Auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt am Main bringen am 13. Oktober 1977 palästinensische Terroristen die Lufthansa-Maschine mit dem Namen "Landshut" in ihre Gewalt. Für die rund 90 Passagiere und Besatzungsmitglieder beginnt eine mehrtägige Odyssee des Schreckens – in der Luft und auf diversen Flughäfen unter anderem in Rom, Dubai, Aden und Mogadischu.
Am Landshuter Hans-Leinberger-Gymnasium sind am Mittwoch Zeitzeugen mit Schülerinnen und Schülern zusammengekommen, um über die gewaltsame Entführung von damals zu sprechen.
- Zur Mediathek: Die Landshut-Entführung
Pilot wird ermordet
Vor genau 47 Jahren erschießen die Terroristen vor den Augen der Passagiere und Crewmitglieder den Lufthansa-Flugkapitän Jürgen Schumann. Co-Pilot Jürgen Vietor steuert die Maschine danach weiter nach Mogadischu, wo die rund 90 Geiseln schließlich von der deutschen Spezialeinheit GSG 9 auf dem Flughafen aus den Händen der Geiselnehmer befreit werden - nach fünf Tagen und Nächten unter entsetzlichen Umständen in der Lufthansa-Maschine "Landshut".
Zeitzeugen berichten
Heute trafen sich die Flugbegleiterin Gabriele von Lutzau, auch bekannt geworden als "Engel von Mogadischu" und Aribert Martin, der als GSG 9-Mann an der Befreiung der Geiseln aus dem Flugzeug beteiligt war, mit Schülerinnen und Schülern des Hans-Leinberger-Gymnasiums in Landshut zu einem Zeitzeugen-Gespräch. Mit dabei war auch die damals 19 Jahre alte Passagierin Diana Müll.
Sie erzählte im BR-Interview, dass sie zum ersten Mal in Landshut sei. Der Termin sei ihr wichtig gewesen, da sie möchte, dass die Geschichte der "Landshut"-Entführung nicht in Vergessenheit gerät, vor allem in Zeiten des Krieges. Es sei wichtig, dass das zeitgeschichtlich erhalten bleibe.
Hinrichtung des Kapitäns als traumatische Erinnerung
Die Hinrichtung des Kapitäns sei ihr traumatisch in Erinnerung geblieben. Fünf Tage fast nichts zu essen und zu trinken zu bekommen sei auch etwas, das sich nicht mehr aus ihrer Erinnerung löschen lässt.
Zum Zeitpunkt, an dem die GSG 9 in die Maschine kam, war sie bereits wie in einer Trance, erzählt sie weiter. Irgendwann sei sie zu sich gekommen, es wurde geschossen und geschrien, sie hatte sich unter dem Sitz versteckt, ein GSG 9-Mann befreite sie. Sie sei noch in der Nacht der Befreiung ins Krankenhaus in Mogadischu gekommen und sollte zunächst wegen ihrer psychischen Verfassung dort bleiben, wollte aber unbedingt mit in die Maschine nach Deutschland. Erst, als sie diese Maschine bestieg, wusste sie, dass sie nach Hause kommen wird.
Die beiden Jahrestage, der 13. und der 17. Oktober, seien bei ihr immer noch schwere Tage in ihrem Leben. Nachrichten wie der Angriff der Hamas triggern sie, das sei ganz schlimm für sie.
Kommando "Feuerzauber"
GSG 9-Mann Aribert Martin erzählt, man ging damals strategisch an die Sache heran. Die Einheiten waren auf das Flugzeug verteilt, insgesamt 30 Mann. Auf das Kommando "Feuerzauber" hin wurden alle Türen gleichzeitig geöffnet. Aribert Martin sah nur verängstigte Gesichter, als er das Flugzeug betrat, sagt er. Er habe sich schnell einen Überblick verschafft und den Passagieren gesagt: "Wir kommen aus Deutschland, wir holen euch hier raus!"
Fast hätte ihn und seinen Kollegen Bernd eine Handgranate erwischt. Er wies die Passagiere an, hinter ihm auf allen Vieren zum Ausgang zu kriechen. In Erinnerung blieb ihm der massive Gestank in der Maschine und ein sterbender Terrorist, der etwa in seinem Alter war. Ein Kollege von ihm hatte einen Halsschuss abbekommen, sei aber nicht tödlich verletzt worden.
Aribert Mann flog noch mit der Geiselmaschine zurück. Die Riesenfreude, dass man die Geiseln befreien konnte und alle überlebt haben, währt bis heute.
Pilot wurde neben einem Dreijährigen erschossen
Dem Co-Piloten Jürgen Vietor und seinen starken Nerven sei es zu verdanken, dass die Maschine heil in Mogadischu gelandet ist, sagt Martin.
Auf dem Rückflug sei ein Papa mit seinem dreijährigen Sohn zu ihm gekommen und habe erzählt, dass der kleine Junge direkt daneben stand, als der Pilot erschossen wurde: "Und da hats mich gerissen. Da hab ich auch kein Mitleid mehr gehabt mit diesem Terroristen, der da im Flur zugrunde gegangen ist. Da weiß ich, was da abgegangen ist."
Das Bewusstsein für wehrhafte Demokratie sei heute so wichtig wie damals, betont der Zeitzeuge.
Flugzeug soll zum "Lernort Landshut" werden
40 Jahre nach der Befreiung der Geiseln holte das Auswärtige Amt der Bundesrepublik das Flugzeug "Landshut" nach Deutschland zurück: Es soll in einem Flughangar in Friedrichshafen künftig als "Lernort Landshut" von der Bundeszentrale für politische Bildung genutzt werden. Über Details wird noch diskutiert.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!