Die Überschrift klingt schon mal gut: Joseph Ratzinger entschuldigt sich. Wofür? Dafür, dass er als Erzbischof von München und Freising den Einsatz von Missbrauchstätern zu verantworten hatte? Nein. Dafür, dass er in seiner umfangreichen Stellungnahme für das Münchener Gutachten jedes Wissen und jede Mitverantwortung abgestritten hat? Nein.
Joseph Ratzinger entschuldigt sich dafür, dass es bei der redaktionellen Bearbeitung eben dieser Stellungnahme zu einem "Versehen" kam. Keine "böse Absicht". Der ehemalige Papst gab an, bei einer Sitzung nicht anwesend gewesen zu sein, obwohl ihn das Sitzungsprotokoll als Teilnehmer auswies. Das sei, so teilt sein Sekretär Georg Gänswein mit, objektiv falsch und Benedikt XVI. bitte, diesen Fehler zu entschuldigen.
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Betroffene haben auf andere Entschuldigung gewartet
Viele Katholikinnen und Katholiken und vor allem die Betroffenen von Missbrauch haben auf eine andere Entschuldigung gewartet. Eine Stellungnahme, in der Joseph Ratzinger die Mitverantwortung dafür übernimmt, dass in seiner Zeit als Erzbischof Priester zum Einsatz kamen, die Kindern und Jugendlichen schweres Leid zugefügt haben.
Dazu ist der ehemalige Papst nicht in der Lage. Stattdessen will er sein Handeln in den 80er-Jahren richtig eingeordnet wissen, "in den Zeitgeist und die damals herrschenden Moralvorstellungen".
Gibt es einen blinden Fleck?
Das ist derselbe Mann, der kurz vor seiner Wahl zum Papst vor einer "Diktatur des Relativismus" warnte, der jede Anpassung an den Zeitgeist ablehnte und den Glauben an eine absolute Wahrheit verteidigte. Seine Unerbittlichkeit in Fragen des Glaubens und der Moral bekamen im Laufe seiner langen Karriere viele zu spüren: Zum Beispiel kritische Theologen, die nicht mehr lehren durften oder deutsche Bischöfe, die sich aus der Schwangerschaftskonfliktberatung zurückziehen mussten. In Bezug auf seine eigene Biographie lässt Ratzinger diese Prinzipientreue vermissen.
Das wirft Fragen auf, zum Beispiel nach seinem Pontifikat. Hat er als Papst wirklich alles getan, um den Missbrauch in den eigenen Reihen zu bekämpfen, wie seine Verteidiger ins Feld führen? Oder gibt es da auch einen blinden Fleck?
Wer hat Stellungnahme redaktionell bearbeitet? Fragen bleiben offen
Dass solche Fragen jetzt aufgeworfen werden, hat sich Joseph Ratzinger selbst zuzuschreiben. Oder besser seine Berater. Eines zumindest geht ja aus der jüngsten Stellungnahme unzweifelhaft hervor: Dass es da eine redaktionelle Bearbeitung gab. Von wem auch immer.
Der ehemalige Papst hätte eher auf seinen früheren Schüler hören sollen. Wolfgang Beinert, einst Assistent bei Prof. Ratzinger in Regensburg, empfiehlt diesem eine umfassende und natürlich aufrichtige Entschuldigungsbitte. Kaum jemand hätte einem 94-Jährigen diese Bitte abgeschlagen. Denn auch ehemalige Päpste können irren.
Ein Kommentar von Tilmann Kleinjung, Leiter der Redaktion Religion & Orientierung
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