Alles begann mit einem Gerichtstermin oberhalb von Bad Wiessee. Das Verwaltungsgericht München war vor Ort, um über einen geplanten Umbau der Saurüsselalm zu verhandeln. Dabei ließ die zuständige Richterin Bemerkungen fallen, die aufhorchen ließen. Mehrfach wies die Richterin darauf hin, dass die Landschaftsschutzgebietsverordnung im Landkreis Miesbach unrechtmäßig sei.
Der Grund: In der Schutzgebietsverordnung von 1955 steht ein grundsätzliches Bauverbot für das gesamte Schutzgebiet. Und dies sei mit dem heutigen Recht nicht mehr vereinbar, so die Richterin.
Landschaftsschutzverordnung unrechtmäßig?
Das schriftliche Urteil zur Saurüsselalm wird für Anfang August erwartet. Darin wird dann wohl auch die Rechtmäßigkeit der Landschaftsschutzverordnung thematisiert. Dann könnte es heißen: Alles auf Anfang. In den kommenden Jahren könnte sich der Landschaftsschutz im Kreis Miesbach dann in einer Art Schwebezustand befinden.
Und darauf wolle man sich bereits jetzt vorbereiten, so Miesbachs Landrat Olaf von Löwis (CSU) im BR-Interview. Aber er habe größtes Vertrauen in die Kommunen im Landkreis. Dort liege die Planungshoheit in Sachen Bauleitplanung und die Gemeinden hätten auch Umweltprüfungen vorzunehmen. Es gebe also ein dichtes Netz an Vorschriften und Verfahrensweisen die verhinderten, dass nun Ungemach drohe, so der Miesbacher Landrat. Was schützenswert sei, werde auf alle Fälle weiterhin geschützt.
Landschaftsschutzgebiete werden sich wohl verändern
Die Herausnahme von Flächen sei bei einer Neuausweisung genauso möglich wie das Hinzufügen von Flächen, so von Löwis. Hinzugefügt werden könnte etwa der Bereich um Fischbachau oder das Gebiet zwischen Aurach und Bayrischzell. Herausgenommen werden könnte dagegen der Stadtplatz von Miesbach oder die Gemeinde Hausham, die sich derzeit komplett im Schutzgebiet befindet. Die neuen Verfahren würden jedenfalls eine Unmenge an Arbeit bedeuten und der Landrat stellt sich auf viele Diskussionen ein.
Bund Naturschutz befürchtet Siedlungsbrei
Etwa mit dem Bund Naturschutz. Dieser befürchtet, dass der Landschaftsschutz in den kommenden Jahren im Landkreis Miesbach weniger wichtig genommen wird, wenn Kommunen Bauland für Gewerbegebiete oder Wohnungssiedlungen ausweisen wollen.
Sprecherin Annemarie Räder fürchtet einen "Siedlungsbrei", der auf die Berghänge übergreift. Es gebe bereits jetzt im Landkreis Miesbach ein enormes Wachstum, jährlich würden dort 55 Hektar Fläche verbaut. Der Bund Naturschutz Bayern kündigte an, die Entwicklung im Landkreis Miesbach genau zu beobachten. Die Grünen im Kreistag fordern eine nachhaltige Lösung in Abstimmung mit der Regierung von Oberbayern. Ziel müsse der möglichst umfassende Erhalt der Landschaftsschutzgebiete sein.
Arbeitsgruppe soll Landschaftsschutz-Reform ausarbeiten
Der Landschaftsschutz im Miesbacher Land braucht also eine vollständige Reform. Darum soll sich neben Verwaltung und Landrat auch die "Arbeitsgruppe Landschaftsschutz" kümmern, die vermutlich am Mittwoch im Kreistag beauftragt wird.
Vorsitzender ist Klaus Thurnhuber, der Bürgermeister der Gemeinde Warngau. Er wolle die aktuelle Diskussion versachlichen, so Thurnhuber im BR-Interview. Es sei bei weitem nicht so, dass jetzt jeder Berghang und Buckel mit einem Hotel bebaut werde. "Bitte keine Angst haben", meint der Warngauer Bürgermeister. Gemeinsam mit den Kommunen und der Unteren Naturschutzbehörde würden jetzt Konzepte erarbeitet.
Originalkarte - einfach verschwunden
Einig sind sich die Grünen und von Löwis, dass man einerseits zunächst das schriftliche Urteil des Verwaltungsgerichtes abwarten müsse und zum anderen Ruhe bewahren sollte.
Die Aufregung ist womöglich auch deshalb so groß, weil die Landschaftsschutzgebiete im Kreis Miesbach bereits seit langem auf wackeligen Beinen stehen. Vor zehn Jahren rieben sich viele die Augen, als im Zuge des Sudelfeldausbaus bekannt wurde, dass die Originalkarte zur Landschaftsschutzgebietsverordnung verschollen ist.
Bis heute ist das Original unauffindbar. Der Kreistag reagierte 2019 mit einer neuen Beschlussfassung, aber wegen eines Protokollfehlers, der in diesem Frühjahr entdeckt wurde, ist der Beschluss von 2019 hinfällig. Nun werde es darum gehen die Landschaftsschutzgebiete im Landkreis Miesbach neu und rechtssicher aufzustellen, so Miesbachs Landrat Olaf von Löwis.
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