In deutschen Krankenhäusern gibt es ein ungewöhnliches Nebeneinander von digital gestütztem High-Tech und Zettelwirtschaft wie vor hundert Jahren. Ein hochrangiger Mitarbeiter der Bayerischen Krankenhausgesellschaft etwa berichtet kopfschüttelnd von einem Klinikaufenthalt, bei dem ein Angehöriger als Patient vier Mal hintereinander seine persönlichen Daten angeben musste.
Digitale Verständigungsprobleme
Es gebe aber auch viel Innovation, betont Uwe Gretscher, der Vorstandschef der Kliniken Südostbayern mit Sitz in Traunstein. Stolz ist er etwa auf eine Neuerung namens "Spot-Monitor". Damit lassen sich Werte wie Blutdruck, Puls und Temperatur erfassen und direkt in einem Datenspeicher namens "Digitale Fieberkurve" abspeichern.
Aber wenn es darum geht, wirklich alle Kliniken miteinander zu vernetzen und dann auch noch Arztpraxen mit einzubinden, seien die Grenzen des Datenaustauschs schnell erreicht, räumt Gretscher ein: "Die Systeme sprechen nicht wirklich miteinander." Gut zwölf Millionen Euro sollen die Klinken Südostbayern aus dem 4,5-Milliarden-Topf erhalten, mit dem die Bundesregierung bessere digitale Vernetzung unterstützen will.
Dass hier noch einiges zu tun ist, findet auch Gerald Götz, der bei den kommunalen Krankenhäusern der Stadt München das Technologiemanagement betreut. Die München Klinik bietet schon seit 2014 niedergelassenen Ärzten an, über ein Online-Portal zu verfolgen, was mit ihren Patienten geschieht, wenn sie für eine Behandlung im Krankenhaus sind. Damit sei sein Haus in der Landeshauptstadt aber noch allein auf weiter Flur, sagt Götz. Und die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein habe sich kürzlich erkundigt, wie denn das System funktioniert, das die Münchner vor sieben Jahren an den Start gebracht haben. So lange hat es gedauert, bis diese Lösung anfängt, sich bundesweit herumzusprechen.
Computer konkurrieren mit Kugelschreibern
Allerdings ist auch das kommunale Groß-Krankenhaus der Landeshauptstadt noch ein ganzes Stück davon entfernt, alle digitalen Abläufe perfektioniert zu haben, räumt Sonja Rüger, Leiterin der Unternehmensentwicklung, ein. Wenn nicht alles durchgängig digital organisiert sei, bestehe eine Gefahr: "Dass wir wieder anfangen, die Sachen auszudrucken und händisch wieder die Vermerke draufzumachen."
Elektronische Patientenakte dümpelt vor sich hin
Große Hoffnungen hatten viele Fachleute auch im Krankenhausbereich auf die elektronische Patientenakte gesetzt, über die schon seit mehr als 13 Jahren diskutiert wird, und die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Jahresbeginn offiziell einführen ließ. Doch der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, zieht eine ernüchternde Zwischenbilanz: "In der Praxis spielt leider die elektronische Patientenakte noch keine große Rolle."
Immer auf bundesweite Lösungen wie die elektronische Patientenakte zu warten, dauere zu lange, sagt Engehausen. Deswegen müssten die Kliniken sich möglichst gut digital vernetzen: intern von der Basis her, aber auch untereinander. Bis Juli sind allein in Bayern rund 1.400 Anträge auf Gelder aus dem Zukunftsfonds eingegangen, mit denen Krankenhäuser ihre IT-Struktur aufrüsten sollen. Die in Bayern beantragten Gelder summieren sich auf 663 Millionen Euro.
Dauerhafte Finanzierung nötig
Engehausen hofft, dass das Geld zügig fließt. Er hat allerdings eine Befürchtung: Wenn die Kliniken mit den jetzt einmalig bereitgestellten Fördergeldern neue IT-Projekte anschieben, könnten sie in den Folgejahren Probleme haben, diese Projekte weiter zu finanzieren. Gute Digital-Strukturen müssten aber laufend gepflegt und finanziert werden, sagt er. Zumal zusätzliche Digital-Strukturen in einer Hinsicht auch Risiken bergen: "Dadurch entstehen natürlich auch neue Öffnungen für Cyber-Kriminalität, und da muss man sich schützen." Dieser Schutz koste aber Geld.
Der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, ist sich deshalb mit dem Chef der Kliniken Südostbayern, Uwe Gretscher, in einer Forderung einig: "Dass auch nach der Wahl erkannt wird, dass es ein gewichtiges Thema ist, und man in die digitale Zukunft investiert."
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