Kinder werden von einem Schulweghelfer über die Straße geleitet.
Bildrechte: BR/Katharina Reichart

Schulweghelfer Michael Prestele unterstützt Schüler und Schülerinnen beim Überqueren der Straße in Oy.

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Schulweghelfer dringend gesucht - Schwaben hat Lösungen

Schulbusse, Elterntaxis, Lkw, Motorradfahrer und dazwischen die Schulkinder: Die Wege zur oder von der Schule nach Hause sind oft gefährlich. Schülerlotsen sind rar. In Schwaben gibt es jetzt neue Initiativen, die sich in diesem Ehrenamt engagieren.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Morgens kurz nach 7.30 Uhr in Oy im Oberallgäu: Der Dorfplatz zwischen alter Kirche und Rathaus ist zwar verkehrsberuhigt, doch gerade staut es sich im Kreuzungsbereich. Von allen vier Seiten wollen Autofahrer, Schulbusse, LKW und Motorradfahrer in alle Himmelsrichtungen. Einer hupt sogar.

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Dazwischen tummeln sich die Schulkinder, die noch etwa 300 Meter zur Schule gehen müssen. "Wie sollen die Kinder da den Überblick behalten?", fragt Gudrun Steiner und schüttelt den Kopf. Sie ist Zweite Bürgermeisterin in der Gemeinde, selbst Oma und war lange Zeit Lehrerin an der örtlichen Grundschule. Früher ist sie hier als Schulweghelferin so gut wie jeden Morgen gestanden, doch nach und nach wollte niemand mehr mitmachen. "Wir waren nur noch zu zweit, dann haben wir halt auch aufgehört", erzählt sie. Vor gut eineinhalb Jahren war das. Diese Entwicklung gibt es so nicht nur in Oy. Während der Coronapandemie ist die Zahl der Schulweghelfer bayernweit gesunken.

Angst, dass mal etwas passiert

Michael Prestele hat zu Beginn des neuen Schuljahres einen neuen Aufruf gestartet, nachdem er seine Tochter ein Jahr lang zur Schule begleitet und viele brenzlige Situationen erlebt hatte. Autofahrer, die an wartenden Fahrzeugen einfach rechts vorbeifahren oder viel zu schnell heranpreschen. Busfahrer, die hupen und dann überholen. "Ich habe schon Angst, dass einem Kind mal etwas passiert", sagt Prestele und betont, dass es sich dabei nur um Einzelne handele.

Auch die Kinder selbst sagen, sie seien oft schlicht ignoriert worden. "Früher mussten wir immer warten, weil die Autos immer drübergefahren sind und uns nie über die Straße gelassen haben", erzählt ein Junge. Dank der Initiative von Michaele Prestele sind die Oyer Schülerlotsen aber nun wieder zu siebt und können sich die Aufgabe am Morgen teilen.

Acht neue Schulweghelfer in Gersthofen

Ähnlich ist die Situation an der Pestalozzi-Grundschule in Gersthofen. Dort hat Bernd Krämling, Verkehrserzieher bei der örtlichen Polizei, acht neue Schulweghelfer ausbilden können. In gut 45 Minuten vermittelte er den Teilnehmern, wie sie den Straßenverkehr richtig einschätzen und die Kinder sicher über die Straße begleiten können.

Verkehrserzieher Bernd Krämling hat die neuen Schulweghelfer auch mit der passenden Ausrüstung ausgestattet: Leuchtwesten und Kellen, damit sowohl die Autofahrer als auch die Kinder die Schulweghelfer gut erkennen können. Besonders bei Nebel sind diese Hilfsmittel unverzichtbar.

Praktische Tipps und persönliche Motivation

Die acht Kursteilnehmer in Gersthofen sind sich der Verantwortung, die sie übernehmen, bewusst und schätzen die praktischen Tipps von Verkehrserzieher Krämling. Eine der Herausforderungen für die Schulweghelfer ist das richtige Einschätzen des Verkehrs. Dabei ist es wichtig, eine geeignete Lücke im Verkehr zu finden, um die Kinder sicher über die Straße zu führen. "Die Augen richten Sie bitte immer auf die Autos", mahnt Krämling. Die Schulweghelfer lernen auch, wie sie die Aufmerksamkeit der Autofahrer erregen und diese zum Anhalten bewegen. "Verkehrslücke erkennen und Kelle heben", so der Polizist, "damit keine Reifen quietschen".

Die Motivation der Teilnehmer ist klar: "Wir wollen, dass die Kinder sicher zur Schule kommen", sagt Sarah Kleemann. Die Mutter einer Grundschülerin ist mit der Schulweghelfer-Ausbildung sehr zufrieden und fühlt sich gut vorbereitet für ihr Ehrenamt.

Verkehrssituation in Oy wird sich nicht ändern

In Oy haben die neuen Schulweghelfer die Infos von den Verkehrserzieherinnen der Polizei in Kempten bekommen. "Die kommen auch regelmäßig und coachen uns, was wir besser machen können", sagt Prestele. Dass sich an der Verkehrssituation in dem kleinen Ort etwas verändert, ist nicht absehbar. Die Dorfmitte wurde vor zehn Jahren neugestaltet: mit Kopfsteinpflaster und durchgängig abgesenktem Gehsteig.

Große blaue Schilder mit spielendem Kind weisen auf die verkehrsberuhigte Zone hin. Laut Straßenverkehrsordnung darf hier nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Außerdem sind Fußgänger und Autofahrer gleichberechtigt. Wo nötig, muss gewartet werden. Es gilt rechts vor links. Doch die Realität sieht oft anders aus, sagen Prestele und Steiner. Beide sind der Meinung, der verkehrsberuhigte Bereich überfordert die Autofahrer: "Die wissen ja oft selbst nicht, was richtig oder falsch ist."

Wunsch nach eindeutigen Regeln

Prestele wünscht sich deshalb für alle Seiten eindeutige Regeln, zum Beispiel mit Hilfe eines Zebrastreifens oder eines erhöhten Gehwegs. Laut Gemeinde ist das allerdings nicht möglich, beziehungsweise nicht geplant.

Um kurz vor acht kommen nur noch wenige Schüler. Zigmal haben Steiner und Prestele ihre Kellen bisher zwischen die Autos und die Kinder gehalten, um so einen sicheren Schulweg zu ermöglichen. Die Eltern, die an diesem Morgen vorbeikommen und oft kurz auf einen Plausch anhalten, sind durchweg begeistert von den ehrenamtlichen Schulweghelfern. Von den Kindern bekommen die neuen Schülerlosten allerdings das größte Lob: "Es ist schon viel besser jetzt", sagt ein Schuljunge anerkennend.

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