Plastikmatten werden ausgelegt.
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Am Hocheck werden die letzten Kunststoffmatten der Übungspiste für Kinder montiert.

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Kunststoff statt Schnee: Plastik-Piste im Grünen

Kunststoff statt Schnee: Plastik-Piste im Grünen

Das Skigebiet Hocheck bei Oberaudorf im Inntal bietet Skifahren auf Kunststoff-Matten an. Zunächst ist es in einem Testlauf auf einer kleinen Übungspiste für Kinder möglich, die wegen des Schneemangels dort sonst keinen Wintersport betreiben könnten.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Knapp 60 Meter lang und 8 Meter breit ist das Feld aus weißen, grünen und roten Matten, das sich mit wenig Gefälle neben einem Förderband erstreckt. Gerade genug Platz für ein paar Kinder, die hier ihre ersten Schwünge üben können – am Freitag soll es losgehen. Ein Pilotprojekt der Hocheck-Bergbahn, das für viel Aufsehen sorgt. "In Bayern sind wir das erste Gebiet, das so eine Teststrecke anbietet", sagt Geschäftsführer Hannes Rechenauer.

Kunststoffmatten ersetzen Schneekanonen

Er sieht die Plastikpiste als Option, die Planungssicherheit gibt. Vor allem, wenn das Skigebiet so traurig ausschaut, wie in diesen Tagen: eine grün-braune Piste mit ein paar Flecken Altschnee, am Rand stehen arbeitslose Pistenraupen und nutzlose Schneekanonen. Gerade die aufwändige Beschneiung wäre mit den Kunststoffmatten überflüssig, meint Rechenauer, so spare man Energie und Wasser.

Heimatnahe Pisten sparen CO2

Der Chef des Vierer-Sesselliftes oberhalb von Oberaudorf im Landkreis Rosenheim möchte das vergleichsweise tief-gelegene Skigebiet unbedingt am Leben halten. Das meiste CO2 werde beim Skifahren mit der Anreise erzeugt, sagt er, deswegen seien die heimatnahen Pisten wichtig. Und um die befahrbar zu machen, kann sich Rechenauer durchaus vorstellen, kürzere Pisten oder auch Teile der langen Abfahrt mit Kunststoff-Matten auszulegen. Das wären dann schon größere Investitionen, für das aktuelle Projekt mit etwa 500 Quadratmetern hat die Bergbahn rund 80.000 Euro ausgegeben.

Kritische Fragen vom Bund Naturschutz

Für den Überlebenskampf vieler Skigebiete angesichts wärmerer Winter hat der Geschäftsführer des Bund Naturschutz in Bayern durchaus Verständnis. Es sei eine Variante, neben den extrem energieintensiven Schneekanonen über solche Matten nachzudenken, sagt Martin Geilhufe. "Aber der Weisheit letzter Schluss ist das für den Moment noch nicht." Er sieht einen ganzen "Blumenstrauß an ökologischen Problemen": neben dem Energie- und Rohstoffverbrauch bei der Herstellung auch naturschutzfachliche Fragen.

Wie verändert sich der Boden?

Welche Auswirkungen haben die Matten auf die Flora und Fauna, wie intensiv wird der Boden verändert? Das hänge auch davon ob, ob der Kunststoff dauerhaft ausgelegt oder nach dem Winter wieder abgebaut werde. Besondere Sorgen bereitet dem Naturschützer der Plastikabrieb durch die scharfen Kanten der Ski. Geilhufe sieht die Gefahr, dass so Mikroplastik in den Kreislauf von Wasser und Natur gerät.

Vlies unter den Matten gegen Mikroplastik

Um diesen Sorgen zu begegnen, haben die Mitarbeiter der Bergbahn riesige Bahnen aus Vlies unter die Kunststoffmatten gelegt. So könnten abgelöste Teil bei der Demontage abgesaugt werden, sagen sie. Der Aufwand, um alleine die überschaubare Kinderbahn herzustellen, war groß. Zwei Wochen hat das Team gebraucht, nur um die 20-Zentimeter-Quadrate zu länglichen Bahnen zusammenzustecken.

Spezielle Zangen hat der Hersteller dafür geliefert. "Wir haben alle kräftige Unterarme bekommen in den letzten Tagen", sagt Michael Wiesböck. Gemeinsam mit Harald Schriefers legt er die letzten roten Matten an den Rand der Piste und verbindet sie mit dem bereits ausgelegten Feld. Der größte Teil besteht aus weißen Plastikteilen, um wenigstens etwas Ähnlichkeit mit Schnee in die grüne Landschaft zu zaubern. Man könnte auch nette Muster auslegen, aber diesmal musste alles sehr schnell gehen, weil die Bergbahn erst nach dem Wärme-Einbruch der letzten Wochen entschieden hatte, den Versuch, der eigentlich erst für die nächste Saison geplant war, vorzuziehen.

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Wolfgang Schmidt meint, dass Skifahren nicht unbedingt was mit dem Winter zu tun haben muss.

Was hat Skifahren mit dem Winter zu tun?

Geliefert hat die Platten das Unternehmen "skitrax" aus dem benachbarten Kiefersfelden. Firmenchef Wolfgang Schmidt glaubt, dass das Skifahren in Zukunft von Schnee und Winter entkoppelt wird. Auf die Frage, wo denn bei einer Plastikpiste das Wintererlebnis bleibt, erwidert er, das sei vielleicht für unseren Kulturbereich eine interessante Frage, in vielen anderen Ländern aber, Indien zum Beispiel, gebe es eine große Begeisterung für die Idee, unabhängig vom Wetter Skifahren zu können.

Von einem Büro in Kiefersfelden aus vertreibt Schmidt sein Stecksystem in alle Welt. Gefertigt werden die Platten in Bobingen, kommen aber von den USA bis in die Ukraine in verschiedensten Formen zum Einsatz. Schmidt will mitanschieben, den Skisport in die Städte zu bringen. Den internationalen Werbespruch "Bring Kids on Snow" möchte der Plastik-Visionär gerne geändert haben in: "Bring Kids on Boards". Der Untergrund sei doch Nebensache, den könne er immer liefern.

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