Auf einer Straße in Fürth stehen zwei Männer und schreien sich an. Aus der Ferne sind ihre Worte nicht zu verstehen, doch die Situation ist klar: Der eine ist auf dem Fahrrad unterwegs, der andere mit einem Auto. Mindestens einer von ihnen hat es eilig – nur Sekunden vorher hat der Autofahrer den Radfahrer überholt. Ziemlich knapp. Dabei kam es fast zum Zusammenstoß.
"Es ist brutal, in der Stadt zu fahren"
Szenen wie diese spielen sich laut Aussage einiger Fürther Fahrradfahrer täglich in der Stadt ab. Eine aktuelle Studie der Hochschule Kempten hat festgestellt, dass etwa zwei Drittel aller Autofahrer Fahrradfahrer mit zu wenig Abstand überholen. Dabei kann es zu gefährlichen Situationen kommen. Das kann Tobias Linke nur bestätigen, er fährt hier regelmäßig. Man fahre nur zwei oder drei Kilometer, schon habe man "ungefähr fünf oder sechs Nahtoderfahrungen", erzählt er. "Es ist schon echt brutal, in der Stadt zu fahren".
Gesetzliche Abstände
Gesetzlich vorgesehen ist ein Mindestabstand von 1,50 Meter innerorts beim Überholen von Radfahrern. Außerorts gilt eine Distanz von zwei Metern. Festgeschrieben wurden diese Abstände in der Straßenverkehrsordnung im Jahr 2020. Doch seitdem habe sich nicht viel geändert, bemängelt Johanna Barber vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub in Fürth (ADFC). "Was dann allerdings die Umsetzung angeht, scheitert's einfach an den Kontrollen. Die Leute wissen, dass man es schwer kontrollieren kann und dass es praktisch nicht kontrolliert wird, und dann halten sie sich auch nicht dran, auch wenn sie wissen, dass sie’s müssen", sagt sie.
Kontrollen sind schwierig umzusetzen
Das Problem: Nach einem Unfall festzustellen, welcher Verkehrsteilnehmer während des Überholens wie weit weg vom anderen war und wie es dazu gekommen ist, ist sehr schwierig bis quasi unmöglich – zumindest wenn es als Beweis in einem Gerichtsverfahren taugen soll. "Es gibt kein geeichtes Gerät, mit dem man das messen kann. Man muss also mit Klebemarkierungen auf der Fahrbahn arbeiten, mit Videografie im Einzelfall. Und das ist schwierig nachzuvollziehen", erzählt Polizeidirektor Ingo Lieb, der für Verkehrsaufgaben beim Polizeipräsidium Mittelfranken zuständig ist. Nach seinen Angaben gab es im Jahr 2023 in ganz Mittelfranken insgesamt 20 Unfälle zwischen Autos und Radfahrern, weil mit zu wenig Abstand überholt wurde.
Was können die Städte tun?
Wenn Abschreckung durch Kontrollen also nicht funktioniert, was dann? Der ADFC und auch die Radfahrer, die mit BR24 sprechen, verweisen auf die Verantwortung der Städte. "Das gehört eigentlich in die Städteplanung, dass hier Wege geschaffen werden", sagt etwa Alexander Maul.
Breitere Straßen oder abgetrennte Wege für Radfahrer wären eine Lösung, aber keine einfache. Gerade in dicht bebauten Städten stoßen die Verwaltungen schnell an platztechnische oder finanzielle Grenzen, wie etwa die Stadt Fürth auf BR-Anfrage einräumt. "Darüber hinaus herrscht in der Fürther Innenstadt, wie in vielen anderen Großstädten auch, ein enormer Parkdruck. Das Wegfallen von Parkplätzen im Zuge einer Neugestaltung des Straßenraums wird von Teilen der Bevölkerung häufig stark kritisiert", heißt es. Einen städtebaulichen Lichtblick gibt es dann aber doch: 2022 wurde für die Stadt ein Radverkehrskonzept erstellt, das nun nach und nach umgesetzt wird.
Eine Frage des Menschenverstandes
Eine schnelle Lösung scheint demnach nicht in Sicht. Einen Tipp hat Polizeidirektor Lieb aber doch noch: "Vielleicht sollte man sich als Kraftfahrzeugführer einfach vorstellen, dass die eigenen Kinder vorne dran fahren – und sich dann überlegen, wie würde ich dann erwarten, dass der, der hinten dran fährt, mit dem Auto überholt? Dann wäre, glaube ich, schon vielen geholfen."
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