Denn sie wissen nicht, was sie tun – so heißt der deutsche Titel des vor 65 Jahren erschienenen Films, in dem James Dean einen Halbstarken mimte und seinen Durchbruch als Filmstar hatte. Die Thüringer Halbstarken sind der CDU-Landeschef Mohring und sein FDP-Kollege Kemmerich. Sich gegen ihre Parteizentralen auflehnend, haben sie die Stimmen, die Unterstützung der AfD bereitwillig genommen, um vermeintlich Macht zu erhalten. Man kann sich eigentlich nur wünschen, dass sie dies in pubertär-hirnloser Manier taten, dass sie nicht wussten, was sie da tun. Anzunehmen ist das allerdings nicht.
Die AfD ist der wahre Gewinner der Ministerpräsidentenwahl
Und so sind sie die Hauptverantwortlichen dafür, dass 75 Jahre nach Ende des Nazi-Regimes ein Faschist Sieger der Landtagswahlen in Thüringen ist. Faschist - so darf der thüringische AfD-Landeschef Björn Höcke nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen genannt werden. Seine AfD ist die des Flügels, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Verdacht ist ein harmloses Wort für einen Mann, der eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" fordert, der den - Zitat! - "Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch" beschwört und die Erinnerungsstätte für die von Nationalsozialisten ermordeten Juden als "Denkmal der Schande" bezeichnet.
Diesem Mann und seiner rechtsnationalen Partei haben CDU und FDP zu Macht verholfen. Der erste FDP-Ministerpräsident in Deutschland seit 67 Jahren ist ein von der AfD gestützter Landeschef. Im Nachhinein zu sagen, dass er ja nicht wusste, wer ihn wählen würde, ist politisch naiv und unverantwortlich. Und dazu zu setzen, er, Kemmerich, sei ein erbitterter Gegner des Faschismus, ist heuchlerisch. Den Pelz zu waschen, aber nicht nass zu werden, schließt sich aus.
Kemmerichs einziger Erfolg wäre sein Rücktritt
Den einzigen Erfolg, den Thomas Kemmerich erzielen kann, ist, als Ministerpräsident mit der kürzesten Amtszeit geführt zu werden: Er sollte zurücktreten. Genauso wie der CDU-Landeschef Mohring.
Heilen können sie den angerichteten Schaden für die Demokratie damit nicht mehr - und der ist groß. Die einst auf die Verteidigung der Grundrechte und der Freiheit so stolze FDP erlebt den Tiefpunkt liberaler Politik. Sie wird es zu spüren bekommen. Noch stärker ist der Riss in der CDU. Die Kanzlerinnenpartei ist zunehmend fragil, ihre Vorsitzende muss sich parteiinterner Konkurrenten erwehren und erlebt, dass ihr Parteitagsbeschluss, niemals mit der AfD zusammenzuarbeiten, offenbar nur für Sonntagsreden taugt. Demokratien sterben durch Angriffe von innen. Die Wahl in Thüringen ist ein solcher.
Ein Kommentar von Ingo Lierheimer, Leiter der Redaktion Politik und Hintergrund
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!