Ein neugeborenes Mädchen, ausgesetzt auf dem Hinterhof-Parkplatz eines Hotels: Der Fall erregte Anfang März in der Region Rosenheim Aufsehen. Am Mittwoch hat am Landgericht Traunstein der Prozess gegen die 27-jährige Mutter begonnen. Der Vorwurf lautet: Aussetzung und gefährliche Körperverletzung.
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Geständnis der Angeklagten - "Keine Babyklappe gefunden"
Die Angeklagte ließ über ihren Verteidiger ein Geständnis verlesen. Demnach habe sie ihr Kind allein zu Hause geboren und es anschließend aus Verzweiflung ausgesetzt. Die 27-Jährige habe Angst gehabt, dass ihre Schwangerschaft bekannt werden könnte. Denn sie habe schon zwei Kinder geboren und zur Adoption freigegeben. Noch am Tag der Aussetzung habe sie im Internet nach Babyklappen recherchiert. Doch im Raum Rosenheim habe es keine gegeben. Sie habe daher keinen anderen Ausweg gewusst, als das Kind auszusetzen - und sie bedauere die Tat. Fragen beantwortete die Angeklagte nicht.
Staatsanwaltschaft: Tod in Kauf genommen
Die Staatsanwaltschaft wirft der Frau vor, den Tod des Kindes in Kauf genommen zu haben: Anfang März waren die Temperaturen niedrig. Das Kind war aber nur in ein dünnes Kleidchen und einen Schal gewickelt. Außerdem war nicht klar, wann das Kind gefunden wird: Das kleine Mädchen lag in einer Tüte.
Ein Hotelgast war durch Geräusche auf das Kind aufmerksam geworden. Nach Einschätzung der Geschäftsführerin des Hotels war das ein großes Glück: An dem Ort, an dem das Kind ausgesetzt wurde, kämen nicht oft Menschen vorbei. Nach Aussage einer Notfallsanitäterin war das Kind unterkühlt, als die Rettungskräfte eintrafen. Die Lippen waren schon leicht bläulich und der Säugling atmete schnell.
Jugendamt: "Kind ist gut versorgt" - Urteil wird bald erwartet
Die Polizei konnte die Mutter mithilfe von Überwachungskameras ermitteln. Die Beamten hatten ein paar Tage nach der Tat bekannt gegeben, dass sich der Zustand des Säuglings stabilisiert habe. Laut dem zuständigen Jugendamt in Rosenheim ist das Kind inzwischen gut versorgt. Mit dem Urteil im Prozess gegen die Mutter wird am 11. Oktober gerechnet.
Babyklappe soll kommen
Als Reaktion auf den Fall hat der Stadtrat von Rosenheim beschlossen, eine Babyklappe einzurichten. Diese ist laut den RoMed Kliniken ab Anfang November einsatzbereit. In einer Babyklappe befindet sich ein Bett, in das Mütter in Not ihr Baby legen können. Wird ein Kind abgegeben, aktiviert das einen Sensor. Nach drei Minuten ertönt beim Klinikpersonal ein Alarm. An der Babyklappe gibt es keine Überwachungskamera. Die Frauen, die ihr Kind dort abgeben, bleiben also anonym.
Totes Baby in Ruhpolding - Babyklappe auch in Traunstein
Die Tat erinnert an einen Fall aus dem Nachbarlandkreis Traunstein. Auf einem Wanderparkplatz südlich von Ruhpolding war Anfang Dezember 2022 ein toter Säugling gefunden worden. Auch am Klinikum Traunstein wurde daraufhin eine Babyklappe eingerichtet. Sie liegt von außen gut zugänglich, aber mit Sichtschutz und ebenerdig in der Nähe der Notaufnahme. In der Babyklappe sei zudem Informationsmaterial hinterlegt, um den Frauen den Kontakt zu Anlauf- und Hilfestellen zu erleichtern, heißt es vom Klinikum. "Auch für den Fall, dass die Mutter es sich nach der Abgabe generell anders überlegen sollte, kann sie über die angegebenen Kontakte Unterstützung erhalten", sagte der Chefarzt der Traunsteiner Kinderklinik, Gerhard Wolf, im Juni gegenüber dem BR.
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