Der Streit um die für kommenden Sonntag angesetzte Kundgebung "Ausgehetzt" eskaliert weiter: Die Münchner Stadtrats-CSU beharrt darauf, Kammerspielen und Volkstheater die Teilnahme an einer Demonstration gegen ihre Partei zu verbieten. Die Intendanten lässt dies bislang allerdings kalt. Im Gegenzug blieb der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) nun der Vertragsverlängerung des Volkstheater-Intendanten Christian Stückl fern - und begründete dies schriftlich mit der Haltung Stückls.
CSU pocht auf politische Neutralität
Jeder könne als Privatperson seine Meinung frei äußern und dürfe an Demonstrationen teilnehmen - öffentliche Institutionen seien "allerdings aus gutem Grund dazu angehalten, sich politisch neutral zu verhalten, schrieb Schmid in einer SMS. Dieses Gebot der politischen Neutralität haben die Münchner Kammerspiele als Erstunterzeichner und das Münchner Volkstheater hinsichtlich der Demonstration gegen die CSU am kommenden Sonntag verletzt. Wie verhält sich die Landeshauptstadt München zukünftig, wenn zum Beispiel eine Werkleitung zu einer AfD-Demo gehen will? Kann die Stadt das in Zukunft dann noch untersagen?"
Kulturreferent bezieht sich auf kulturellen Auftrag
Aus der Kulturszene indessen gab es scharfe Kritik an der CSU-Forderung. "Position zu beziehen war und ist Teil unseres kulturellen Auftrags", sagte der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD): "Wir werden uns all denen - auch Politikern - entgegenstellen, die sich in munterer Kaltblütigkeit, mit populistischer Stimmungsmache und voll eitler Selbstgerechtigkeit von demokratischen, kulturellen und moralischen Grundwerten unserer Gesellschaft verabschieden.".
Rückendeckung vom Residenztheater
Stückl und Lilienthal erhielten nun auch unverhofft Rückendeckung von kollegialer Seite: Auf Twitter erklärte das staatliche Residenztheater in München seine Solidarität mit den beiden Häusern. Es könne nicht sein, dass diesen nun dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen drohten, "weil sie eine Demonstration unterstützen, die die Werte unserer demokratischen Grundordnung stärken möchte". Die fragliche Demonstration richte sich "nicht pauschal gegen die CSU, sondern gegen eine verantwortungslose Politik der Spaltung". Kulturschaffende sollten sich ungestraft dazu verhalten dürfen.
Grüne sehen autoritätsfixierte Verhaltensmuster bei der CSU
Und auch die Grünen bezogen Position: Grünen-Fraktionschef Florian Roth rief die Münchner CSU dazu auf, ihren Feldzug gegen die freie Meinungsäußerung umgehend einzustellen und sich stattdessen um die Verrohung der Sprache in der eigenen Partei zu kümmern. Kulturschaffende könnten nicht einfach aus dem politischen Diskurs ausgegrenzt werden, weil ihr Gehalt aus dem städtischen Kulturetat kommt.
Gerade von Kunst und Kultur seien Einmischung in die Politik und politische Haltung zu erwarten. Wenn die Münchner CSU tatsächlich liberal sein wolle, müsse sie "auch Kritik aushalten können, ohne gleich in autoritätsfixierte Verhaltensmuster der Ära Strauß zurückzufallen".
Stückl: "Es ist unsere Pflicht, uns klar zu positionieren"
Auch Volkstheater-Intendant Christian Stückl verteidigte im Bayerischen Rundfunk seine Sicht der Dinge. Die Demonstration "Ausgehetzt"am Sonntag sei keine Veranstaltung gegen eine politische Partei, sondern eine "gegen die Verrohung der Sprache und gegen Hetze". Er glaube nicht, dass er politisch neutral sein müsse. Aber wenn es so sein sollte, "dann muss man mich rügen. Trotzdem stehe ich dahinter", so Stückl. An der Kundgebung nehme er als Privatperson teil.
Theater hätten sich zu allen Zeiten klar zu ihren Positionen bekannt, so Stückl. "Es ist unsere Pflicht, uns klar zu positionieren. Gegen Geschichten aufzustehen, die uns nicht gefallen. Und das müssen wir auch laut tun und dazu den Mut haben."
Theater bleiben bei der Teilnahme an "Ausgehetzt"
Kammerspiele und Volkstheater wollen an ihren Demonstrationsplänen festhalten. "Ich habe das Gefühl, dass die CSU anfängt, einen rechtsnationalen Kurs zu fahren", sagte Kammerspiel-Chef Lilienthal, der auf Betreiben der CSU-Fraktion seinen Posten 2020 räumen muss. "Ich habe die Nase voll. Bei mir ist der Geduldsfaden gerissen, als Seehofer sich über die Abschiebung von 69 Flüchtlingen an seinem Geburtstag gefreut hat."