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Kommentar: Greta, Rezo und Co. sorgen für politische Zeitenwende

Kommentar: Greta, Rezo und Co. sorgen für politische Zeitenwende

Greta und Rezo - zwei Beispiele für den gesellschaftlichen Umbruch. Doch von den etablierten Parteien wurden sie bislang unterschätzt. Ändern sich diese nicht und lösen Probleme pragmatisch, werden sie verschwinden. Ein Kommentar von Ingo Lierheimer.

Über dieses Thema berichtet: Politik und Hintergrund am .

Greta und Rezo - auf sie werden Historiker und Politikwissenschaftler in ein paar Jahrzehnten in ihren Blogs und Online-Vorlesungen verweisen, wenn sie über die Veränderung der Gesellschaft und Politik im ersten Drittel des Jahrtausends schreiben werden. Es ist nicht zu vermessen, zu sagen, dass wir gerade eine Zeitenwende erleben. Eine Zäsur.

Greta und Rezo zeigen, was falsch läuft

Die junge Schwedin Greta Thunberg und der junge deutsche Youtuber Rezo sind die Gesichter dazu. Sie sind diejenigen, die der Gesellschaft den Spiegel vorhalten! Und das mit beeindruckender Beharrlichkeit und enormer Verve.

Ihre Botschaft: So geht es nicht weiter! Der Klimawandel, die Erderwärmung zerstört unsere Lebensgrundlagen und ihr Politiker handelt nicht entschlossen. Obwohl ihr alle wisst, dass der Zeitpunkt, an dem wir die existentiell bedrohliche Erhitzung unseres Planeten nicht mehr aufhalten können, tatsächlich bald erreicht sein wird.

CDU und SPD wollen Status Quo erhalten

Es geht ums Überleben! Um das Überleben künftiger Generationen, nicht um das Überleben einzelner Parteien. Union und SPD scheinen das noch nicht wirklich begriffen zu haben. Anders sind ihre Reaktionen auf die enormen Stimmenverluste bei der Europawahl nicht zu erklären. Während die SPD ihre Lust an der innerparteilichen Selbstzerstörung munter fortsetzt, schwadroniert die CDU-Chefin über eine mögliche Regulierung der Meinungsmache im Internet.

Das sind Reflexe, um von eigenen Versäumnissen abzulenken und irgendwie den Status Quo zu erhalten. Bei den Unter-30-Jährigen haben genauso viele Wähler die Satirepartei Die Partei gewählt wie die SPD. Und die Union hat hier nur ein paar Stimmen mehr erhalten.

Die Generation Youtube geht erst noch wählen

Fast 30 Prozent der Jungwähler haben dagegen den Grünen ihre Stimme gegeben. Klar könnten sich Union und SPD jetzt damit beruhigen, dass der größte Teil der Wählerschaft 40 Jahre und älter ist. Doch das wäre eine fatale Fehleinschätzung, mit der die bisherigen Volksparteien diese Zuschreibung endgültig verlieren würden.

Denn erstens haben die Grünen jetzt schon bei allen Wählern unter 45 mehr Stimmen als die Union erhalten und zweitens ist bei dem Jungwähleranteil von 30 Prozent für die Grünen ein Großteil der Youtube-Generation noch gar nicht dabei.

Junge Leute wollen pragmatische Lösungen - und zwar jetzt

Den Klimawandel nehmen immer mehr Menschen als das wahr, was er ist: lebensbedrohlich. Vielleicht ist das Gefühl zu vergleichen mit der Anti-Atomkraft-Bewegung in den 1970er und 1980er Jahren.

Der Unterschied zu damals: Gerade die Jungen wollen keine ideologische Auseinandersetzung darüber führen – und übrigens auch nicht über andere Politikfelder - sie wollen kein Rechts-Links-Hickhack, sie wollen pragmatische Lösungen. Sie wollen keine Verschiebung von Klimaschutzmaßnahmen auf den Sankt-Nimmerleinstag, sie wollen keine ProForma-Entscheidungen zur Gewissensberuhigung, sondern die Umsetzung tragfähiger Konzepte für die Zukunft.

Gesellschaft muss neue Klimapolitik mittragen

Die Lösungen liegen ja längst auf dem Tisch. Jetzt kommt es darauf an, diese zu gestalten und nicht weiter schützend die Hand über Autoindustrie und Energiekonzerne zu halten. Union und SPD müssen umdenken, wollen sie weiter relevant sein.

Dies ist wünschenswert, denn eine für alle halbwegs gerechte und verträgliche Klimapolitik ist unbequem und teuer. Sie sollte von einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden. Sie ist aber auch alternativlos. Ohne sie sind Debatten über geänderte Hartz-4-Regelsätze und die Migrationspolitik überflüssig. SPD und Union sollten endlich die Vergangenheit hinter sich lassen. Zeitenwende!

Ein Kommentar von Ingo Lierheimer, Leiter der Redaktion "Politik und Hintergrund"