Anfang April hatte der Trachtenverein zum traditionellen "Sänger- und Musikantenhoagart'n" in das städtische Kultur- und Kongresszentrum (Kuko) geladen. Viele Musikgruppen aus der Umgebung gestalteten das Programm.
Durch den Abend führte ein Sprecher, der schon oft ähnliche Veranstaltungen moderiert hatte. Irgendwann gab der Mann die als Witz gemeinten Sätze von sich, die hier nicht wiederholt werden sollen.
Publikum reagiert verhalten – vereinzelte Lacher
Nur so viel: Es ging um einen Hai und einen Juden und einen Menschen aus Afrika, der dabei anders bezeichnet wurde. Die ganze Geschichte bedient sehr deutlich antisemitische und rassistische Klischees. Es gab laut einem Teilnehmer zwar vereinzelte Lacher, insgesamt aber eine deutlich verhaltene Reaktion des Publikums.
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Distanzierung vom Witze-Erzähler
Eine Besucherin der Veranstaltung hatte dann Anfang Mai mit Mails an den Veranstalter, den Bürgermeister der Stadt Rosenheim und die lokale Presse auf den Vorfall aufmerksam gemacht. Das OVB (Oberbayerische Volksblatt) brachte die Sache schließlich an die Öffentlichkeit.
Franz Grießl, der Vorstand des Gebirgstrachten-Erhaltungsvereins (GTEV) Rosenheim, Stamm 1, hat nun in Absprache mit dem gesamten Vorstand ein Schreiben verfasst, in dem er als Gastgeber des Abends um Entschuldigung für die Entgleisung des Sprechers bittet. Das Schreiben wurde am 18. Mai verschickt. Darin heißt es, man entschuldige sich für den sogenannten Witz, "der auch für uns untragbar ist". Man distanziere sich von jeder Form von Antisemitismus oder Rassismus.
Grießl sagte dem BR-Studio Rosenheim, wenn er vorher von dieser als Witz gemeinten Entgleisung gewusst hätte, hätte er sie niemals zugelassen. Man habe den Sprecher engagiert, aber keinen Einfluss darauf gehabt, was der sage: "Wenn der was von sich gibt, vieles auch sehr spontan, dann hat man das nicht in der Hand."
Grießl kann auch nicht nachvollziehen, warum der Moderator die Geschichte überhaupt vortrug. Dieser habe schon in der Einleitung darauf hingewiesen, dass der sogenannte Witz problematisch sein und für Aufregung sorgen könne.
Spaenle warnt vor Alltagsrassismus
Der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung bezeichnete den sogenannten Witz als Symbol für Alltags-Semitismus und -Rassismus. Solche Sprüche dürften nicht geduldet werden. Wenn darauf verwiesen werde, dass der "Witz" hundert Jahre alt sei, also aus der Weimarer Republik stamme, dann zeige das genau das Problem, um das es gehe. Spaenle wörtlich: "Formen des Alltagsrassismus und Alltagsantisemitismus können den Boden für wachsenden Rassismus und Antisemitismus bereiten und haben das historisch mitbereitet. Toleranz ist hier fehl am Platz."
Bericht über Hakenkreuz am Hut
Die Besucherin, die sich über den Vorfall beschwerte, will darüber hinaus an einem anderen Besucher einen Hakenkreuz-Anstecker gesehen haben, einen "wirklich sehr kleinen" Hutanstecker, wie sie dem OVB sagte. Sie habe ihn nur wahrgenommen, weil sie zwei Stunden hinter dem Hutträger gesessen habe. Auch ihr Partner habe den metallfarbenen Anstecker gesehen.
Grießl sagte dem BR dazu, er könne ausschließen, dass ein Mitglied des Trachtenvereins einen solchen Anstecker am Hut habe. Das sei nicht möglich und widerspreche allen Werten, die die Trachtenbewegung vertrete. Er verstehe nicht, warum die Besucherin die anwesenden Ordner oder ihn als Veranstalter nicht auf diese Straftat hingewiesen habe. Man wäre sofort eingeschritten.
Die Polizei Rosenheim prüft derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren einleitet. Das Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen ist ein Offizialdelikt, das auch ohne Anzeige verfolgt wird.
Trachtenverein: Stehen für Vielfalt und soziales Engagement
Laut Grießl ist die Betroffenheit in den Trachtenvereinen und auch bei den mitwirkenden Musikanten groß. Das OVB hat seinen Artikel mit einem Foto einer Sängergruppe bebildert, deren Mitglieder entsetzt seien, weil sie mit einer Sache in Zusammenhang gebracht werden, mit der sie nichts zu tun hätten.
Der gesamte Trachtenverein nehme die Angelegenheit sehr ernst , so Grießl. Wörtlich heißt es in der Entschuldigungs-Mail: "Wir werden in Zukunft alles daran setzen, dass sich ein ähnlicher Vorfall nicht wiederholen kann." Und weiter: "Die Trachtenvereine praktizieren seit vielen Jahren unter anderem in ihrer Jugendarbeit ein gemeinsames Miteinander von Kindern und Jugendlichen, bei dem niemand in irgendeiner Weise ausgegrenzt wird. Vielmehr stehen wir mit unserem Tun für gelebte Vielfalt und soziales Engagement." Grießl hofft, mit dem Entschuldigungsschreiben die Wogen wieder glätten zu können.
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