Es sei eine Drohung des Bad Tölzer Landratsamts gewesen, so erzählen es die Bürgermeister von Greiling und Dietramszell: Der Bus mit Flüchtlingen werde kommen, bis vors Rathaus. Und die Gemeinde müsse sich selbst um die Versorgung und Unterbringung der geflüchteten Menschen kümmern.
Das wollte sich die Gemeinde Greiling im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen nicht gefallen lassen. Sie hat vor dem Münchner Verwaltungsgericht gegen die "Zwangszuweisung" von Geflüchteten durch das Landratsamt und vergangene Woche per Eilbeschluss Recht bekommen.
Seither ist der Greilinger Bürgermeister Anton Margreiter (FW) ein gefragter Mann. Kommunalpolitiker aus ganz Deutschland hätten in den vergangenen Tagen bei ihm angerufen und sich gefreut über die Entscheidung und Klarstellung des Gerichts. "Endlich rührt sich was", so der Tenor, erzählte Margreiter im BR24-Interview.
Gericht: Gemeinden dürfen nicht gezwungen werden
Kurz zusammengefasst hat das Verwaltungsgericht klargestellt: Für die Aufnahme und Unterbringung asylsuchender Menschen ist der Freistaat Bayern, vertreten unter anderem durch die Landratsämter, zuständig. Eine Zwangszuweisung an Gemeinden sei aber nicht zulässig.
Die Gemeinden hätten zwar eine Mitwirkungspflicht, argumentierte das Gericht. Doch diese, so empfindet es zumindest Anton Margreiter, sei ziemlich schwammig, wie er vergangene Woche sagte: "So eine klare Definition gibt es ja nicht in der Rechtsprechung, was diese Mitwirkungspflicht beinhaltet." Gehe es nur darum, Möbel für potenzielle Flüchtlingsunterkünfte zu kaufen - oder müssten komplette Liegenschaften von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden? Das sei nicht klar.
Antrag auf einstweilige Verfügung: Bereits Nachahmer
Der Eilbeschluss im Falle Greiling scheint eine Entscheidung mit Signalwirkung zu sein. Obwohl das bayerische Innenministerium das verneint, sieht die Realität offenbar anders aus. Das bestätigt auch der Greilinger Bürgermeister. Er habe sehr wohl den Eindruck, dass es eine Signalwirkung gebe, erzählt er. Durch die Berichterstattung seien viele Kommunen aufmerksam geworden und es gebe bereits Nachahmer.
In Dietramszell zum Beispiel, ebenfalls eine Gemeinde aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Nachdem die Verantwortlichen dort vom Eilbeschluss im Fall Greiling erfahren haben, hat jetzt auch Dietramszell einen Antrag auf einstweilige Verfügung beim Münchner Verwaltungsgericht eingereicht gegen eine drohende Zwangszuweisung von Asylsuchenden.
Hitzige Diskussionen im Gemeinderat
Und auch in Hohenfurch im Landkreis Weilheim-Schongau hat der Eilbeschluss im Fall Greiling sofort für Aufsehen gesorgt, berichtet der dortige Bürgermeister Guntram Vogelsgesang (CSU). Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung habe er Nachrichten von seinen Gemeinderatsmitgliedern bekommen. "Da müssen wir reden!" Denn nur aufgrund einer drohenden Zwangszuweisung hatte auch diese Gemeinde dem Landkreis ein Grundstück zur Verfügung gestellt zur Errichtung einer Thermohalle für 32 Flüchtlinge.
"Der Gemeinderat hat am Dienstag das Thema nochmal behandelt wegen des Eilbeschlusses. (...) Da ist die Stimmung hochgekocht, dass wir hier unter dieser Drohung der Zwangszuweisung die Zustimmung gegeben hätten und dass das ja jetzt wegfällt aufgrund des Eilbeschlusses." Guntram Vogelsgesang, Bürgermeister Hohenfurch
Das Landratsamt Weilheim-Schongau habe in der Zwischenzeit zwei potenzielle Flüchtlingsunterkünfte von privaten Vermietern zur Verfügung gestellt bekommen. Der Bürgermeister meint, er hätte die Flüchtlinge lieber auf einem gemeindeeigenen Grundstück untergebracht, wo er mitreden könne - nicht irgendwo im Ort, wo die Gemeinde keinerlei Einfluss mehr hätte. Denn, so Vogelsgesang: Am Schluss stehe jede Flüchtlingsunterkunft in einer Gemeinde. Selbst wenn der Landkreis dafür zuständig sei.
Nicht für jede Gemeinde gültig
Eins zu eins übertragen werden kann der Beschluss für Greiling selbstverständlich nicht auf jede Gemeinde - und erst recht nicht auf ganz Deutschland. Denn andere Bundesländer haben andere Aufnahmegesetze. Der Greilinger Bürgermeister Margreiter erhofft sich dennoch eine "Initialzündung". Denn da ist sich Margreiter einig mit dem Tölzer Landrat Josef Niedermaier: "Wir haben ein gesellschaftliches Problem, es wird sehr viel Verantwortung nach unten delegiert. Wir sind alle am Anschlag, daraus ist diese Eskalation entstanden."
Auch der Greilinger Bürgermeister sieht die Klage als einen Hilferuf von beiden Seiten, dem Landkreis und der Gemeinde, der zeige, "was wir unten an der Basis für Probleme haben, wenn das durchgezogen wird". Er erhoffe sich, dass der Eilbeschluss Druck nach oben aufbaue. Noch dazu jetzt, da es bereits Nachahmer gebe.
"Hilferuf von beiden Seiten"
Für den Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, Josef Niedermaier (FW) zeigt der Vorgang ein grundsätzliches Problem, nämlich dass bei der Flüchtlingsunterbringung sehr viel Verantwortung nach unten delegiert werde. "Wir sind alle – also die Landratsämter, aber auch die Gemeinden, die zusammen mit uns Flüchtlinge unterbringen – ziemlich am Anschlag. Und daraus ist diese Eskalation entstanden." Auch der Greilinger Bürgermeister Anton Margreiter empfindet sie eher als "Hilferuf von beiden Seiten".
Solidarität ist gefragt
Vor Ort wollen sie jetzt erst mal wieder miteinander reden. Solidarität sei gefragt in den Kommunen, da sind sich auch alle einig. Die Klage der Gemeinde Greiling war ohnehin prophylaktisch. Zwangszuweisungen hat es bisher im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen nicht gegeben.
Und der Hohenfurcher Bürgermeister Guntram Vogelsgesang sagt: "Wir reden hier immer von Menschen, die geflohen sind, aus welchem Grund auch immer. Und die eine menschenwürdige Unterbringung benötigen. Und dafür müssen wir alle sorgen."
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