Der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Rollstuhl am Flughafen München
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Benedikt XVI. steht im Zentrum der Kritik zum Münchner Missbrauchsgutachten

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Bischof fordert Schuldeingeständnis vom früheren Papst Benedikt

Deutsche Bischöfe kritisieren den emeritierten Papst Benedikt nach dem Münchner Missbrauchsgutachtens scharf. Der Aachener Bischof Helmut Dieser fordert ein öffentliches Schuldeingeständnis. Friedrich Merz (CDU) rechnet mit Gerichtsverfahren.

Papst Benedikt XVI. steht im Zentrum der Kritik anlässlich des Gutachtens zum sexuellen Missbrauch durch Kleriker und Hauptamtliche in der Erzdiözese München und Freising. Deutsche Bischöfe fordern von Benedikt jetzt Konsequenzen und ein Ende der Vertuschung. Der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz rechnet mit Gerichtsverfahren. Die Justiz prüft derzeit, ob die Ergebnisse des Gutachtens strafrechtlich relevant sind.

Bischof Dieser: "Auch ein ehemaliger Papst kann schuldig werden"

Der Aachener Bischof Helmut Dieser fordert angesichts des Münchner Missbrauchsgutachtens ein öffentliches Schuldeingeständnis des emeritierten Papstes Benedikt XVI. Es könne nicht dabei bleiben, dass Verantwortliche sich in Hinweise auf ihr Nichtwissen flüchten oder auf damalige andere Verhältnisse oder andere Vorgehensweisen verweisen würden - denn deswegen seien doch damals Täter nicht gestoppt und Kinder weiter von ihnen missbraucht worden, so Dieser.

"Auch Bischöfe, auch ein ehemaliger Papst, können schuldig werden, und in bestimmten Situationen müssen sie das auch öffentlich bekennen, nicht nur im Gebet vor Gott oder im Sakrament in der Beichte", mahnte Dieser, der in der Bischofskonferenz dem Lager der Reformer zugerechnet wird, in einer Predigt im Aachener Dom. Die Unfähigkeit, eigene Verantwortung zu spüren, Schuld einzugestehen, um Vergebung zu bitten oder wenigstens Bedauern und Schmerz über den eigenen Anteil an der Tragödie auszudrücken, mache ihn traurig und wütend. Dass auch der frühere Papst Benedikt das noch nicht getan habe, dürfe nicht sein letztes Wort dazu sein.

Vorsitzender der Bischofskonferenz: "Desaströses Verhalten"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, beklagte "desaströses Verhalten" auch von den Spitzen der Kirche und mahnte: "Verdeckt und vertuscht wurde lange genug, jetzt ist die Zeit der Wahrheit." Der Limburger Bischof Bätzing rief bei einem Gottesdienst im Bezirk Trier dazu auf, sich der Wahrheit zu stellen, so schmerzlich das auch sei. Er wisse, dass auf vielen Gläubigen diese Situation ungeheuerlich laste. Sie müssten sich bei Freunden und Familie dafür rechtfertigen, dass sie noch "zu diesem Verein gehören". Bätzing appellierte an die Gläubigen, nicht den Mut zu verlieren.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sieht systemische Gründe für die vielen Fälle sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Es gebe kirchliche Muster und Strukturen, die sexualisierte Gewalt begünstigen würden, sagte Kurschus der "Rheinischen Post". Das seien in der evangelischen Kirche andere als in der katholischen Kirche. Auch in evangelischen Gemeinden und Einrichtungen gebe es sexualisierte Gewalt. Dadurch wurde und werde Vertrauen zerstört. Dieses zurückzugewinnen, sei ein langer Prozess.

CDU-Chef Merz rechnet mit Gerichtsverfahren

Kritik kommt auch vom neu gewählten CDU-Chef Friedrich Merz. Er rechnet als Konsequenz aus dem Missbrauchsgutachten auch mit Gerichtsverfahren. Auf die Frage, ob Kardinäle zurücktreten müssten, sagte Merz am Samstagabend im ZDF, das müsse zunächst in den Kirchen entschieden werden. Er gehe davon aus, dass das auch in Zukunft "Gegenstand von Verfahren der ordentlichen Gerichte" sein werde.

Die Justiz prüft derzeit, ob die Ergebnisse des Gutachtens strafrechtlich relevant sind. Die Münchner Staatsanwaltschaft untersucht nach eigenen Angaben derzeit 42 Fälle von mutmaßlichem Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger.

Benedikt, der frühere Kardinal Joseph Ratzinger, hatte das Erzbistum München und Freising von 1977 bis 1982 geführt. Ein vom Erzbistum selbst in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Benedikts Rolle ist besonders brisant. Ihm werden vier Fälle von Fehlverhalten angelastet. Er hat die Vorwürfe in einer Verteidigungsschrift zurückgewiesen.

"Er macht im Wesentlichen fehlende Sachverhaltskenntnis und mangelnde kirchenstrafrechtliche Relevanz geltend", sagte Rechtsanwalt Martin Pusch bei der Vorstellung des Gutachtens. In einem besonders gravierenden Fall sei seine Aussage sogar – so wörtlich – "wenig glaubhaft".

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