Blick ins Nürnberger Rotlichtviertel bei Nacht, den rot beleuchteten Frauentorgraben.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Corona hat die Prostitution ausgebremst. Am Nürnberger Frauentorgraben ist nicht so viel los wie früher.

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Mehr illegale Prostitution: Sexarbeit spürt noch Corona-Folgen

Prostitution war in der Corona-Zeit lange verboten wegen zu viel Körperkontakt. Viele Frauen arbeiteten illegal weiter. Daran haben die Lockerungen nur teilweise etwas geändert. Im Nürnberger Rotlichtviertel sind in Bordellen immer noch Zimmer frei.

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Zu den Branchen, die in der Corona-Pandemie besonders große Einschränkungen zu verkraften hatten, gehört die Sexarbeit. Über Monate waren Bordelle und Clubs geschlossen. Prostituierte wussten nicht mehr, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren sollten. Das hat bis heute Folgen: Viele Sexarbeitende sind während der Lockdowns in die Illegalität abgewandert – und dort geblieben.

Nicht alle Frauen arbeiten weiterhin als Prostituierte

Im Nürnberger Rotlichtviertel rund um die Frauentormauer sitzen zwar wieder Frauen in den Fenstern und versuchen, Kunden mit ihren Reizen zu locken. Doch in einigen Häusern stehen noch immer Zimmer leer. Nicht alle Frauen seien in ihren alten Job zurückgekehrt, sagt eine Bordellbetreiberin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. "Viele sind ins Ausland gegangen, wo die Bestimmungen anders sind." Andere hätten während der Lockdowns in privaten Wohnungen weitergearbeitet und täten das nun weiterhin, berichtet sie. Nur wenige werden entdeckt und müssen sich dann wegen illegaler Prostitution vor Gericht verantworten.

Kunden wollen ungeschützten Verkehr

Hedwig Christ von der Nürnberger Beratungsstelle Kassandra, die Anfragen von Prostituierten aus ganz Deutschland bekommt, sieht diese Entwicklung mit Sorge. "Wir hören von Frauen, die illegal arbeiten, dass die Kunden mehr verlangen." Zum Beispiel ungeschützten Sex. Christ überrascht das nicht: Erfahrungen hätten gezeigt, dass Gewalt und übertragbare Krankheiten immer dann zunehmen, wenn Sexarbeit verboten ist. Christ hat aber auch festgestellt, dass sich viele Prostituierte nach den Erfahrungen in den vergangenen beiden Jahren beruflich verändern wollen und jetzt einen krisenfesten Job suchen.

Mehr Strafverfahren wegen Zwangsprostitution und Menschenhandel

Die Corona-Folgen zeigen sich auch in den Fallzahlen von Polizei und Justiz: Nach Angaben des bayerischen Justizministeriums ist die Zahl der Strafverfahren wegen Zwangsprostitution, Menschenhandel und Zuhälterei in den vergangenen beiden Jahren förmlich explodiert. Allein die Staatsanwaltschaft München I nahm in diesem Jahr schon mehr als 200 Ermittlungsverfahren wegen verbotener Prostitution auf. Auch im vergangenen Jahr waren es rund 200 Verfahren, fast doppelt so viele wie 2019.

Frauen sind auf sich allein gestellt

Dass Prostituierte zunehmend im Verborgenen arbeiten, beobachtet der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen schon länger. "Corona hat das noch beschleunigt“, sagt die politische Sprecherin Johanna Weber. "Viele waren ja gezwungen, während des Lockdowns heimlich zu arbeiten, weil sie keine Unterstützung bekommen haben." Dabei hätten die Frauen gelernt, sich selber zu vermarkten und wollten nun die Abgaben an das Bordell sparen oder die harten Corona-Regeln in den Bordellen umgehen, sagt Weber. Allerdings fehle durch diese Vereinzelung auch der soziale Austausch mit Kolleginnen, der Rückhalt und Schutz. "Man muss alles mit sich selber ausmachen."

Hinzu kommt, dass bei vielen Sexarbeiterinnen die Arbeitserlaubnis erloschen ist. Die verpflichtenden jährlichen Gesundheitsgespräche in den Gesundheitsämtern finden nun erst nach und nach statt. Das Nürnberger Gesundheitsamt etwa war nach der Zwangspause für Prostituierte zunächst einmal völlig überlastet.

Wenig Nachfrage nach käuflicher Liebe nach dem Lockdown

Trotz der Lockerung der Corona-Maßnahmen läuft das Geschäft mit der käuflichen Liebe eher schleppend. "Nach dem Lockdown war der Zulauf gleich Null", berichtet die anonyme Nürnberger Bordellbetreiberin. Das habe sich zwar gebessert, aber das Niveau vor der Corona-Krise sei längst nicht erreicht. "Natürlich schwingt bei den Kunden die Angst mit, sich anzustecken", sagt sie. Aber auch die Erfassung der Kontaktdaten sei für manche eine Hemmschwelle.

Dienstreisende und Gäste aus dem Ausland fehlen

"Das Geschäft ist tatsächlich schwieriger als vor Corona", sagt Johanna Weber vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen. "Das liegt auch daran, dass nicht so viele Dienstreisen sind und die Gäste aus dem Ausland fehlen." In vielen Branchen hat die Pandemie zu einer Verlagerung ins Internet geführt – bei der Sexarbeit sieht Weber dafür keine Gefahr. "Das wird immer noch real stattfinden."

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