Stammtischatmosphäre, Blasmusik und eine tosende Menge auf Bierbänken: 2023 ist der Politische Aschermittwoch nach zwei Jahren erstmals wieder so, wie ihn alle kennen. Entsprechend in Angriffslaune zeigen sich die Rednerinnen und Redner. Inhaltlich bleiben sie oft oberflächlich. Die großen Renner sind der Verzehr von Insekten, die Flüchtlingspolitik und der Klimaschutz. Kein Wunder, es ist Wahljahr.
- Zum Artikel: Aschermittwoch: Söder gegen die Ampel - fast alle gegen die CSU
Die CSU will Bayern vor der Ampel schützen
In der Passauer Dreiländerhalle sitzen die Punchlines. CSU-Generalsekretär Martin Huber holt zum Schlag gegen die Ampelparteien aus: So viel linke Politik wie FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner in letzter Zeit mitgetragen habe - "mich würd's nicht wundern, wenn für ihn zum Einmarsch die Internationale gespielt wird".
Bei den Grünen in Landshut achte man wohl auch am Politischen Aschermittwoch vor allem auf eine bewusste Sprache: "Die Reden der Grünen haben heute wahrscheinlich mehr Sternchen als der Nachthimmel." Und die Bayern-SPD sei für den Bund "die bucklige Verwandtschaft, die gerne mal ignoriert wird". Sie habe keinen Einfluss, sei "an den Rand gedrängt".
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder appelliert an das Traditionsbewusstsein der Basis: "Wir essen lieber Schweinsbraten als Insekten oder Madenmüsli." Auch wenn Hausgrille und Getreideschimmelkäfer mittlerweile als Nahrungsmittel zugelassen seien, könnten die Grünen "das Zeug selber fressen, wir machen das nicht, niemals", bekräftigt er und witzelt: "Vor drei Jahren hieß es 'Rettet die Bienen' - und jetzt 'Futtert die Käfer'."
Freie Wähler mit Insektenwitz und Kritik an Lauterbach
Bei den Freien Wählern geht es wie erwartet zünftig zu. Eine Blaskapelle sorgt für Stimmung und Parteichef und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger unterhält das Publikum in einer umjubelten Ein-Mann-Show. Doch auch sein Parteikollege, Umweltminister Thorsten Glauber, hat den ein oder anderen Spruch in petto. Zum Beispiel zur Problematik der fehlenden Arbeitskräfte in Deutschland: "Den größten Fachkräftemangel gibt es aktuell in Berlin, er heißt Bundesregierung."
Glauber schimpft auch über die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Klinikreform. Lauterbach habe keine Ahnung, welche Auswirkungen diese für viele kleine Kliniken in Bayern habe: "Es gibt einen Spruch aus der Werbung: 'Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker.' Einen Arzt sollten Sie nicht fragen. Er heißt Lauterbach."
Dann betritt Aiwanger die Bühne in der Deggendorfer Stadthalle. Vor sonnengelbem Hintergrund mit Parteilogo gibt auch er einen Insektenwitz zum Besten: "Was ist der Unterschied zwischen einem normalen Waldarbeiter und grünen Waldarbeiter, wenn er Borkenkäfer-Bäume schält? Der normale Waldarbeiter schält den Baum, um das Ungeziefer zu bekämpfen - der grüne Waldarbeiter ist auf Nahrungssuche."
Grüne attackieren Söder und Aiwanger
Die Grünen haben sich für die Landtagswahl ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: 20 Prozent "plus ein sehr dickes X" hat die Partei im Blick. Beim Politischen Aschermittwoch sprechen sie eine Fülle an Themen an, attackieren aber besonders die Regierungsparteien in München.
Grünen-Parteichefin Ricarda Lang öffnet mit einer Botschaft an Söder: "Was mir nicht egal ist, ist, wenn ein Ministerpräsident beim Verbrenner seine politische Positionen wechselt wie andere ihre Unterhosen - und so Vertrauen in Politik verspielt", erklärt sie mit Blick auf dessen Haltung zum Aus für Autos mit Verbrennermotoren. Es sei Zeit für "weniger Identitätspolitik und mehr Verantwortung für Bayern".
Auch der Spitzenkandidat der bayerischen Grünen, Ludwig Hartmann, wirft Söder in Sachen Umweltschutz Scheinheiligkeit vor: "Das beste Blatt für Arten- und Naturschutz hätte doch Bayern, wenn die CSU nie gegründet worden wäre. Bevor Markus Söder seine Liebe für den Natur- und Artenschutz entdeckt, entdecke ich meine Liebe für Franz Josef Strauß." Und er setzt noch einen drauf. "Frei nach Franz Josef Strauß: Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass Markus Söder einen echten Klimaschutz betreibt."
Auch Freie-Wähler-Chef Aiwanger bekommt sein Fett weg: Es sei gut, "wenn Bayern zum Mekka der Künstlichen Intelligenz werden soll", betonte Hartmann. "Wenn ich mir die Arbeit von Hubert Aiwanger anschaue, könnte ein wenig künstliche Intelligenz nicht schaden."
AfD fürchtet düstere Zukunft mit Geflüchteten und Insektenverzehr
Die Reden der AfD in Osterhofen geraten erwartungsgemäß feindlich gegen Geflüchtete. Die ehemalige AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner zeichnet eine "Schreckensvision" des Jahres 2040. Die Bundesrepublik Deutschland würde dann umbenannt in "bunte Republik". Amtssprache seien Arabisch, Englisch und Gender-Deutsch. Beliebte Erholungsorte würden umgebaut: "Der Englische Garten in München ist jetzt ein Solarpark mit Shisha-Garten im Schatten der Minarette der Liebfrauen-Moschee."
Und auch gegen die anderen Parteien teilte Ebner-Steiner aus: "Die Grünen sind immer schön divers – auch bei ihrer eigenen Meinung", wetterte sie. Der CSU warf sie Verantwortung für den "Zustrom" von Flüchtlingen und die strikte Corona-Politik der vergangenen Jahre vor. "Dieser Söder ist die unverdiente Strafe für unser geliebtes Bayern", sagte Ebner-Steiner und erntete dafür "Söder muss weg"-Rufe aus dem Publikum.
Offenbar sieht man die Schwarzen als direkte Konkurrenz: Andreas Lichert, AfD-Landesvorsitzender in Hessen, warnt seine Parteikollegen: "Wir dürfen uns nicht blenden lassen vom AfD-Sound der CDU."
SPD: Machen statt "södern"
Bei der SPD in Vilshofen kommt der Politische Aschermittwoch seinen Wurzeln am nächsten: Hier wurden im 16. Jahrhundert die ersten Reden auf dem Vilshofener Viehmarkt gehalten. Im Laufe der Zeit übernahmen die Parteien diese Tradition - allen voran die Bayernpartei.
Bei der SPD will man machen statt "södern" - und wirft dem Ministerpräsidenten einiges an den Kopf. Spitzenkandidat Florian von Brunn legt los: Eigentlich sei es so, "dass der Stuhl des Ministerpräsidenten im Landtag schon heute nicht mehr besetzt ist, denn Selfie-Söder ist so selten im Landtag wie die CSU im Kanzleramt. Dafür ist er ständig in allen sozialen Medien. Man könnte schon meinen, das 'S' in CSU stünde für Social Media."
Und auch hinsichtlich der Kostenexplosion beim Bau der zweiten Stammstrecke in München platziert von Brunn eine Spitze gegen Söder: "Er hat alles unter den Tisch gekehrt, weil er Kanzlerkandidat werden wollte." Die Rechnung sei jedoch nicht aufgegangen: "So groß sind nicht mal die Tische im Kreml, dass das drunter passt, was Söder da verstecken will."
Überhaupt wünscht man sich bei der SPD die Schwarzen auf einen fernen Planeten oder Himmelskörper: Von Brunn: "Wir als SPD wollen im Gegensatz zur CSU die Geothermie massiv ausbauen - das ist wichtiger als Söders Raumfahrtprogramm. Das hätte nur einen Zweck, dass man die endlich zum Mond schießen kann."
FDP ist kaum zu Späßen aufgelegt
Der Politische Aschermittwoch ist für Christian Lindner kein Anlass, um sich in eine Spaßkanone zu verwandeln: Der FDP-Chef und Bundesfinanzminister bleibt in seiner Rede meist ernst - auch wegen des Ukraine-Kriegs.
Gegen die CSU teilt Lindner trotzdem mit Vergnügen aus: "Auf der einen Seite den Baum umarmen, und gleichzeitig die Motorsäge im Kopf haben. Streiten für das Kopftuchverbot und gleichzeitig für die Maskenpflicht. Die CSU, das ist die Partei für Leute, denen eine Meinung nicht genügt, sondern die alle Meinungen wollen und das Gegenteil davon", wettert er.
Auch FDP-Fraktionschef Martin Hagen grüßt die CSU in Passau. Die würde sich zum ersten Mal seit 2005 ohne Bundesminister treffen. "Es hat sich da sozusagen ausgescheuert. Ich glaube, das ist eine gute Nachricht."
Dann bringt er noch eine Spitze gegen die bayerischen Grünen an: Er erzählt, dass in München am Faschingsdienstag der Lärm gemessen worden sei, weil das Grün-geführte Kreisverwaltungsreferat eine Obergrenze von 87 Dezibel gesetzt hätte. "Die Grünen waren ja früher mal so eine Partei von Freigeistern, mittlerweile sind sie die strengen Gouvernanten der deutschen Politik – von Pippi Langstrumpf zu Fräulein Rottenmeier", lästert Hagen.
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