Die Mönchskutte ist zurück bei der Fastenrede auf dem Nockherberg - zwar nur für ein paar Minuten, dafür aber in sechsfacher Ausführung: Im Kreise eines Mönchschors, der "Monachi Isolati" (Die isolierten Mönche), eröffnet Kabarettist Maximilian Schafroth seinen zweiten Auftritt beim legendären Politiker-Derblecken. "Inzidenz oooooh Inzidenz. Verreckte Inzidenz", intonieren die sechs schwäbischen Mönche, besingen ihren tristen Lockdown-Alltag vor dem Fernseher ("Wir glotzen jeden Tag, wir werden kugelrund") und stimmen ein mehrstimmiges Loblied auf das Impfen an.
Auf dem Nockherberg 2021: Die Starkbierprobe - zum Nachschauen in der BR Mediathek
Im vergangenen Jahr war der traditionelle Starkbieranstich auf dem Nockherberg eine der ersten Großveranstaltungen, die wegen Corona kurzfristig komplett abgesagt wurden. Dieses Jahr ist das Politiker-Derblecken wieder da - wegen der Pandemie ist aber vieles anders als sonst. Corona ist nicht nur eines der Themen in Schafroths Fastenrede, sondern diktiert auch die Rahmenbedingen: Erstmals ist es ein Nockherberg ohne Publikum im Saal. Auch das beliebte Singspiel gibt es heuer nicht, dafür darf Schafroth länger sprechen: Es sei eine "Fastenrede extended", kündigte der Allgäuer vorab an.
"Erster Distanz-Nockherberg der Geschichte"
Ein Fastenprediger wie einst Bruno Jonas alias Bruder Barnabas ist Schafroth auch dieses Jahr nicht - die Kutte weicht schnell dem Lodenjanker. Da der 36-Jährige wegen Corona vor einem Saal ohne Publikum spricht, interpretiert er die Rolle des Fastenreders aber ein Stück weit neu. Es ist der "erste Distanz-Nockherberg in der bayerischen Geschichte", ein "Nockherberg digital", betont Schafroth. Wie der Moderator eines Late-Night-Talks im Fernsehen hantiert der 36-Jährige mit Schalthebel, Buzzer, Fernbedienung und Joy-Stick, spielt Applaus aus der Konserve und Video-Sequenzen ein.
Damit es trotz der besonderen Umstände Politiker-Reaktionen in Echtzeit gibt, schaltet Schafroth Spitzenpolitiker aus Bund und Land live auf mehrere TV-Geräte. Mit dabei sind unter anderem gleich drei Parteichefs - Markus Söder (CSU), Armin Laschet (CDU) und Hubert Aiwanger (Freie Wähler) - sowie der Vizekanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. "Markus, Du hast recht", staunt der Schwabe und fügt mit Blick auf die jüngste Attacke Söders auf Scholz hinzu: "Er schaut wirklich schlumpfig aus." Und der Vizekanzler hält fröhlich eine Schlumpffigur in die Kamera.
"Das ist kein Unterricht, das ist a Schand"
Und wenn's schon kein Singspiel gibt in diesem Jahr, setzt er noch stärker als bei seiner Premiere vor zwei Jahren auf musikalische Einlagen. Eine Blaskappelle ist dabei, Schafroths altbekannter "Chor der Jungen Union Miesbach" präsentiert ein Gstanzl auf den kleinen Mann, im "Scheuer-Lied" entschuldigt sich der CSU-Bundesminister für das Pkw-Maut-Debakel (Es duat ma leid,/ ich hab dich sauber b'schissen/ des war ned g'scheid").
Der "Wirecard-Vorstand" schickt einen fröhlichen musikalischen Gruß aus dem Exil an Bundesfinanzminister Scholz, und ein Lehrerchor besingt die technischen Probleme beim Homeschooling: "Das ist kein Unterricht, das ist a Schand,/ (...) Ja den Lehrplan wird’s zerfetzen,/ Professor Michael Piazolo, sechs und setzen."
Eine Hymne auf Söder: "Voll Rat, auch ungefragt"
Und dann ist da noch der Windsbacher Knabenchor, der via Fernseher auf die Melodie eines bekannten vorweihnachtlichen Kirchenlieds eine Hymne auf den bayerischen Ministerpräsidenten vorträgt: "Macht hoch, die Tür/ die Tor macht weit/ der Söder Markus ist bereit/ ein König aller Königreich/ in Heiland bundesweit zugleich. / Mit Welpen posed auf Instagram/ Mit Merkel schmust im Kutschenkarrn/ Ein sehr bescheid‘ner Mann / Voll Rat, auch ungefragt."
Überhaupt dreht sich sehr viel um Söder in Schafroths Fastenrede. Söder sei das Prisma, "in dem alle politischen Farben sichtbar sind", stichelt der 36-Jährige gleich zu Beginn über Söders politische Wandlungen und erklärt ihn später zum "Don Juan de Corona": "Wie du in Bayern durchregierst, Markus, wie du da die Gehsteige rauf- und runterklappst, mit Hüftschwung um den Landtag rumregierst." Der Landtag dürfe nur noch nicken - wegen der Gefahr von Aerosolen. "Der Markus spaxt Kruzifixe an die Behörden, der bereitet sich vor auf den großen Angriff", spottet der Kabarettist. Das politische Berlin zittere beim Gedanken an einen möglichen Kanzler Söder: "Die holen ja schon die Kruzifixe aus dem Keller."
Söder und Aiwanger, "das bayrische Yin und Yang"
Söder allein aber tut es für den Fastenprediger nicht - nein, der CSU-Vorsitzende braucht seine bessere Hälfte, seinen Koalitionspartner Aiwanger von den Freien Wählern: "Der Markus" funktioniere nur im Duo "mit dem Hubert", sie seien das bayrische Yin und Yang. Aiwanger ein Bauchmensch, Söder ein "politischer Schachcomputer", analysiert Schafroth. "Der Hubert lebt! Der Markus denkt! "
Überhaupt ist es laut Schafroth wichtig, dass Aiwanger da ist. "Du bist wichtiger denn je!", verkündet er und verbindet das mit einem verbalen Nadelstich gegen die Grünen, von denen in den vergangenen Monaten zuweilen weniger Widerspruch zu Söders Corona-Kurs kam als vom mitregierenden Freie-Wähler-Chef: "Seit die Grünen verstummt sind, (...) Hubert, Du bist der Einzige, der dem Markus noch sauber neigrätscht."
Spott über das Kultusministerium
Viel einstecken müssen auch Aiwangers Parteifreund Kultusminister Michael Piazolo und sein Kultusministerium - insbesondere wegen der technischen Pannen bei der Lernplattform Mebis im vergangenen Jahr. Das Kultusministerium verspottet Schafroth als Blackbox mit lauter ausgemusterten Gymnasiallehrern, die "mit der Rohrpost schon überfordert" seien: "Das sind intellektuelle Wählscheibenapparate, bis die ein Tablet eingerichtet haben, sind wir bei der vierten Welle, von Sars Cov3."
Schafroths Unmut über die Grünen
Den Grünen unterstellt der Fastenredner gleich mehrfach einen Harmoniekurs mit Söder. An die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze gerichtet ruft er: "Opposition und Regierung verschmelzen zu einem sozialpädagogischen Kuschelseminar. (...) Ihr Grünen macht‘s den Mund nimmer auf." Er wolle die "alten Turnschuh-Gesichter" zurück, die alte "Bad-Taste-Party". Der Einzige, bei dem man die geschlossenen Friseure nicht merke, sei Grünen-Bundestagsfraktionschef Toni Hofreiter: "Der schaut immer gleich aus."
Eindringlich warnt der Allgäuer die Bundes-Grünen vor Schwarz-Grün mit Söder: "Da könnt's euch warm anziehen, der Markus dreht euch ungewürzt durch den Tofu-Wolf", mahnt er. Schwarz-Grün mit Söder, sei, "ungefähr so, als ob die Greta Thunberg ein Praktikum bei Shell anfangen würde". Über die SPD verliert Schafroth vergleichsweise wenig Worte - mangels einer Idee. "Wieso soll ich eine Idee haben - die haben doch selbst keine." Als er FDP-Fraktionschef Martin Hagen auf dem Bildschirm in dessen Hobbykeller erblickt, macht sich der Fastenredner lustig: "Politik als Hobby, das passt zur FDP."
Schafroths Mahnung an die Politik
An den Schluss seiner Fastenrede setzt Schafroth ernste Töne und eine Mahnung an die Politiker: "Ihr neigt zu Machtbesessenheit, Intrigen und karrieristischer Oberflächlichkeit." Bei aller Macht dürften Politiker nicht vergessen, wer sie ihnen verliehen habe.
Und nach einem Plädoyer für Kulturvorstellungen im Freien und eine Öffnung der Außengastronomie ruft der Kabarettist: "Die Zeit des unbeschwerten Umarmens wird wiederkommen. Wir werden wieder Menschen umarmen, der Markus Bäume, der Landtag wird wieder sprechen dürfen." Ein bisschen werde es zwar noch dauern. "Aber ich bin voller Hoffnung", spricht Schafroth, legt die Kutte wieder an und singt im Kreis der Mönchsbrüder: "Isolatiiiio. Spirito Isolaaaatiooo. Verreckte Inzidenz."
After-Show-Diskussion auf Clubhouse
So war der digitale Nockherberg. Nach der Übertragung ging die Diskussion auf Clubhouse weiter. Eva Lell hatte Katharina Schulze, Martin Hagen, Natascha Kohnen, Hubert Aiwanger und Ilse Aigner zu Gast. Hier zum Nachhören.
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