtigt werden", so Dopp.

Ministerium ändert Vorgaben für besondere Hafträume

Das bayerische Justizministerium erklärte, neben der Task Force sei ein eigenes Referat gebildet worden. Dieses werde künftig auch unangemeldete Kontrollbesuche in bayerischen JVAs durchführen. Zudem sei die Ausstattung der Hafträume mit reißfesten Matratzen, Schlafsäcken und blickdichten Einwegunterhosen sowie eine bessere Erhebung und Dokumentation der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen in der Software "IT-Vollzug" angeordnet worden. Laut Ministerium wurden zudem neue Standards für Berichte eingeführt, wenn eine Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum länger als drei Tage andauert.

Bayern plant Erleichterungen für Häftlinge

Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist ein unabhängiges Gremium, das im staatlichen Auftrag die Situation in freiheitsentziehenden Einrichtungen überwacht - also in Gefängnissen, Altenheimen, Psychiatrien. Leiter Rainer Dopp betonte im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass für die Häftlinge oft schon kleine Änderungen viel bedeuteten. Dopp zeigte sich zudem erfreut darüber, dass das Justizministerium nun einige von seiner Stelle monierte Punkte überprüfen möchte. Beispielsweise sollen Häftlinge bald aus ihren Zellen heraus telefonieren können. In Bayern war das bislang nicht erlaubt.

Im Video: Anti-Folter-Stelle - JVA Gablingen hat Menschenwürde verletzt

ARCHIV - 20.12.2022, Bayern, Gablingen: "JVA Anlieferung" ist auf einem Schild vor der Justizvollzugsanstalt Gablingen bei Augsburg zu lesen. Eine neue Kommission des Justizministeriums soll nun aufgrund der Misshandlungsvorwürfe gegen Justizbeamte des Gefängnisses Gablingen Konsequenzen erarbeiten. (zu dpa: «Ex-Spitzenjurist leitet Gablingen-Aufklärungsgremium») Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen (Archivbild)

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