Vor dem Haus mit der Adresse Marktplatz 19 stehen die Menschen Schlange, um in das altehrwürdige Gebäude aus dem 14. Jahrhundert zu gelangen. Mit einem derart großen Ansturm hat Bürgermeister Roman Menth nicht gerechnet. Im Rahmen des Auber Frühlingsmarktes hat er zu einer Art Denkmalbörse geladen, um für dieses und andere leerstehende Gebäude in der Auber Altstadt im Landkreis Würzburg mögliche Käufer zu finden.
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Denkmalgeschützte Gebäude voller Erinnerungen
Vor allem wollen aber die Auber selbst mal wieder die Häuser betreten, die sie schon seit ihrer Kindheit kennen. Bis Anfang der 1980er-Jahre war in jedem der Gebäude um den mittelalterlichen Marktplatz ein Geschäft. "Unter den Kriegsjahren ist hier die Milchsammelstelle gewesen. Nach dem Krieg hat der Besitzer dann erst einmal 1951 ein Eisgeschäft aufgemacht, hat das Eis selber hergestellt." Für fünf oder zehn Pfennige habe man damals Eis gekriegt und die Kinder seien immer draußen gesessen "auf dem Posament" und hätten das dann geschleckt, erinnert sich Christa Schnell. Sie würde sich freuen, wenn wieder ein Bistro für junge Leute den Ortskern beleben würde.
Projekt "Auf.Mass" – viele Vorarbeiten bereits erledigt
Dafür legt sich die Stadt Aub mächtig ins Zeug. Sie hat mit der Unterstützung vom Landesamt für Denkmalpflege, der Städtebauförderung und einem Planungsbüro das "Projekt Auf.Mass" ins Leben gerufen. Das heißt, die Gebäude, die aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stammen und seit Jahrzehnten vor sich hin verfallen, wurden bereits aufwändig untersucht – die Statik, die Bausubstanz und auch die denkmalpflegerischen Auflagen. Auf Basis eines digitalen Gebäudeaufmaßes wurden sogar schon mehrere Nutzungsvarianten erstellt, auf die jeder Interessent zugreifen kann – daher der Name "Projekt Auf.Mass".
Sanierung zum Teil schon finanziert
Die Vorarbeit, die den Käufer eines denkmalgeschützten Altbaus erwartet, ist also schon gemacht und teilweise sogar schon bezahlt. "Bei einem so großen Denkmal, wie zum Beispiel am Markplatz 19, können diese Vorleistungen schon bis zu einer sechsstelligen Summe gehen," erklärt Professor Thomas Gunzelmann vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Die sprichwörtliche Katze im Sack gebe es hier also nicht zu kaufen – auch wenn die Gebäude zum Teil schon ziemlich verfallen aussehen. "Wir kennen diese Objekte sehr gut und wissen, was man damit anfangen kann," ergänzt Gunzelmann.
Unterstützung durch die Stadt Aub
Die Kosten für das jeweilige Objekt sind also schon ganz gut abschätzbar. Keiner soll Bedenken haben, sich ein Millionengrab zu schaufeln. Denn auch darüber hat sich die Stadt Aub Gedanken gemacht und präsentiert den Kaufinteressenten eine umfassende Beratung über sämtliche Fördermöglichkeiten. "Wir als Stadt Aub unterstützen die Bauwilligen auch auf diesem Weg. Mit unserer Förderstelle versuchen wir einen relativ engen Draht zu den Förderstellen herzustellen, dass da möglichst wenig Arbeit bei den Bauwilligen bleibt," erklärt Bürgermeister Roman Menth.
Über das "Kommunale Denkmalkonzept (KDK)", das die Stadt mit Unterstützung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege seit August 2020 entwickelt hat, sei die Stadt im engen Kontakt und Austausch mit Städtebauförderung und Denkmalpflege und könne kurze Wege gehen, fügt er hinzu.
Sanierung nicht teurer als ein Neubau
Dazu kommen noch die steuerlichen Vorteile, die die Sanierung eines denkmalgeschützten Altbaus mit sich bringen kann. Steuerberater Peter Deppisch verrät den Interessenten bei der Denkmalbörse, wie sie über steuerliche Sonderabschreibungen möglichst viele Kosten wieder reinholen können. Nach Abzug der Zuschüsse können in der Regel zwischen 30 und 40 Prozent der Restsumme wieder auf dem eigenen Konto landen. Dann bewege man sich in etwa im Bereich eines Neubaus auf der grünen Wiese. Das dauert allerdings einige Jahre. Doch man bekommt dafür wesentlich mehr als nur einen schlichten Neubau, nämlich ein Haus mit Flair und Geschichte, "eben nix von der Stange", ergänzt Deppisch.
Kaufinteressent aus München
Das sieht auch Carsten Witt so. Zwischen all den neugierigen Einheimischen, ist er mit tatsächlichen Kaufabsichten gekommen. Carsten Witt ist Geschäftsführer einer Verwaltungs-GmbH in München und er ist begeistert von den Leerständen in der Auber Altstadt und den Möglichkeiten, die sich vor Ort ergeben. Im Haus mit der Adresse Marktplatz 25 könnte er sich ein Mehrgenerationenhaus vorstellen – mit jungen und alten Menschen, die dort zusammen leben und arbeiten wollen. "Wir wären daran interessiert, vielleicht sogar in Kombination mit mehreren Gebäuden, uns finanziell zu engagieren und vor allem auch mit der tollen Unterstützung, die es hier gibt. Das ist das Wichtigste und Wertvollste, was man überhaupt finden kann," sagt er.
Win-Win-Situation für alle
Er sieht im Angebot der Stadt Aub ein riesige Chance für sein Projekt und eine absolute Win-Win-Situation für Käufer und Verkäufer. Der Unternehmer ist begeistert vom Flair des Altbaus und meint für sein Konzept "in einer so lebendigen Altstadt den perfekten Ort" gefunden zu haben. Mit der Unterstützung und der Vorarbeit, die die Stadt Aub für ihn bereits geleistet hat, haben die leerstehenden Denkmäler jetzt eine gute Chance in Carsten Witt einen Käufer zu finden.
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