Diese Woche hat der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, erstmals seit 2020 das Profilbild seiner offiziellen Social-Media-Kanäle gewechselt. Lange lächelte er dort mit Anzug und Krawatte direkt in die Kamera - so wie die meisten anderen Staatschefs auch. Nun zeigt er sich als ernster Feldherr, mit Bart und olivgrünem Militärhemd.
"Die Ukraine wird diesen Krieg gewinnen"
Um seinen Landsleuten Mut zu machen und internationale Unterstützung zu mobilisieren, nutzt Selenskyj seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine (24. Februar 2022) geschickt seine Social-Media-Kanäle.
Der ukrainische Präsident lässt sein Land nicht im Stich, und das zeigt er vor allem auch auf den sozialen Plattformen. Erst vor wenigen Tagen twitterte er erneut zuversichtlich: „Die Ukraine wird diesen Krieg gewinnen“.
Dafür zollen ihm viele Menschen auf der Welt Respekt. Nicht zuletzt auch durch sein oftmals überlegtes und ruhiges Auftreten – trotz Lebensgefahr. Bereits im Februar teilte Selenskyj mit: "Nach unseren Informationen hat der Feind mich als Ziel Nummer eins ausgemacht. Und meine Familie als das Ziel Nummer zwei."
Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit schätzte kurze Zeit nach Beginn des Einmarsches in die Ukraine das Risiko eines Angriffs auf Selenskyj durch russische Truppen hoch ein: "Es wäre naiv zu sagen, dass er sich nicht in Gefahr befindet", sagte er in Berlin. Und Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian bot sogar an, den ukrainischen Präsidenten notfalls auszufliegen: "Wir können ihm helfen, falls es nötig wird."
Als Komiker belächelt, als Staatspräsident nun weltweit bewundert
Doch Selenskyj befindet sich weiterhin in der Ukraine. Seit acht Monaten verteidigt er sein Land. Doch, wer ist eigentlich dieser Mann, der nun so präsent in der Weltöffentlichkeit ist? Sicher ist: Die Zeiten, in denen er als ehemaliger Komiker belächelt wurde und überraschend und durch gute Kontakte zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde, sind vorbei.
Anfang des Jahres waren viele Ukrainer - auch knapp drei Jahre nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten - noch nicht von seinen staatsmännischen Fähigkeiten überzeugt. Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass seine politische Laufbahn ziemlich skurril begonnen hat.
Bis zu seiner Wahl zum Präsidenten im Mai 2019 hatte der Jurist, der nach seinem Studium als Kabarettist, Fernseh-Komiker und Schauspieler arbeitete, keine politische Erfahrung. Sein Weg ins Präsidentenamt ähnelte dem Drehbuch seiner populären Fernsehserie "Diener des Volkes".
In dieser Fernsehserie trat er 2015 auf dem damals meistgesehenen Fernsehsender der Ukraine, 1+1, als Geschichtslehrer auf. Der Lehrer ist von der Korruption ukrainischer Politiker angewidert, macht über Social-Media Wahlkampf, sammelt Geld über eine Crowdfunding-Kampagne und wird unversehens zum Präsidenten gewählt.
Krieg mit Russland rückt Selenskyj in ein neues Licht
Und so war es auch im Jahr 2019: Wolodymyr Selenskyj galt als die große Überraschung im Wahlkampf. Viele seiner Positionen blieben inhaltlich unklar, Interviews gab er nur sporadisch. Im Wahlprogramm fanden sich neben Forderungen nach mehr Demokratie auch eine Ankündigung, Korruption hart bekämpfen zu wollen.
In der Serie "Diener des Volkes" wird der Geschichtslehrer zum Präsidenten gewählt, weil ein Video viral geht. Auch Selenskyj verdankte seine Beliebtheit neben guten Kontakten seiner Präsenz auf Facebook und Twitter. Die weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem damaligen Staatschef Petro Poroschenko verhalf ihm letztendlich zum Wahlsieg.
Der Unternehmer Ihor Kolomokskyj hat ihn mit Geld und seinem TV Sender 1+1 aufgebaut – auch die Serie Diener des Volkes dient dieser Vorbereitung – und so heißt ja auch die Partei, die kein Parteiprogramm hat.
Doch der Krieg mit Russland hat ihn seit Februar 2022 in ein vollkommen neues Licht gerückt. Selbst als Russland in die Ukraine einmarschierte, bewahrte der Staatschef einen kühlen Kopf und rief seine Mitbürgerinnen und Mitbürger auf, nicht in Panik zu geraten. "Wir sind auf alles vorbereitet, wir werden siegen.“
Selenskyj - Jude, Komiker, russischsprachiger Staatschef
Wolodymyr Selenskyj ist neben dem lettischen Staatspräsident Egils Levits, der einen jüdischen Vater hat, der einzige jüdische Staatspräsident in Europa.
Er kam am 25. Januar 1978 in einer russischsprachigen-jüdischen Familie aus Krywyj Rih zur Welt, einer Industriestadt im Süden der damals noch sowjetischen Ukraine. Seine jüdischen Wurzeln waren aber nie ein großes Thema - weder in seiner Zeit als Fernsehkomiker noch im Wahlkampf zum Staatspräsidenten.
Sein Vater, geboren 1947, ist ein ehemaliger Professor. Die 1950 geborene Mutter arbeitete als Ingenieurin. Ab 1995 absolvierte Selenskyi ein Jurastudium in Kiew, war danach jedoch nie als Jurist tätig. 1997 gründete er die nach seinem Viertel benannte Kabarettgruppe "Kwartal 95" ('95. Wohnblock'). Die Truppe tourte fünf Jahre lang durch Russland und spielte in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion.
Seit 2003 ist Selenskyj verheiratet. Er hat zwei Kinder und lebt in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
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