Wochenlang ohne Schule und Kita, lange keine Treffen mit Freunden, teils gestresste Eltern und Spannungen zuhause: Für viele Kinder und Jugendliche hat sich ihr Leben durch die Maßnahmen zur Corona-Eindämmung innerhalb kurzer Zeit stark verändert. Seit Wochen warnen Kinder- und Jugendärzte sowie andere Gruppen vor den negativen Auswirkungen in manchen Familien - heute haben mehrere Expertinnen und Experten den Abgeordneten im Sozialausschuss des Landtags ihre Sicht der Dinge präsentiert.
Der Staat habe die Kinder und ihre Grundbedürfnisse zu wenig im Blick, kritisierte Jens Tönjes vom Kinderschutzbund. So seien Kinder nicht gefragt worden, welche Bedürfnisse sie in dieser Zeit haben. Auch der Zugang zur Notbetreuung habe sich - jedenfalls in der Vergangenheit - ausschließlich nach den Berufen der Eltern und nicht nach den Bedürfnissen der Kinder gerichtet.
Gleichzeitig gibt es laut den angehörten Expertinnen und Experten auch viele Familien, die mit der Corona-Krise verhältnismäßig gut klarkommen. Manche empfänden sogar Erleichterung, weil Anspannung und Druck wegfielen. Problematisch sei die Situation dagegen besonders für Familien, die schon vorher Schwierigkeiten hatten.
Kinderarzt: Druck dürfte weiter steigen
Der Druck für vorbelastete Familien sei tatsächlich hoch, meinte der Ärztliche Direktor des kbo-Kinderzentrums Münchens, Volker Mall. So verzeichne etwa eine Hotline für die Eltern von Schreibabys derzeit fünfmal mehr Anrufe als sonst. Laut Mall wird sich die Situation in den kommenden Monaten in vielen Bereichen nicht ändern. Auch Kleinstkinder und Säuglinge seien dabei indirekt wegen der Belastung ihrer Eltern von den Beschränkungen betroffen.
Nach rund zwei Monaten ohne geregelte Kinderbetreuung steige die Belastung für viele Familien derweil noch weiter - auch weil inzwischen bei vielen die Urlaubstage aufgebraucht seien. Das berichtete Nina Sellerer vom Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte. Sie fordert daher, dass die Notbetreuung ausgebaut wird - und künftig auch für überlastete Eltern ohne systemrelevante Berufe gilt. Die Kinderärztin drängt auch darauf, die Betreuungsangebote für Kinder in den Sommerferien auszuweiten.
Jugendärzte: Schulen schneller öffnen
Zuletzt hatte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gefordert, Schulen und Kitas in Deutschland einheitlich und schneller wieder zu öffnen. Auch aus der bayerischen FDP-Fraktion gibt es Kritik am Umgang mit Kindern und Jugendlichen in der Corona-Krise. "Besonders in Bayern wurden Kinder in Corona-Zeiten viel zu lange als Virenschleudern gesehen", erklärte Julika Sandt, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion. Abgeordnete anderer Fraktionen und viele der angehörten Experten äußerten sich im Sozialausschuss heute ähnlich.
"Sträflich vernachlässigt wurden vor allem aber die Auswirkungen der Betretungsverbote von Kindertagesstätten auf die Psyche der Kinder", sagte FDP-Politikerin Sandt. Weil weiterhin für die Hälfte der Kinder in Bayern völlig unklar sei, wann sie wieder in ihre Kita dürfen, fordert sie ein Monitoring - also eine genaue Untersuchung der Auswirkungen auf Kinder und Eltern. Zudem müsse die Staatsregierung "endlich die Wiedereröffnung der Kitas mit möglichst festen kleinen Gruppen anpacken". Auch der Kinderschutzbund und andere Akteure drängen auf ein solches Monitoring.
mit Informationen von dpa
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