Kurz vor Weihnachten noch einen Arzttermin zu bekommen, ist für viele Patienten gar nicht so einfach. Viele Arztpraxen machen über die Weihnachtsfeiertage Urlaub. Aber auch unter dem Jahr müssen Patienten teilweise lange auf Termine warten – vor allem bei Fachärzten. Betroffen sind oftmals Patienten, die Mitglied bei einer gesetzlichen Krankenversicherung sind.
Vielseitige Gründe für lange Wartezeiten
Gründe, warum Kassenpatienten länger auf einen Facharzttermin warten müssen, sind sehr vielseitig. Zum einen liegt es an zwei unterschiedlichen Versicherungs-Systemen, sagt Andreas Schicho im Interview mit BR24. Er ist ärztlicher Leiter in den Medizinischen Versorgungszentren Dr. Neumaier & Kollegen mit Hauptsitz in Regensburg: "Der Hintergrund ist, dass es sich um zwei gänzlich getrennte Krankenversicherungs-Systeme handelt, die auch nicht miteinander interagieren."
Zu Beginn eines Quartals würde die Praxis schon wissen, wie viele Termine sie für gesetzlich-versicherte Patienten anbieten kann. "Für Privatpatienten gibt es diese Regelung nicht. Ich kann so viele Privatpatienten untersuchen, wie ich möchte. Und dadurch habe ich hier keine Begrenzung im Terminkontingent", so Schicho. Seine Kassenpatienten müssten in der Regel fünf bis sechs Wochen auf einen Termin warten. Bei dringenden Terminen sei es auch schneller möglich.
Nachfrage nach Arztterminen gestiegen
Außerdem sei die Nachfrage nach Arzt-Terminen in den letzten Jahren gestiegen. Denn die medizinische Gründlichkeit und der Anspruch in Deutschland ist enorm gewachsen, so Schicho. So gebe es unter anderem engmaschigere Kontrolluntersuchungen: "Während früher beispielsweise bei Krebstherapien alle halbe Jahre Kontrolluntersuchungen gemacht wurden, werden jetzt mittlerweile regelhaft auch in Dreimonats-Abständen Kontrollen gemacht." Dies komme wiederum der Versorgungsqualität und der Sicherheit der Patienten zugute.
Tendenz: Längere Wartezeiten auch beim Zahnarzt
Länger werden die Wartezeiten auch bei Zahnarztterminen. Einer der Gründe ist, dass es für Zahnärzte immer schwerer wird, einen Nachfolger zu finden. Oder junge Zahnärzte keine Praxis eröffnen wollen, sagt der zweite Vorsitzende des Zahnärztlichen Bezirksverbands Oberpfalz, Frank Wohl, im Gespräch mit BR24: "Man muss wissen, dass die Gründung einer Zahnarztpraxis zwischen 600.000 Euro und, wenn sie größer ist, eine Million Euro kostet. Und dieses Risiko nimmt ein junger Kollege, eine junge Kollegin, nicht auf sich, wenn die Rahmenbedingungen – hinsichtlich Bürokratisierung, Fachkräftemangel, auch Honorierung – immer schwieriger und unübersichtlicher werden."
Allein in Schwandorf haben laut Wohl in den letzten zwei Jahren zwei Zahnarztpraxen zugesperrt, weil niemand die Praxen übernehmen wollte. Kein Einzelfall, sagt Wohl: "Das gibt’s an immer mehr Orten. Und das ist eine Entwicklung, die äußerst besorgniserregend ist."
"Erstickende Bürokratisierung"
Frank Wohl, der neben seinem Sitz im Zahnärztlichen Bezirksverband Oberpfalz auch Zahnarzt in Grafenwöhr ist, hat klare Forderungen an die Politik: "Wir müssen die wirklich erstickende Bürokratisierung zurückdrängen. Wir haben mittlerweile bis zu vierzig Prozent der Arbeitszeit – sowohl für Zahnärzte als auch für zahnärztliches Assistenzpersonal – die nur für bürokratische Tätigkeiten draufgehen. Diese Zeit fehlt für die Patientenbehandlung."
Außerdem müsse etwas gegen den Fachkräftemangel unternommen werden. Und auch die Vergütung muss laut Wohl besser werden, damit wieder mehr junge Zahnärzte Lust haben, eine Praxis zu eröffnen oder zu übernehmen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!