Dass Frauen heute eigenständig leben und arbeiten können, ist das Ergebnis eines langen Kampfes um Anerkennung und Rechte. Dass dabei auch Kleiderfragen einmal eine Rolle gespielt haben, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Um die Jahrhundertwende war das für Frauenrechtlerinnen jedoch durchaus ein Thema. Denn die Damenmode war damals vor allem auf Repräsentation ausgelegt – mit engen Korsetten, ausladenden Reifröcken und schweren Stoffmassen. Wer sich so durch den Alltag schleppen musste, für den wurde es mit der Eigenständigkeit schwer.
Kleider für Frauen, die arbeiten
Die Künstlerin und Modeschöpferin Else Oppler-Legband aus Nürnberg war eine der Frauen, die sich damals für eine Erneuerung der Damenmode einsetzten. 1875 kommt sie in einer wohlhabenden und kulturaffinen Familie zu Welt, die ihr den Besuch einer Privatschule für höhere Töchter ermöglicht. Bereits in jungen Jahren ist Else enorm kreativ – sie malt, schneidert, entwirft sogar Möbel. Und sie engagiert sich bei "Frauenwohl" – einem 1893 gegründeten Verein, der sich auch in Franken für die Emanzipation der Frauen einsetzt.
"In ihrer Kindheit und Jugend hat sie immer gehadert, dass sie kein Junge ist, dem die Welt offensteht, sondern gewisse Beschränkungen hat", sagt Gaby Franger aus Nürnberg. Die Sozialwissenschaftlerin hat im vergangenen Jahr eine Biografie veröffentlicht, in der sie das Leben der vielseitigen Jugendstil-Künstlerin bis ins Detail nachzeichnet. Ihrem Schaffen als Modeschöpferin hat Franger ein ganzes Kapitel gewidmet. "Die ersten Kleider, mit denen sie an die Öffentlichkeit trat, waren Ballkleider. Aber sie hat sehr schnell gesagt, sie muss auch Straßenkleider machen – Kleider für Frauen, die arbeiten."
Bequem, aber auch elegant
Else entwirft deshalb Modelle, die ihre Trägerinnen nicht länger einschränken – mit bequemeren Schnitten, kürzeren Stoffschleppen und vor allem: ohne Korsetts. Heute wird die Nürnbergerin deshalb als eine wichtige Vertreterin der sogenannten Reformkleiderbewegung betrachtet – einer nicht-organisierten Gruppe, zu der neben engagierten Frauen auch einzelne Künstler oder Mediziner gerechnet werden. Letztere warnten eindringlich vor den Schäden, die die Korsetts für Innereien und Körperhaltung haben konnten.
Populär waren die Reformkleider zunächst nicht. Viele Zeitgenossen fanden sie unförmig und plump, manche sprachen daher spöttisch von "Reformsäcken". Else gelingt es jedoch, sich davon abzusetzen – indem sie bequeme Schnitte mit Eleganz verbindet. Kunstvolle Stickereien schmücken ihre Kleider, die sich sanft an die weiblichen Rundungen anschmiegen. "Entgegen der deformierten Körperlinie der Korsettkleidung ist für die Reformkleidung das Hervortreten und leise Betonen der Körperlinien Grundbedingung", schreibt Else dazu später einmal in einem Aufsatz über Damenmode.
Else Oppler-Legband war einst im ganzen Land bekannt
Tatsächlich gelingt es der Fränkin mit ihrem Stil zu überzeugen, Ausstellungen mit ihren Modellen werden in der Presse regelmäßig gelobt. Von Kleidern, „wie sie geschmackvoller und kleidsamer nicht gedacht werden können“, ist etwa in der Kölnischen Volkszeitung die Rede. Auch das Berliner Tageblatt erkennt „eine gänzlich neue Kraft“ im Schaffen von Else Oppler, wie sie bis zu ihrer Heirat noch heißt. 1903 verlässt Else Nürnberg: Sie bekommt eine Anstellung im renommierten Berliner Kaufhaus Wertheim samt einer eigenen Abteilung für Damenmode – ein großer Karriereschritt.
"Es hat trotzdem noch sehr lange gedauert, bis sich diese neue Moderichtung endgültig durchgesetzt hat", sagte Gaby Franger, die für die Recherche zu ihrem Buch sogar bis nach Kairo gereist ist, um in einem Archiv alte Briefe von Else an eine Freundin aufzuspüren. Franger ist fasziniert von der umtriebigen Nürnbergerin, die als Künstlerin und Modeschöpferin in den 1910er- und 20er-Jahren in ganz Deutschland bekannt war – und später dennoch für Jahrzehnte in Vergessenheit geriet.
Ihr Schaffen geriet lange in Vergessenheit – leider
Else Oppler-Legband war Jüdin, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 flieht sie aus Deutschland. In den 1950er-Jahren kehrt Else zwar wieder zurück, doch dann denkt niemand mehr an ihr einstiges Schaffen. Dabei sei das, was sie und andere, die sich für eine Reform der Mode eingesetzt haben, so wichtig gewesen für die Frauen von heute, sagt Gaby Franger – nämlich "dass wir uns kleiden können, wie wir wollen, dass wir uns heute frei bewegen können und dass wir nicht durch Kleidung oder durch Zwänge, wie wir uns kleiden müssen, eingeschränkt sind in der Berufswahl."
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