Die Zahlen sind beeindruckend: Im vergangenen Jahr haben die rund 130 Fahrradhersteller in Deutschland insgesamt etwa 2,3 Millionen Fahrräder produziert. Davon waren rund 1,6 Millionen E-Bikes und 726.000 normale Fahrräder ohne Motor. Im vergangenen Jahr gab es laut dem deutschen Zweirad-Industrie-Verband bundesweit rund 84 Millionen Fahrräder und E-Bikes.
Im Vergleich zu 2019 ist das ein Plus von 10,7 Prozent und in absoluten Zahlen ein Plus von 8,1 Millionen Fahrrädern und E-Bikes. Das sind offenbar die Auswirkungen der Corona-Pandemie, denn während dieser Zeit war die Nachfrage nach Fahrrädern und E-Bikes enorm gestiegen.
Fahrradhändler bekommen Ware momentan nur schwer los
Und das wirkt sich nun auch auf den Lagerbestand aus: Denn während der Corona-Pandemie konnten Händler wegen der starken Nachfrage zunächst vielfach all ihre Räder verkaufen, erhielten dann aber trotz weiter hoher Nachfrage keine bestellte Ware mehr, weil die Hersteller und deren Zulieferer mit der Produktion nicht hinterherkamen. Händler bestellten dann, um überhaupt irgendwoher Fahrräder zu bekommen, zum Teil über Bedarf.
Und nun haben sie zum Teil mehr auf Lager, als sie ursprünglich haben wollten. So hat etwa der Radmarkt Schauer in Schweinfurt, einer der großen Fahrradhändler in Unterfranken, im Augenblick rund 3.000 Fahrräder und E-Bikes auf Lager: deutlich mehr als normal.
Fahrradhersteller hoffen bis 2025 auf Normalisierung
Die Fahrrad-Produzenten bemerken die Zurückhaltung bei den Nachbestellungen. Von den bundesweit rund 130 Herstellern sitzen fünf größere in Bayern: Cube im oberpfälzischen Waldershof, Ghost im oberpfälzischen Waldsassen, Corratec im oberbayerischen Raubling und Winora und R Rayman im unterfränkischen Schweinfurt.
Susanne Puello, die Geschäftsführerin von R Rayman, sagt dazu BR24: "Der Handel muss jetzt erst einmal die Lager durch gute Verkäufe in den nächsten Monaten wieder nach unten fahren und dann entsteht daraus weiterhin ein Bedarf, dann wird im Nachgang die Industrie mit ihren Beständen entlastet werden und dann kommen wir ab 2025 wieder in normale Zyklen."
Entwicklung und Design in Bayern – Produktion ausgelagert
R Raymon ist der jüngste Fahrradhersteller in Bayern. Susanne Puello, die Urenkelin vom Gründer des einst großen Fahrradherstellers Winora in Schweinfurt, hat sich mit ihrem Mann selbständig gemacht und baut pro Jahr zwischen 50.000 und 60.000 Fahrräder und E-Bikes. In Schweinfurt werden die Fahrräder gestaltet, dann werden die Rahmen in Fernost produziert und schließlich in einem Werk in Bulgarien inklusive aller Komponenten, Schaltung, Bremsen und gegebenenfalls Motor, fertig montiert. In Schweinfurt werden im sogenannten Musterbau die jeweils ersten Prototypen der Fahrräder und E-Bikes gefertigt.
"Die Situation im Moment ist für uns nach Corona in der Industrie und im Handel angespannt. Ich würde aber nicht sagen, aus der Nachfrage des Konsumenten kommend, sondern mehr aus Bestandsüberhängen, die während Corona in der Boomzeit gefehlt haben und die jetzt da sind, ich gehe aber davon aus, dass sich ab 2025 der Markt wieder erholt, und bin fest davon überzeugt, dass das Thema 'Fahrrad' - allen voran E-Bike jeder Kategorie - in der Mobilität nicht mehr wegzudenken ist", sagt Susanne Puello.
Oberbayerische Fahrrad-Edelschmiede will in der Zentrale investieren
Konrad Irlbacher hat in Raubling im Landkreis Rosenheim Corratec gegründet. Ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben pro Jahr rund 150.000 Fahrräder und E-Bikes produziert. Davon sind etwa 75 Prozent E-Bikes und 25 Prozent normale Fahrräder. Hochwertige Rennräder oder Mountainbikes unter anderem aus Carbon werden in Bayern gefertigt. Das entspricht etwa 15 Prozent der Gesamtstückzahlen. 85 Prozent der produzierten Fahrräder und E-Bikes werden in einem eigenen Werk im rumänischen Timisoar von rund 200 Mitarbeitern montiert. Rund 150 Mitarbeiter beschäftigt Corratec in Raubling.
Konrad Irlbacher sagt zu BR24: "Wir wollen hier weiter investieren, wir wollen ein Logistikzentrum aufbauen, wir wollen die Manufaktur noch größer aufbauen und das werden wir auch tun. Dem Unternehmen geht es im Prinzip gut, wir haben aber - wie der gesamte Markt – zu viel Ware da", berichtet Irlbacher.
Fertigung aus Kostengründen im Ausland
Bayerische Fahrradhersteller fertigen im Ausland, weil dort in der Regel die Lohnkosten geringer sind und weil laut Konrad Irlbacher dort Personal leichter zu gewinnen ist. Ghost und Winora gehören zur holländischen Accell-Gruppe. Die beiden Unternehmen lassen ihre Fahrräder auch in Ungarn und der Türkei montieren. Über ihre wirtschaftliche Situation gaben die Fahrradhersteller Cube, Ghost und Winora auf BR24-Anfrage keine Auskunft.
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